ed 02/2008 : caiman.de

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brasilien: Zieht Chico um?
Die Umleitung des Rio São Francisco
NICO CZAJA
[art. 1] druckversion:

[gesamte ausgabe]


cuba: Varadero - Auszüge aus einem Reisetagebuch
Teil 8: Der Inder
NORA VEDRA
[art. 2]
brasilien: Zwischenstopp in Bahia
Dom João VI in Salvador
THOMAS MILZ
[art. 3]
spanien: Barcelona: Auf der Suche nach einem Stück Geschichte
ANDREAS DAUERER
[art. 4]
helden brasiliens: Bei Gisele daheim
Ein Wochenende in Horizontina
THOMAS MILZ
[kol. 1]
erlesen: Eine kleine Geschichte Kataloniens
GUNDA WIENKE
[kol. 2]
grenzfall: Der starke Bolívar
Währungsreform in Venezuela zum 1. Januar 2008
ANNA CONDA
[kol. 3]
lauschrausch: Musik aus dem Grenzland
TORSTEN EßER
[kol. 4]




[art_1] Brasilien: Zieht Chico um?
Die Umleitung des Rio São Francisco

Velho Chico, vens de Minas
De onde o oculto do mistério se escondeu
Sei que o levas todo em ti
Não me ensinas
E eu sou só eu só eu só eu
Caetano Veloso - O Ciúme


Wenige Tage vor Weihnachten wurde in Brasilien ein Bischof ohnmächtig, weil er Hunger hatte. Luíz Flávio Cappio, Bischof von Barra in Bahia, befand sich seit 23 Tagen im Hungerstreik aus Protest gegen die geplante Umleitung des Rio São Francisco, des größten Flusses Brasiliens, der in Minas Gerais entspringt, den Nordosten durchquert und zwischen den Staaten Sergipe und Alagoas nach 2800 Kilometern in den Atlantik mündet. Dann erreichte ihn die Nachricht, dass der Oberste Gerichtshof die Weiterführung der aus rechtlichen Bedenken eingestellten Bauarbeiten erlaubt hatte. Er brach zusammen und wurde in die Intensivstation eines Krankenhauses in Petrolina am Ufer des Flusses eingeliefert.

Es ist nicht das erste Mal, dass die brasilianische Regierung darüber nachdenkt, die Wasser des São Francisco zu verwenden, um der Trockenheit des Sertão entgegenzuwirken und das damit verbundene Elend der dortigen Bevölkerung zu lindern.

Schon Kaiser Dom Pedro II hatte darüber nachgedacht, allerdings kam ihm dann der Krieg gegen Paraguay dazwischen, bevor er den Gedanken zuende bringen konnte, und es hätte sich ohnehin die Frage gestellt, ob die Ingenieure des 19. Jahrhunderts überhaupt technisch zu der Umsetzung eines solchen Mammutprojektes in der Lage gewesen wären. Immerhin handelt es sich um die größte Ingenieursvision seit der Transamazonica - die übrigens zahllose Hektare Regenwald und ebenso viele Menschenleben gekostet hat; die von Dschungel und Klima Stück für Stück mit der gleichen Geschwindigkeit wieder zerstört wird, in der man sie repariert; die meines Wissens noch immer nicht ganz fertig ist und von der nicht ganz klar ist, wer sie überhaupt noch haben will.


Seitdem haben immer wieder große Dürren die Menschen aus dem Sertão in die Küstenstädte getrieben, und die Umleitung des großen Flusses ist immer wieder als mögliche Lösung diskutiert worden.

Der jetzige Präsident Luís Inácio "Lula" da Silva allerdings meint es offenbar ernster als seine Vorgänger. Vom Hauptstrom sollen zwei gewaltige Kanäle abgezweigt werden, die die trockensten Landstriche durchqueren und die dortige Bevölkerung mit Wasser versorgen. Erste Vorarbeiten für das Projekt haben bereits begonnen. Und zwar unter Beaufsichtigung des Heeres - offenbar macht man sich Sorgen um den Unmut der Bevölkerung.

Bischof Dom Cappio ist die Galionsfigur einer landesweiten Protestbewegung gegen die Umleitungspläne, der sich bereits eine endlos lange Reihe von sozialen, kulturellen und kirchlichen Organisationen angeschlossen hat.

Unabhängige Institutionen sagen voraus, dass der Eingriff massive Umweltschäden am ohnehin schon stark angeschlagenen Ökosystem des Flusses nach sich ziehen wird. Dass die immensen Betriebskosten des Projektes den Wasserpreis in die Höhe treiben werden. Dass die Kostenschätzung von 3 Milliarden Dollar um ein Vielfaches zu niedrig angesetzt ist. Dass die Bevölkerungsteile, die von der Trockenheit am meisten betroffen sind und am werbewirksamsten als Nutznießer des Projektes verkauft werden, viele von ihnen Indigene oder Nachkommen von entflohenen Sklaven, so verstreut in den Weiten des Sertão leben, dass das Wasser aus den Kanälen sie nicht erreichten wird.


