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caiman.de 07. ausgabe - köln, juli 2001
mexico

Soldaderas der Mexikanischen Revolution (1910-30)

Pancho Villa, Francisco Madero, Emiliano Zapata: quer über die Brust gekreuzt zwei Patronengurte, ausladende Sombreros und stolz geschwungene Schnurrbärte. Berühmte und verehrte Männer der mexikanischen Revolution: Anführer eines Volksaufstandes für die gerechte Sache. Klangvolle Namen, denen der gewisse Hauch abenteuerlicher Romantik anhaftet.

Doch war die mexikanische Revolution wirklich reine Männersache?
Schon zu Beginn sorgten Frauen für Nahrungsmittelnachschub, kochten, versorgten die Verletzten, beerdigten die Toten und schmuggelten Waffen und Munition. Wenn auch oft nicht aus Idealismus. Ihre kämpfenden Ehemänner bestanden darauf: „Wer soll mir denn sonst meine Tortillas zubereiten, wenn nicht meine Frau?“, antwortete dazu ein Soldat in einem Zeitungsinterview.


general
pancho villa

Unverheiratete Soldaten mussten für diese Dienste zahlen; ein weiterer Grund für Frauen, beim Heer zu bleiben. Ganz abgesehen davon, dem Kriegstreiben in heimatlichen Gebieten nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.

Im Verlauf der Zeit jedoch griffen immer mehr Frauen aktiv in das Kriegsgeschehen ein. Immer öfter war von Heldentaten der weiblichen Soldaten zu lesen. Der spanische Schriftsteller und Zeitzeuge Vicente Blasco Ibañez spricht sogar von einem „gemeinsamen Kampf beider Geschlechter“. In Mexiko bekleideten Frauen militärische Dienstränge bis zum Grad eines Colonel. Das ist in einem Land, in dem die Bezeichnung „Macho“ noch immer ein Kompliment ist und das ideale Frauenbild sich an den Tugenden der Madonna orientiert, durchaus bemerkenswert.

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revolution:
reine
männersache?


pa`rriba


Abgesehen von gesellschaftlichen Einschränkungen wurden Frauen auch rechtlich benachteiligt. So durften sie lange Zeit nicht einmal Verträge abschließen. Die Vormundschaft ging vom Vater auf den Ehemann über. Daraus ergab sich aber auch:
kein Rechtsstatus, keine Selbstverantwortung.

Schon hundert Jahre vor der Revolution, im mexikanischen Unabhängigkeitskrieg, schlugen sich einige Frauen aus der spanischen Oberschicht auf die Seite der Aufständischen. Folgen für ihre Spionagedienste oder den Waffenschmuggel unter weiten Röcken mussten sie lange Zeit nicht befürchten, denn ins Gefängnis dafür kamen die jeweiligen Ehegatten - wegen mangelnder Aufsichtspflicht, und das immerhin war doch konsequent.

Auf die soldaderas der Revolution traf dieses nicht mehr zu. Einige traten aus dem Schatten ihrer männlichen Gesinnungsgenossen. Sie entwickelten sich zu Heldinnen ihres Landes:
  • - Über die erfolgreichen Schlachten von Colonel María Quinteras de Meras (im Gefolge von Pancho Villa, der sie sehr respektierte) rankten sich Legenden. Ihre Untergebenen glaubten, sie besäße übernatürliche Kräfte - was ihrem kriegerischen Erfolg nur zugute kam.

    - Die als Mann verkleidete Fahnenträgerin Ángela „Ángel“ Jiménez kämpfte für Carranza oft an vorderster Front und wurde ein angesehener Leutnant.

    - Und auf den Wagemut der Sprengstoffexpertin Colonel „Pedro“ Petra Herrera wurden Loblieder gedichtet, nachdem sie den Sturm auf Torreon angeführt hatte:

  • La valiente Petra Herrera
    Al combate se lanzó
    Siendo siempre la primera
    Ella el fuego comenzó

    („corrido del combate del 15 de Mayo en Torreon“)

In den Generalsstand wurde sie nicht gehoben, weil dieser den Männern vorbehalten war. Die Mitstreiterin Maderos ließ sich jedoch, genauso wie einige andere weibliche Colonels in ähnlicher Lage, mit Generala anreden.

Ab 1925 gewannen die Revolutionäre die Oberhand im Kampf. In der Konsequenz hatten die soldaderas ausgedient. Sie wurden aus den Rängen der Armee heraus gedrängt und aus den Truppen gelöst. Selten wurde ihnen eine entsprechende Pension zugesprochen; aus der anfänglichen Volksarmee der campesinos und campesinas hatte sich ein modernes, rein männliches Militär gebildet. Die weiblichen Dienstränge waren ersatzlos gestrichen worden, und in der mexikanischen Populärkultur haftete den früheren Heroinen alsbald der Ruf von Prostituierten oder amazonengleichen Kämpferinnen an, die durch männlich-romantische Tapferkeit bezwungen worden waren. Seither bezeichnet man sie leicht verächtlich als Las Adelitas.

Die Figur der Adelita, historisch gesehen die berühmteste soldadera der Revolution, wurde in späteren Jahren in verzerrter Weise zum Prototyp der mexikanischen Soldatin stilisiert: aus einer tapferen Kämpferin, die sich im Krieg und in zahlreichen Romanzen behauptete, wurde eine hübsche und begehrte Aufsässige, die letztendlich ihr Glück in der Ehe mit einem Kampfgefährten findet. Filme wie La enamorada (1946), Juana Gallo (1960) und La Valentina (1965) haben dieses Bild weiter verfestigt.

Dass die soldaderas in der Geschichte der mexikanischen Revolution eine bedeutende Rolle spielten, auch wenn dieses nicht mehr allgemein bekannt ist und zudem der aufgebauten Ideologie der Revolution widerspricht, bereitet mexikanischen Militärhistorikern bis heute Zähneknirschen.

Was wurde aus den soldaderas nach dem Krieg?

  • - Von der resoluten Generala wissen wir, dass sie später in Chihuahua als Spionin arbeitete und bei einer Kneipenschlägerei ums Leben kam.

    - Ángela „Ángel“ Jiménez emigrierte nach San José in Kalifornien und wurde Aktivistin für die Bürgerrechte der Chicanos.

    - Und die soldadera Manuela Oaxaca Quinn ging nach Los Angeles und zog dort ihren später weltberühmten Sohn auf, der als Schauspieler lange Zeit von sich reden machen sollte: Anthony Quinn.

Text: Alexandra Geiser


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