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caiman.de 12. ausgabe - köln, dezember 2001
pancho

Eine Frage der Ähre: Quinoa

Müdes Abwinken bei überzeugten Vegetariern: Quinoa, ach so, ja, steht im Reformhaus gleich neben dem Amaranth. Doch noch gibt es Menschen, die sich der allgemeinen Verkörnerung weitestgehend entziehen und diesen daher zur Information:

Quinoa ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt und wird seit gut 6000 Jahren in den Anden angebaut. Die Inkas schrieben der Quinoapflanze besondere Kräfte zu. Sie galt als Geschenk der Götter und spielte bei religiösen Anlässen eine wichtige Rolle. Neben Kartoffeln und Mais waren die winzigen Körnchen von nur 1-2 mm Größe das wichtigste Nahrungsmittel. Den spanischen Eroberern war das nicht geheuer. Sie glaubten, die Pflanze verleihe den Inkas ihre Kraft und ihre Widerstandsfähigkeit und verboten daher bei Todesstrafe ihren Anbau.

Mit ihrer Vermutung hatten sie sogar recht, denn Quinoakörner enthalten von allen Getreidesorten die meisten Proteine, haben außerdem noch einen satten Fett-, Eisen-, Zink-, Calcium- und Magnesiumanteil und als Zugabe B+E-Vitamine. Echtes Kraftfutter also. Und praktisch: auch die Blätter wanderten in die Töpfe der Inkaköche und sogar die gedroschenen Pflanzenreste, als Asche den Cocablättern beigemischt, verhalf noch zu manch berauschendem Erlebnis.

Die Quinoapflanze liebt die luftige Bergluft, gedeiht noch auf 4000 Metern und erreicht eine Höhe von bis zu zwei Metern. In den günstigeren, tiefer gelegenen Anbauflächen wurde Quinoa auf Befehl der Spanier bald durch Gerste ersetzt. Nur in den abgelegenen Andenhochtälern fanden sich einige wenige Bewohner, die nicht aufhörten, den Eindringlingen Widerstand zu leisten, und die erst recht keine schlappen Flachlandkörner aus Spanien essen wollten. Sie bauten weiterhin Quinoa an. Diesen Menschen ist es letztendlich zu verdanken, dass die Quinoapflanze bis heute überlebt hat.

Richtig zubereitet, erinnert der Geschmack leicht an nussigen Wildreis; falsch zubereitet allerdings stark an Seifenpulver. Das in den Körnern ebenfalls enthaltene Saponin muss vorher durch gründliches Waschen gelöst werden.

Ist ansonsten zwar nicht schädlich, aber zumindest schade drum, denn billig ist das Ganze hierzulande nicht.
Glaubt man den Schriften der Ökoläden hierzulande, ist Quinoa für die Campesinos bereits zu teuer geworden. Dafür wird es aber umweltfreundlicherweise um den halben Globus geflogen und in den hiesigen und amerikanischen Ökoläden teuer verkauft: als magisches Kraftkorn aus den Anden, welches die Inka angeblich von ihren Göttern erhielten. Ein echter Marketingknüller.
Inzwischen wird Quinoa auch in großen Mengen in den USA kultiviert. Anbautechnisch gesehen ein großer Erfolg, waren doch alle vorherigen Versuche gescheitert:
die Spanier zur Kolonialzeit, die Franzosen während ihrer Revolution und die Deutschen während des Ersten Weltkrieges.

Übermütig geworden durch diesen Erfolg, beantragte die Colorado State University, ein Patent auf das „Apelawa“-Quinoa vom Titicaca-Sees, genauer: auf eine Form zur Hybridisierung der Körner, die noch 43 weitere traditionelle Quinoa-Arten, allesamt benannt nach Dörfern von Ecuador bis Chile, mit einschließt. Auch heute noch gibt es in einigen abgelegenen Andenhochtälern Boliviens einige Bewohner, die nicht aufhören, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Diese schlossen sich zur ANAPQUI, der Asociación Nacional de Productores de Quinoa, zusammen. Der übermächtige Gegner gab alsbald auf und zog beschämt seinen Patentantrag zurück.

Hätte sich die Universität durchgesetzt, so wären alle andinen Exporte auf die wachsenden Absatzmärkte für Quinoa in Nordamerika und Europa gefährdet gewesen; sogar die Produktion für Selbstversorgung hätte betroffen sein können.
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So aber frönen die siegreichen Dorfbewohner in Bolivien weiter ihrem Zaubertrank: Der geschrotete und gekochte Quinoa wird fleißig durchgekaut und die ausgespuckte Breimasse wird zum Gären angesetzt. Nach einigen Wochen ist die Chicha, das Quinoa-Bier, dann zur Freude aller genussreif. Soll ja Geist und Körper stärken.


Text und Fotos: Alexandra Geiser

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