Außerdem gibt es schon jetzt Gemeinden, die bloße zehn Kilometer vom Fluss entfernt liegen und trotzdem durch Lastwagen mit Wasser versorgt werden müssen - der São Francisco ist an vielen Stellen bereits so stark verschmutzt, dass man sein Wasser ohnehin nicht trinken kann, und den vereinzelten Gemeinden des Sertão wäre mit dem wesentlich billigeren Bau vieler kleiner Zisternen deutlich mehr geholfen. Zahlreiche Bewässerungsprojekte dieser Art sind angefangen, aber nie zuende gebracht worden.

Die öffentlichen Wassernetze, in denen das umgeleitete Wasser eingespeist werden soll, funktionieren mit einer so mangelhaften Effizienz, dass mehr als die Hälfte des eingespeisten Trinkwassers auf dem Weg verloren geht.

Die Quintessenz des Protestes ist also die folgende: Das Problem der Region ist nicht die Knappheit des Wassers, sondern der schlechte Umgang damit; angebracht wäre eine Revitalisierung des Flusses, eine Verschärfung und bessere Kontrolle der Umweltauflagen, eine Verbesserung der Wasserzirkulationssysteme.

Und dann sind da auf der anderen Seite die Großgrundbesitzer mit den exportorientierten Obstplantagen und den Krabbenzuchten, die einen extrem hohen Bewässerungsbedarf haben und sich sehr über das Projekt freuen. Vielleicht hat der eine oder andere von ihnen ja noch einen Cousin mit einer Baufirma. Das Muster ist nicht neu und es fällt schwer, hinter diesen Tatsachen nicht nach den üblichen Verschwörungen Ausschau zu halten.


Die Zahlen und Argumente findet man in den üblichen Quellen, und in der Debatte um die Umleitung des Flusses sind sie allgegenwärtig: Wie lang, wie breit, wie viele Kubikliter Wasser, wie viele Höhenmeter. Wie verschmutzt. Wie viele oder wie wenige Fischspezies. Wie viel Prozent hiervon oder davon. Wie viele Bakterien und Schwermetalle. Wer profitiert, wer nicht.

All das ist leicht in Erfahrung zu bringen, und all das reicht bereits aus, der Umleitung des São Francisco mit gehöriger Skepsis gegenüberzustehen. Der andere, schwieriger in Zahlen messbare Wert des Velho Chico ist von außen bestenfalls am Rande erkennbar, aber doch ein ganz wesentlicher Grund für die Leidenschaft, mit der viele brasilianische Gemüter auf den geplanten Eingriff reagieren: Der Rio São Francisco ist eine mythologische Persönlichkeit von Rang und Namen. Er ist das Identität gebende Landschaftsmerkmal des Nordeste schlechthin. Er ist Protagonist in einer Unzahl von Geschichten und wird in ebenso vielen Liedern besungen. An seinen Ufern trafen die ersten Jesuiten auf die ersten Indianer, entlang seines Verlaufs wurde Brasilien zu Brasilien - im Guten wie im Schlechten.

Es gibt also eine Menge weitere erstaunliche Dinge über den Fluss zu erfahren, die in der Diskussion weniger präsent sind, aber doch eine Rolle spielen. Zum Beispiel dieses: Immer ungefähr um Mitternacht schläft der Fluss ein. Er schläft kurz, nur zwei oder drei Minuten, aber er schläft tief und fest. Die Strömung ruht, die Wasserfälle halten inne, und es wird ganz still. Die Fische legen sich im Flussbett zur Ruhe, die Schlangen verlieren ihr Gift und die Wassermutter entsteigt dem Nass, auf der Suche nach einem Kanu, auf das sie sich setzen kann, um ihr langes, langes Haar zu kämmen. Die Ertrunkenen erheben sich aus den Tiefen und machen sich auf den Weg zu den Sternen. Die Bootsleute, die sich um Mitternacht auf dem Fluss wiederfinden, üben die größte Vorsicht, ihn nicht in seiner Nachtruhe zu stören. So wirft ein Bootsmann, der durstig ist, ein Stückchen Holz aufs Wasser, bevor er sich zu Trinken nimmt. Treibt das Hölzchen bewegungslos auf der Oberfläche und rührt sich nicht, dann wartet der Mann ab, denn es gehört sich nicht, den Fluss zu wecken. Wer das tut, wird vielleicht bestraft, von der Wassermutter, von den Fischen, von den Schlangen oder von den Ertrunkenen, die die Sterne nicht erreichen können.


"Das Haupthindernis der Entwicklung ist nicht die Knappheit an Wasser oder an Investitionsmitteln, sondern das Fehlen von Gerechtigkeit" - so sprach Präsident da Silva noch 2004. Bischof Cappio hat seinen Hungerstreik beenden müssen, ohne dass die Regierung eingelenkt hätte. Heute sagt Lula: "Zwischen dem Leben eines Bischofs und dem der Armen entscheide ich mich für die Armen". Klingt gut. Aber ob das hier die Frage ist?

