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[art_3] Brasilien: Dom João VI endlich in Rio!

Teil 3 unserer Trilogie über die Überfahrt des portugiesischen Königshauses nach Brasilien.
(Teil 1 / (Teil 2)

Zwei Wochen nach Verlassen Salvador da Bahias erreicht die königliche Flotte schließlich ihren Bestimmungshafen: Rio de Janeiro. Mit etwa 60.000 Einwohnern war Rio damals der wichtigste Hafen der südlichen Halbkugel. Hier ankerten die portugiesischen Handelsschiffe auf ihrer Route zwischen Europa und Asien. Und hier wurden sowohl das aus Minas Gerais stammende Gold als auch Edelsteine verladen, deren Bestimmungsort Lissabon war. In jener Zeit fungierte Rio de Janeiro bereits als der wichtigste Knotenpunkt des portugiesischen Handelsimperiums.



Am 7. März 1808 lief die königliche Flotte in die Guanabarabucht ein. Aber erst gegen 16 Uhr des folgenden Tages verließ die königliche Familie die Schiffe, um an Land zu gehen. Nie zuvor hatte ein europäischer König den Boden auf dieser Seite des Atlantiks betreten. Die Bevölkerung Rios, die das noble Spektakel neugierig beobachtete, stellte konsterniert fest, dass es sich bei Dom João VI um einen kleinen dicken Mann handelte. Zudem trugen die Frauen des Hofes Turbane, auf hoher See waren sie Opfer eines gemeinen Läuseangriffs geworden. – Amüsant ist, dass schon bald nach ihrer Ankunft in Rio Turbane der letzte Modeschrei in der Kolonie werden sollten.

Der portugiesische Hof quartierte sich in den luxuriösesten Häusern und Palästen der Stadt ein. Bis zur Rückkehr nach Lissabon im Jahre 1821 sollten die wenigsten von ihnen jemals ihre Miete bezahlt haben. Zum Ausgleich erhob Dom João eine Vielzahl normaler Bürger in den Adelsstand. In den wenigen Jahren, in denen der Hof in Rio verweilte, wurden mehr Adelige ernannt als in den 300 Jahren zuvor in Portugal.



Da sich der Hof stets am finanziellen Abgrund befand, mussten neue Einkommensquellen erschlossen werden. Das erste Darlehen der brasilianischen Geschichte kam aus England und Dom João beeilte sich, die Banco do Brasil ins Leben zu rufen. Bereits 1820 musste diese allerdings ihre Tore wieder schließen. Die korrupten Beamten des Hofes lebten derweil von Schmiergeldern und illegalen Geschäften – bis heute gibt es viele Brasilianer, die die damaligen Sitten für den Beginn des brasilianischen Übels der Korruption und der schwarzen Kassen ansehen.

Mit der Öffnung der brasilianischen Häfen – per königlichem Dekret bereits kurz nach der Ankunft in Salvador erlassen – begannen nun die englischen Händler den brasilianischen Markt mit ihren günstigen Gütern von hoher Qualität zu überschwemmen. Selbst nach Napoleons Niederlage Jahre später und der noch späteren Rückkehr des Dom Joãos nach Lissabon sollte sich Portugals Wirtschaft von diesem Schlag nicht wieder erholen.

Der Aufenthalt des Hofes sorgte jedoch dafür, dass die Welt zum ersten Mal auf Brasilien aufmerksam wurde. Dom João lud einen illustren Kreis wichtiger europäischer Wissenschaftler und Künstler nach Brasilien ein.



Unter ihnen die beiden bayrischen Botaniker Karl Friedrich Philipp von Martius und Johann Baptist von Spix, die mehr als 10.000 Kilometer kreuz und quer durch Brasilien absolvierten. Zurück in Deutschland veröffentlichten die beiden ihr Mammutwerk über Brasiliens Fauna und Flora – bis heute eine wissenschaftliche Referenz. Und auch den beiden Malern Jean Baptiste Debret und Johann Moritz Rugendas verdanken wir unschätzbar wertvolle Zeugnisse über das Brasilien zu Anfang des 19. Jahrhunderts.

Während der Aufenthalt des Hofes für Brasilien und besonders für Rio de Janeiro viele wichtige Verbesserungen mit sich brachte, darbte Portugals Bevölkerung in ihrem vom eigenen König verlassenen Land vor sich hin. Immer lauter wurde der Ruf nach einer Rückkehr des Hofes nach Lissabon. Napoleon und die französische Bedrohung waren schon lange von der Bildfläche verschwunden und es gab eigentlich keine triftigen Gründe mehr, auf der anderen Seite des Atlantiks zu verweilen. So bestieg Dom João am 25. April 1821 mitsamt seinem Hofstaat die Schiffe der königlichen Flotte und segelte zurück in die ferne Heimat. Angeblich soll D. Carlota Joaquina, die Frau des Königs, vor dem Betreten des Schiffes ihre Schuhe aneinander geschlagen und gesagt haben: "Nicht einmal den Dreck an den Schuhen will ich aus diesem verdammten Brasilien als Erinnerung mitnehmen."



Zurück blieb Prinz D. Pedro I, laut zeitgenössischen Berichten die einzige Person der Königsfamilie, die nicht hässlich war. Er war einer von denen, die nicht nach Portugal zurückkehren mochten und die man deshalb "Ficos" (die Dagebliebenen) nannte. Und er war es auch, der am Nachmittag des 7. September 1822 einen Brief der portugiesischen Cortes erhielt, in dem man ihn aufforderte, unverzüglich nach Lissabon zurückzukehren und ihm zudem das Recht absprach, in Brasilien eigenständig Minister zu ernennen. Spontan riss er sich das portugiesische Abzeichen von der Uniform und erklärte: "Ich werde aus Brasilien ein freies Land machen – Unabhängigkeit oder Tod!"

Brasilien als unabhängige Nation war geboren.

Text + Fotos : Thomas Milz

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