Text: Nico Czaja
Fotos: Thomas Milz

Weiterlesen:
Lulas Transamzônica?
A quem serve a transposição do Rio São Francisco?
Uma vida pela vida

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[art_3] Brasilien: Zwischenstopp in Bahia
Dom João VI in Salvador

Teil 2 unserer Trilogie über die Überfahrt des portugiesischen Königshauses nach Brasilien. (Teil 1 / (Teil 3)


Nahezu zwei Monate lang war der vor Napoleons Soldaten aus Lissabon geflohene portugiesische Königshof und seine englische Begleitflotte zum Jahreswechsel 1807/1808 unterwegs, um den Atlantik Richtung Brasilien zu überqueren. Die Bedingungen an Bord müssen allerdings alles andere als königlich gewesen sein.

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Während der dickliche Prinzregent Dom João VI und seine Familie wenigstens noch über Privilegien wie ein eigenes Außenbordklo verfügten, drängelten sich tausende Adelige zusammengepfercht auf den Schiffen der königlichen Flotte. Allein an Bord des lediglich 67 Meter langen Flaggschiffs Príncipe Real sollen1054 Menschen gewesen sein. Die hygienischen Bedingungen waren gruselig und die Essensrationen karg. Läuse grassierten sogar auf den königlichen Kopfhäuten, so dass sich die Damen der Königsfamilie Glatzen scheren lassen mussten.

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Als ob all dies nicht schon genug des Übels gewesen wäre, schüttelte ein gewaltiger Sturm die Flotte am 8. Dezember 1807 vor Madeira kräftig durch. Masten und Segel gingen flöten, doch zumindest konnten sich alle Schiffe retten. Auf der Höhe des Äquators verharrte man im Anschluss dagegen nahezu zehn Tage lang aufgrund ausbleibender Winde.

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Am 22. Januar 1808 landete schließlich ein Teil der Flotte in Salvador da Bahia an der Nordostküste Brasiliens. Dom João VI hatte sich erst auf hoher See entschlossen, Salvador anzulaufen, statt direkt nach Rio de Janeiro zu segeln wie es der ursprüngliche Plan vorgesehen hatte. Er wollte sich versichern, dass auch die alte Hauptstadt voll und ganz hinter dem portugiesischen Königshof stand.

Unter dem Jubel der Bewohner Salvadors und dem Donner des Kanonensaluts ging der Monarch am Morgen des 23. Januars an Land. Er war damit der erste und einzige europäische König, der jemals eine amerikanische Kolonie betreten hat.

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In Salvador gründete Dom João VI die erste medizinische Fakultät des Landes. Doch seine wichtigste und folgenreichste Tat überhaupt vollzog er am 28. Januar, als er die Öffnung der brasilianischen Häfen für Handelsschiffe befreundeter Nationen erklärte.

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Damit war natürlich England gemeint und ab nun sollten englische Waren die brasilianischen Märkte überschwemmen und gleichzeitig den Untergang Portugals als Handelsmacht beschleunigen. Was als Dank (oder vielleicht sogar Tribut?) für Englands Treue gedacht war, beschleunigte letztlich nur die brasilianische Unabhängigkeit und den Niedergang des einstigen portugiesischen Handelsimperiums.

Ansonsten feierte der Prinzregent ausgiebig in Salvador, ließ sich von seinen Dienern durch die engen Gassen der Stadt tragen und warf auch schon mal Goldmünzen unter das Volk. Kein Wunder also, dass dieses den Prinzregenten aufforderte, doch lieber in Salvador zu bleiben, statt nach Rio de Janeiro weiter zu segeln.

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Doch Dom João VI ließ sich vom vielen Bitten und Betteln nicht erweichen und am 26. Februar Richtung Süden Segel setzen – die letzte Etappe der Überfahrt des portugiesischen Königshauses nach Brasilien. Nachzulesen ab März hier an dieser Stelle.


Text + Fotos : Thomas Milz

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[art_4] Spanien: Auf der Suche nach einem Stück Geschichte

Ein Winter in Barcelona ist einfach herrlich. Da gibt es sogar im Januar Tage, an denn ein T-Shirt schon zu viel des Guten sein kann. Zwar ist das Meer noch zu kalt, um darin zu baden, aber ein kleiner Spaziergang an die Muelle kann nicht schaden. Im Gegenteil. Es belebt den müden Geist, gibt viel zu gucken und wenn man eine Stärkung braucht, geht man in die Champañería - unweit der Barceloneta.

Das Schöne daran ist, dass sich hierhin zwar mittlerweile immer mehr Touristen verirren, aber auch alteingesessene Katalanen dort regelmäßig verkehren.

Schon beim Betreten des kleinen Ladens riecht man diese wunderbare Mischung aus Cava, Serrano Schinken und Feuer. Das Interieur hat Charme: von der Decke hängen zig Schinkenkeulen und Würste herab, die Regale an den Seiten sind vollgestopft mit allerlei Leckereien und an die Theke kommt man nur schwerlich, weil die Champañería scheinbar immer überfüllt ist. Aber auf ein Bocadillo und zwei, drei Cava lässt sich das gut aushalten.

Ich presse mich vorbei an einem dicken Katalanen, der nicht die kleinsten Anstalten macht, mich vorbei zu lassen. Aber ich schaffe es dennoch, lächle ihn an und wünsche ihm einen guten Appetit. Seine Augen leuchten ebenso sehr wie der rosa gefärbte Cava in seiner linken Hand und er erwidert irgendetwas Unverständliches. Natürlich auf Catalán. Als ich ihm kurz zu verstehen gebe, dass ich der hiesigen Landessprache nicht mächtig bin, geht es schließlich auf Spanisch weiter. Zumindest glaube ich das. Er spricht mit vollem Mund so schnell und undeutlich, dass ich außer "Alemania, que puta madre", oder so ähnlich, nichts verstanden habe. Es ist eine feucht-fröhliche Runde hier und die Katalanen, so stolz sie auch auf Ihr kleines Fleckchen Land sein mögen, freuen sich im Allgemeinen dennoch, wenn jemand kommt und mit ihnen auf Spanisch kommuniziert. Das gilt aber nur für Touristen. Wer länger in der Stadt bleibt und geschätzte zehn Mal beim gleichen Supermarkt einkaufen geht, der wird irgendwann zwangsläufig ganz subtil darauf hingewiesen, dass es jetzt an der Zeit sei, Catalán zu erlernen.

Daraufhin wird er dort entweder nur noch in der Landessprache angesprochen oder aber es werden Witzchen gerissen. Mich erstaunt es ohnehin, dass sich seit jeher viele Studenten Barcelona als Studienort aussuchen.

Für ein halbes Jahr Erasmus mag das ja noch in Ordnung sein, weil alles so anders ist als in Deutschland. An der Uni allerdings kommt es nicht selten vor, dass einige Professoren ihre Vorlesungen nur in Catalán halten und auch durch persönliches Vorsprechen nicht dazu bewegt werden können, vielleicht ins Spanische zu wechseln. Ja, es ist eine stolze Stadt mit vielen stolzen Bürgern.

Der perlende Sekt zeigt unterdessen nicht nur bei mir Wirkung. Die Leute sind ausgelassen, über meinen Kopf hinweg schwirren allerlei Wortfetzen - von Catalán über Spanisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Russisch ist alles dabei - und ich spüre eine wohlige Wärme, die mit dem sich in der Mitte des Raums befindenden Feuer eher nichts zu tun hat. Ganz ohne mein Zutun werde ich langsam durch die kleine Stube gedrückt bis ich schließlich an der Cava-Verkaufstheke lande. Ein Schweiß gebadeter Mann im blauen Polohemd schaut mich erwartungsvoll an. Nach kurzem Zögern tue ich ihm schließlich den Gefallen und nehme zwei Flaschen. Nicht zuletzt ist das eine der vielen Spezialitäten hier in Barcelona und die gilt es schließlich auch zu genießen. So etwas verkommt ja nicht.

Nach einer knappen halben Stunde trete ich wieder hinaus in die warme Sonne. Es ist an der Zeit, der Sagrada Familia einen Besuch abzustatten. Was wäre ein Barcelona Besuch ohne Gaudís berühmte Kirche gesehen zu haben? Da mit Unterbrechungen ständig daran gebaut wird, hoffe ich, ein paar neue Details zu entdecken.

Ich entschließe mich mit dem Bus hinauszufahren, damit ich nicht gänzlich das Flair der Stadt im Untergrund verliere. Beim Aussteigen kann ich eine gewisse Enttäuschung nicht verleugnen. Das Bauwerk ist phantastisch, aber es sieht eben genauso aus, wie ich es einerseits von meinen vorherigen Barcelonaaufenthalten kenne. Oder von den vielen Postkartenmotiven, die einem überall in der Stadt, ob man will oder nicht, begegnen. Ich umrunde die Kirche gemächlich, setze mich in den kleinen Gaudí Park und lasse meine Gedanken schweifen. Ganz in der Nähe wohnt ein alter Freund, den ich in Peru vor fünf oder sechs Jahren kennen gelernt habe. Ich hatte noch versucht ihm zu schreiben, aber auf meine kurze Mail kam keine Antwort. Wahrscheinlich arbeitet er schon lange nicht mehr für seine alte Firma und er hat mein Geschreibsel nie erhalten. Sei’s drum.

Ganz so einfach will ich mich aber nicht zufrieden geben. Ich beschließe in die Richtung zu gehen, wo ich sein Appartement vermute. Nein, die Richtung weiß ich sicher, nur an den Straßennamen kann ich mich partout nicht mehr erinnern. Er wohnte zusammen mit seiner Freundin irgendwo zwischen der Sagrada Familia und dem Torre Agbar, einem modernen Turm gleich an der Plaça de les Glòries Catalanes.

Es könnte die Independéncia gewesen sein. Aber ebenso die Xifré, die Dos de Maig oder doch die Cartagena. Während ich durch die einzelnen Straßen irre und auf mir bekannte Merkmale achte, wird mir immer klarer, wie naiv mein Unterfangen ist. Im Zick Zack durchquere ich das komplette Viertel von L’Eixample. Immer wenn ich glaube auf der richtigen Straße zu sein, finde ich auf der gegenüberliegenden Seite keinen kleinen Supermarkt. An den erinnere ich mich beispielsweise ziemlich genau. Als ich zum ersten Mal nach Barcelona kam und bei Albert, so heißt mein verschollener Freund, nächtigte, haben wir in dem kleinen, aber sehr, sehr feinen Supermarkt eingekauft. Ein bisschen Wein, guten Käse und ein paar Oliven. Fisch holten wir uns dann vom Markt in der Innenstadt und zum Abendessen gab es, na klar, Paella. Und zwar eine gemischte mit Fleisch und Fisch. Ich war skeptisch, weil ich zum einen kein großer Fischfreund bin, mir zum anderen eine Fleisch-Fisch-Mischung schwer vorstellen konnte. Ich wurde eines Besseren belehrt. Es war die bei weitem beste Paella, die mir bis heute untergekommen ist.

Ich glaube, gerade in diesem Moment jage ich genau dieser Vorstellung nach. Einen alten Freund wieder sehen und mit ihm gemeinsam den Abend verbringen. In der Hoffnung, dass wir erneut eine zauberhafte Paella zubereiten und alte Zeiten aufleben lassen.

Gedankenspiele sind erheiternd und wunderbar, helfen allerdings nur bedingt bei der Suche nach einem alten Kollegen und noch älteren Zeiten. Ich mache es kurz: ich hab weder seine Wohnung, noch den Supermarkt gefunden. Zumindest stellte mich das nicht vor die Herausforderung, in einem zehn Parteien Haus mindestens sechs durchzuklingeln. Immerhin hab ich damit einen Grund erneut in diese wunderbare Stadt zurückzukehren.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

[druckversion ed 02/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: spanien]





[kol_1] Helden Brasiliens: Bei Gisele daheim
Ein Wochenende in Horizontina

Horizontina ist nicht gerade das, was man so von einer brasilianischen Stadt erwarten würde. Angefangen damit, dass es hier, im Gegensatz zu beinahe dem ganzen Rest Brasiliens, einfach viel zu ruhig ist. Nicht einmal am Wochenende kommt das gediegene 20.000 Einwohner zählende Städtchen in Schwung. Nach sieben Uhr abends Zigaretten zu erstehen oder gar ein Taxi zu ergattern, ist nahezu aussichtslos. Aber selbst wenn man es schaffen sollte – wo sollte man denn überhaupt hinfahren?

Gäbe es da nicht das Supermodel Gisele Bündchen, würde wohl niemand Horizontina kennen. "Gisele hat Horizontina auf die Weltkarte gebracht," freut sich Lilico, DJ beim örtlichen Radiosender Vera Cruz, der im Herzen der Stadt liegt. Am Empfang von Vera Cruz sitzt eine "Prinzessin", zumindest nennen alle hier die blonde Frau mit den unglaublich blauen Augen so. Auch dies ist anders in Horizontina als im großen Rest des Landes: man findet kaum typisch brasilianische Mulatas. Dafür schreiten blonde Frauen auf ihren langen Beinen durch die Stadt; waren es doch hauptsächlich deutsche und italienische Einwandererfamilien, die Horizontina gegründet haben.

Vor 27 Jahren wurde die blonde Gisele hier geboren, und hier wuchs sie zusammen mit ihren fünf Schwestern bei ihrem Vater Valdir und ihrer Mutter Vania auf. Heute leben nur noch Valdir und sein Bruder Jorge Frederico in Horizontina. Und Großvater Walter Bündchen, ehemals Bürgermeister der Stadt und ein Pionier der örtlichen Land- und Forstwirtschaft.

"Ich habe Gisele schon lange nicht mehr gesehen", klagt der 81-jährige Walter. "Das letzte Mal haben wir vor einem Jahr miteinander telefoniert und vor etwa acht Monaten haben die Jungs ihr eine E-Mail von mir geschickt. Darin hatte ich Gisele geraten, in Europa und in Euros zu investieren und nicht alles in den USA anzulegen. Aber ich weiß nicht, ob sie meinem Rat gefolgt ist." Stolz hält Walter das Foto mit den sechs Schwestern Bündchen hoch, die sich über Elton Johns Stern auf dem Hollywood-Boulevard versammelt haben.

[Gisele Bündchens Großvater Walter]


"Gisele hatte immer etwas Besonderes an sich; sie war die cleverste der sechs Schwestern", weiß der Großvater zu berichten. "Als Kind habe ich sie Volleyball spielen sehen und sie hatte einige unglaublich raffinierte Spielzüge drauf. Und beim Canasta hat sie auch immer geschummelt und die Joker vom Tisch stibitzt."

Walter Bündchen wirkt traurig als er sagt: "Ich glaube nicht, dass sie jemals wieder in Horizontina leben wird."

Das Samstagsabendprogramm in Horizontina besteht für die meisten Familien aus kollektivem Zusammensitzen auf den Wiesen rund um das Rathaus. Oder man isst arabisches Fastfood in Hamdis "Chopp Stiefel". Was nach deutscher Stube klingt, wird in Wirklichkeit von dem 57-jährigen Palästinenser Hassan Juma, kurz Hamdi genannt, geführt.

"Giseles Vater Valdir war gerade noch hier zum Essen", erzählt Hamdi feierlich. "Ich kenne Gisele und ihre Familie schon seit Ewigkeiten. Bin ja auch schon mehr als 30 Jahre hier."



[Gisele Bündchen und ihre fünf Schwestern]

Die Jugendlichen Horizontinas fahren derweil nach Santa Rosa, der nächst größeren Stadt gut 30 Minuten entfernt. Dort soll es sogar Diskotheken geben Die Fahrt mit dem Taxi dorthin würde locker 30 Euro kosten. In Horizontina selbst herumzufahren, ist da schon billiger: 8 Reais kostet jede Fahrt mit einem der acht lokalen Taxen. Egal wohin es einen in der kleinen Stadt verschlägt, der Preis ist stets der Gleiche.

Die Rettung für ein beschauliches Wochenende im nur 15 Kilometer von der argentinischen Grenze entfernt gelegenen Horizontina ist der örtliche Sportklub mit seinem 25 Meter Becken. Allerdings ist das Wasser braun-grün, da Erde in die Leitungen eingesickert ist. "Dafür kipp ich einfach ein bisschen mehr Chlor rein, dann passiert Dir schon nix", meint der Herr am Beckenrand. Für 3 Reais Pauschale kann man sich hier den ganzen Tag auf der Liege fläzen.

Am nächsten Tag sitzen Valdir und sein Bruder Jorge Frederico Bündchen schon früh in ihrem Büro in Horizontina. Jorge Frederico entwickelt Zukunftsprojekte im Bereich Energiegewinnung für die Region. "Zuckerrohr wird bereits zur Versorgung mit Ethanol-Sprit angebaut. Aber nur für den lokalen Markt, nicht für den Export. Und Windenergie wäre hier in der Region auch das Richtige. Wind ist da und die brasilianische Regierung würde das Ganze auch noch steuerlich fördern."

Im Nachbarbüro sitzt Giseles Vater Valdir. Er kümmert sich um Giseles Umweltstiftung, die den örtlichen Fluss wieder auf Vordermann bringen will. Knapp eine Million US-Dollar stehen bereit, um die Uferböschungen aufzuforsten.



[Gisele Bündchens Vater Valdir und Onkel Jorge Frederico]

Daneben schreibt Valdir an seinem zweiten Buch. Vor 10 Jahren hat er einen Ratgeber zur Persönlichkeitsentwicklung veröffentlicht – ein Buch dass Gisele auf ihrer Karriereleiter viel geholfen habe, so hat sie einmal gesagt. Über Giseles Privatleben schweigt sich ihr Vater aus. Tom Brady, Giseles neuer Freund? Einmal habe er ihn gesehen, so der Vater, und er scheine nett zu sein. Wie auch der Ex Leonardo DiCaprio nett war. Aus, keine weiteren Kommentare.

"Meine Töchter müssen selbst wissen, was sie tun. Und das Wichtigste ist doch, dass sie glücklich sind – egal ob sie mit einem Fußballer oder einem Astronauten verheiratet sind."

Vielleicht, so geht es einem auf dem Rückweg zum Hotel so durch den Kopf, könnte sich ein raumfahrender Schwiegersohn schon eher vorstellen, in Horizontina zu leben. Denn der Mond kann auch nicht viel einsamer sein.

Text + Fotos: Thomas Milz

[druckversion ed 02/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: helden brasilien]





[kol_2] Erlesen: Eine kleine Geschichte Kataloniens

Katalonien ist eines der beliebtesten Touristengebiete Spaniens, aber die Autonome Gemeinschaft im Nordosten der Iberischen Halbinsel unterscheidet sich deutlich - nicht nur durch die eigene Sprache - vom Rest des Landes, und hat sich seit dem Ende der Franco-Diktatur von einer unterdrückten Region zu einer selbstbewussten "Nation" gewandelt. Der vorliegende Band beschreibt die Entwicklung seit 1975 bis heute detailliert und kenntnisreich, beginnt aber sozusagen bei Null bzw. im Jahre 985, dem "Gründungsjahr" der katalanischen Kulturnation mit "Wilfred dem Behaarten", dem ersten Grafen von Barcelona.

Walther L. Bernecker/ Torsten Eßer/ Peter A. Kraus
Eine kleine Geschichte Kataloniens
suhrkamp, München 2007, 346 S., 10,00 Euro

Den beiden Kapiteln zur Geschichte folgt ein weiteres, das sich mit den kulturellen Besonderheiten Kataloniens beschäftigt - Literatur, Musik, Theater, Malerei, Küche, Architektur etc. - und deren Entwicklung nachzeichnet. Ein kompakter und spannend zu lesender Überblick über die politischen und kulturellen Besonderheiten einer bekannten und doch unbekannten Region.

Katalanisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte

Die katalanische Küche ist eine der reichsten und vielfältigsten der Iberischen Halbinsel. "Die Landschaft hat einen unmittelbaren kulinarischen Bezug", meinte der katalanische Schriftsteller Josep Pla. Die Verschiedenheit der Landschaftsformen - von den hochalpinen Pyrenäen, über das von der Viehzucht geprägte Binnenland, hin zur Mittelmeerküste - kommt der Kochkunst der Autonomen Region zugute. Grundlage sind marktfrische Produkte, die auf unkonventionelle und kontrastreiche Weise gemischt werden. Berühmtheit erlangte die katalanische Küche für ihre "Mar i Muntanya" (Meer und Gebirge) Gerichte. Hier wird Huhn mit Garnelen (pollastre amb gambes) serviert oder Fleischklöße mit Tintenfisch (sèpia amb mandonguilles). Das Buch präsentiert 125 Rezepte der traditionellen katalanischen Küche, neben den Vorspeisen und Hauptgerichten auch viele köstliche Nachspeisen und Backwaren.

Torsten Eßer
Katalanisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte
Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2007
S. 184, 16,90 Euro

Der informativ verfasste geschichtliche und landeskundliche Teil mit einem langen Kapitel zu den kulinarischen Grundlagen der Region macht neugierig darauf, die vielen Rezepte auszuprobieren (vielleicht sogar vor Ort). Dank des übersichtlich und praktisch gestalteten Buches ist die Zubereitung zuhause kein Problem. Empfehlenswert.

Text: Gunda Wienke
Fotos: amazon

[druckversion ed 02/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: erlesen]





[kol_3] Grenzfall: Der starke Bolívar
Währungsreform in Venezuela zum 1. Januar 2008

Wie viel ist das?
50!
Ja. Aber wie viel ist das?

Obwohl wir erst den 10. Januar schreiben und die Währungsumstellung gerade einmal vor anderthalb Wochen in Kraft getreten ist, erwischt mich die Frage kalt. Dann dämmert es: 50.000!
Aha! Nimm. Der Taxifahrer drückt mir einen 20.000er Schein in die Hand, hält sich damit an den vereinbarten Preis und fährt ohne weitere Diskussion davon.

Ansonsten wurden die neuen Geldscheine – man kann sie designtechnisch durchaus als gelungen bezeichnen –, problemlos in den täglichen Handel integriert. Nur bei Bankgeschäften, vor allem bei Einlösung eines Schecks, ist Vorsicht geboten und Nachzählen angeraten, da der Umgang mit den Nullen von einigen Schaltermitarbeitern etwas lax gehandhabt wird. So klopften die beteiligten Fachkräfte nach der abendlichen Abrechnung dann und wann an die Tür der Klienten, um verlustiert gegangene Nullen wieder heimzuholen.

Wirft man nun einen Blick auf die eigentliche Währungsreform, so wird man schnell gewahr, dass ihr einziger Sinn darin besteht, der seit 2005 festgesetzten Währung drei Nullen (000) zu nehmen. Statt 2150 Bolivares (Bs.) für einen US-$ erhält man nun 2,15 Bs. Fuertes. Bei einer Inflation, die mit 20 Prozent pro Jahr angegeben wird und in Bereichen des täglichen Verköstigungsbedarfs weit höher liegt, hätte es eventuell zusätzlicher Maßnahmen bedurft. Etwa eine Freisetzung des Bolivar Fuerte oder eine Bindung an – wenn schon nicht den Euro – vielleicht den chinesischen Renminbi oder den kubanischen Peso convertible (den für die Touris).



So wird der Schwarzmarkt, das wilde Wechseln ausländischer Währungen zu Kursen, die mitunter über dem Doppelten des Schalterkurses liegen, weiter blühen. Das Tauschen außerhalb des staatlich kontrollierten Sektors ist selbstverständlich verboten. Trotzdem wird man die paar Meter zum Taxi nach der Ankunft am Flughafen kaum zurücklegen können, ohne mehrere Angebote von fliegenden Wechslern zu erhalten. Ob ein illegales Wechseln bereits zu diesem Zeitpunkt Sinn macht, soll für einen kurzen Moment hinten angestellt werden.

Venezuela ist kein typisches Backpacker-Land. Der Tourismus konzentriert sich auf bestimmte Gebiete und ist außerhalb dieser bisweilen gefährlich. Ein romantisch argloses in den Bus steigen, ohne sich über das Ziel informiert zu haben, birgt selten positive Überraschungen. Trotzdem kann Venezuela problemlos auf eigene Faust bereist werden. Dies sollte aber mit ein paar Vorabinformationen eingeleitet werden. Abgesehen von den klassischen rucksacktouristenfeindlichen, geführten Touren – für Venezuelaurlauber aber unabdingbar – kann beispielsweise bei Betreibern von Unterkünften oder Anbietern von Touren das Wechselkursgebaren erfragt werden.

Der Wechselkurs auf dem Mercado Negro unterliegt eigenen Gesetzen. Ein Steigen und Fallen ist für den Reisenden meist nicht nachvollziehbar. Einfach gesagt, bestimmt die Nachfrage den Preis. In den nationalen Ferienzeiten haben potentielle Käufer von Devisen möglicherweise ihre reichlich Gewinn abwerfenden Einzelhandelgewerbe für ein bis vier Wochen geschlossen. In dieser Zeit kommen keine Bs. in die Kasse, mit denen man Dollar ankaufen könnte. Der Preis kann also in solchen Zeiten rapide fallen.

Lokale Vielwechsler sind von solchen Schwankungen wesentlich mehr betroffen als Seltenwechsler. So kann es passieren, dass mancherorts ein wesentlich höherer Kurs angeboten wird, weil der Wechsler den Abfall des Kurses noch gar nicht mitgeschnitten hat. Abgesehen von politischen Entscheidungen oder verbalen Attacken oder gar bevorstehenden Wahlen oder Referenden soll das Beispiel die Bandbreite des schwarzen Wechsleralltags exemplarisch verdeutlichen.

Zurück zum Flughafen. Finger weg von der fliegenden Wechslerei, da heißes Pflaster! Ja, es gab schon Überfälle und es gibt reihenweise Betrug. Wobei Betrug das kleinere Übel ist. Wie überall auf der Welt zählen die Wechsler schneller und versteckter und verzählen sich nie zu ihren Ungunsten. Und sie sind schneller weg, als dass man den Betrug nachzählen könnte. Aber selbst wenn der Deal korrekt ablaufen sollte, der Kurs wird zu wünschen übrig lassen.

Abschließend daher einen Hinweis vor allem für US-amerikanischen Reisenden, denn das dämlichste Beispiel eines schwarzwechselnden Touristen kommt aus dem nordamerikanischen Raum, aus einer Gegend, in der für jeden händlerischen Transfer der Geschäftsführer herbeizitiert wird – zumindest aber ein Manager, wobei dieser Begriff inflationärere Züge in den USA angenommen hat, als die Teuerungsrate in Venezuela darstellt. In einer Zeit also, als der Schwarzmarktkurs das Doppelte des offiziellen Kurses (also 2 x 2150 Bs.) überschritten hatte, bot der Fliegende der Frischgelandeten 2000 Bs. für einen Dollar an. Diese akzeptierte nicht nur, sondern befand den Kurs so attraktiv, dass sie ihre gesamten US-Dollar auf einen Schlag eintauschte. Möge uns wer auch immer vor der Dummheit der Bush-Wähler auf ewig bewahren.

Text + Fotos: Anna Conda

[druckversion ed 02/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: venezuela]





[kol_4] Lauschrausch: Musik aus dem Grenzland

Die Extremadura gilt als arm, trocken und langweilig. Wer sie aber näher betrachtet, findet beeindruckende Landschaften, beglückende Spezialitäten und eine interessante Kultur, die zwischen Spanien und Portugal angesiedelt ist. Aus diesem Spannungsfeld bezieht auch Acetre ihre Energie. Die 1976 gegründete Gruppe erneuerte die traditionelle Musik ihrer Region, indem sie Elemente beider Musikkulturen - fados, tonadas, corridiños, perantones etc. - kombinierte und teils mit modernen Arrangements und Instrumenten versah. Nicht zu vernachlässigen ist der arabische Einfluss, der die dortige Kultur Jahrhunderte geprägt hat.

Acetre
Dehesario
Nufolk/galileo mc

Ihr Heimatort Olivenza ist ein Paradebeispiel für eine bikulturelle Stadt. Und so ist auch die Musik auf "Dehesario" geprägt von arabischen Chören, Akkordeonklängen, portugiesischen und spanischen Gitarren, afrikanischen Instrumenten (djembé, darburka) und Percussion. Gesungen werden Weisen über die Liebe und andere volksnahe Themen auf Spanisch und Portugiesisch. Die Stimmung reicht von fröhlichen "Trinkliedern" ("Taberna") und poppigen Titeln ("Mãe bruxa") bis zu Stücken wie "Amores corridiños" oder "Rama de alecrim", die unter die Haut gehen.

Entspannter (Latin) Reggae

Was kommt heraus, wenn man die Musik und Musiker aus Lateinamerika und der Karibik zusammenführt? Latin Reggae! Auf der gleichnamigen Compilation aus dem Hause Putumayo finden sich nun elf Beispiele für diese Paarung. Bands aus Barcelonas Mestizo-Szene wie Muchachito Bombo Infierno, Go Lem System oder Macaco präsentieren ihre partytauglichen Hits; ein Stilmix aus allem, wobei hier naturgemäß die langsamen Offbeats dominieren. Los Cafres aus Buenos Aires und Gondwana aus Chile spielen klassischen Reggae und behandeln lokale Themen, Cultura Profética aus Puerto Rico sind die einzigen, die hier ihren Reggae hörbar mit Salsa- und anderen Latin-Rhythmen kombinieren.

V.A.
Latin Reggae
Putumayo/ exil

Dem Booklet ist zu entnehmen, dass das normalerweise auch einige der anderen Bands machen, bei der Zusammenstellung dieser Scheibe darauf jedoch nicht so geachtet wurde. Trotzdem eine entspannte und schöne Compilation.

Text: Torsten Eßer
Fotos: amazon

[druckversion ed 02/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: lauschrausch]





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