ed 06/2014 : caiman.de

kultur- und reisemagazin für lateinamerika, spanien, portugal : [aktuelle ausgabe] / [startseite] / [archiv]


spanien: Auf dem Jakobsweg mit Don Carmelo und Cayetana
Neunzehnte Etappe: Marathon auf der Römerstraße durch das große Nichts
BERTHOLD VOLBERG
[art. 1] druckversion:

[gesamte ausgabe]


brasilien: Projektionsraum unserer Sehnsüchte und Albträume
Ein Interview mit dem Journalisten Jens Glüsing
THOMAS MILZ
[art. 2]
argentinien: Zwischen Größenwahn und Melancholie
Ein Sommertag in Buenos Aires
ANDREAS DAUERER / FRANK SIPPACH
[art. 3]
macht laune: Kleben bis das Album voll ist!
Panini-WM 2014 – Zwischenrunde: die nächsten 50 Tüten
THOMAS MILZ
[kol. 1]
erlesen: Bücher zu Brasilien – Mehr als eine Einführung
TORSTEN EßER
[kol. 2]
traubiges: Zeit für einen Gaucho
Gimenez Mendez Alta Reserva 2010 Tannat
LARS BORCHERT
[kol. 3]
lauschrausch: Marialy Pacheco - Introducing
TORSTEN EßER
[kol. 4]
erlesen: Taucht der demente Alte wieder auf?
Schwarze Küsse von Joaquín Guerrero Casasola
DIRK KLAIBER
[kol. 5]

[art_1] Spanien: Auf dem Jakobsweg mit Don Carmelo und Cayetana
Etappen [19] [18] [17] [16] [15] [14] [13] [12] [11] [10] [9] [8] [7] [6] [5] [4] [3] [2] [1]
Neunzehnte Etappe: Marathon auf der Römerstraße durch das große Nichts
 
Am 16. Juni 2013 um 6 Uhr verlassen wir die Herberge der Dreifaltigkeit und suchen während der Morgendämmerung in den Gassen von Sahagún den Weg nach Westen. Heute ist der frühe Aufbruch besonders heroisch, denn ich habe aufgrund der nächtlichen Trompetenattacke der städtischen Blasmusik zum Volksfest höchstens zwei Stunden geschlafen und Cayetana, die sich heimlich hinaus in die lärmende Dunkelheit geschlichen hatte, hat wahrscheinlich gar kein Auge zugetan.

Um dem großen Donnerwetter vorzubeugen, wirkt sie jetzt wenigstens sehr diszipliniert, sattelt ohne Murren ihren Rucksack und protestiert auch nicht, als es kein Frühstück gibt.

[zoom]

Die Gassen des kastilischen Kleinstädtchens sind noch immer voller junger Menschen in unterschiedlichen Betrunkenheitsstadien, die unter zünftigem Gegröle in den Buden und Kneipen ihr Katerfrühstück nach durchzechter Nacht einnehmen (meist Tortilla oder Ziegenschinken). Die ganz Mutigen frühstücken sogar "Churros con Chocolate" (heißes Spritzgebäck mit dickflüssigem Kakao) – ob sie diese Kombination nach einem Dutzend Gin-Tonic oder was auch immer bei sich behalten, wäre eine lokale Medizinstudie wert gewesen. Immer wieder auf unserem Spießrutenlauf Richtung Pilgerbrücke brüllen uns von fröhlichem Alkoholkonsum gezeichnete Jugendliche lallend ein "Buen Camino!" entgegen oder hinterher. Wir entschließen uns gnädig, dabei allein den guten Willen und weniger die mangelhafte Form zu würdigen.

Endlich können wir die Brücke über den Río Cea Richtung Santiago überqueren. Ausgerechnet heute, nach einer schlaflosen Nacht, erwartet uns das, was ich Cayetana als "ultimativen Härtetest" angekündigt hatte: der endlose Marsch durch die Einsamkeit über einen Abschnitt der alten Römerstraße Richtung León. Da ahnte ich noch nicht, dass dieser Härtetest nur zwei Tage später noch dramatisch übertroffen werden sollte.

[zoom]
[zoom]

Aber der Tag beginnt gut - bei Sonnenaufgang wandern wir zunächst über einen schönen Pfad unter üppig blühenden Bäumen hindurch bis Calzada de Coto. Zunächst ist die Landschaft noch nicht so eintönig wie befürchtet. Ein paar vereinzelte, mächtige Steineichen und Futter suchende Störche lockern die Monotonie der kastilischen Steppe hier auf. Cayetana wirkt am Anfang noch entspannt, sogar fröhlich, und fotografiert alle Arten exotischer Wiesenblumen am Wegesrand, als wollte sie Botanikerin werden.

Gegen 10 Uhr erreichen wir das 150-Einwohner-Dorf Calzadilla de los Hermanillos, das unerwartet plötzlich an diesem Sonntagmorgen aus der endlosen Weite der Ebene auftaucht. "Dieses Kaff hat ja noch nicht mal ne Kirche", bemerkt Cayetana, während wir das einzige Sträßchen entlang gehen."Aber wenigstens eine Kneipe", deute ich auf das stattliche Hotel-Restaurant "Casa el Cura". Hier erfahren wir, dass es immerhin eine winzige Kapelle im Dorf gibt, die der Jungfrau der Schmerzen gewidmet ist (allerdings geschlossen). Auf der schönen Terrasse des für dieses winzige Dorf überdimensionierten Landgasthofs erwarten uns ein sehr freundlicher Kellner und ein Trio alter Damen, die uns neugierig betrachten. Wir bestellen Bocadillos mit zünftigem Ziegenschinken (Cayetana begnügt sich mit Käse, denn angeblich ist sie ja seit ein paar Wochen Vegetarierin). Das Damen-Trio besteht aus Rentnerinnen aus Barcelona, die erschreckend fit sind: beiläufig erwähnen sie, dass sie gestern 35 Kilometer geschafft haben. Der Kellner flirtet mit ihnen – oder sie mit ihm, das wird nicht ganz klar. Sie fragen ihn scherzhaft, ob er nicht schon mal ihre Rucksäcke im Wagen bis León transportieren könnte. Aber angesichts des unerwartet hohen Preises für diesen Transport beschließen sie, ihr Gepäck lieber selbst weiter zu schleppen.

[zoom]
[zoom]

Als wir das Dorf auf der Römerstraße Richtung León verlassen, begegnen wir einer alten Frau ganz in Schwarz, die gestützt auf ihren Stock mitten auf dem Weg steht und mit in Gedanken verlorenem Blick nach Westen schaut. Vielleicht starrt sie auf die schneebedeckten (!) Gipfel der Montes de León, die in der Ferne wie eine Fata Morgana über der Steppe schweben. Wir folgen dem Schild, das die Pilger mit der stolzen Aufschrift "Calzada Romana" mitten ins Nichts führt. "Das sieht ja hier aus wie in Kasachstan!", meint Cayetana nach einem Rundumblick in die gnadenlose Weite der Landschaft. Cayetana war noch nie in Kasachstan, aber hörte immer neugierig zu, wenn ich von meinen Eindrücken von dort berichtete. Seitdem findet sie es schick, ständig irgendwas mit Kasachstan zu vergleichen, weil sie weiß, dass ihre Freundinnen in Cádiz da nicht mitreden können.

[zoom]
[zoom]

Wir hatten während der letzten Tage ja schon viele Etappen durch die monotone Hochebene Kastiliens absolviert, aber das hier übertrifft alles. Das große Nichts. Leere soweit die Blicke reichen (und das ist ziemlich weit!). Stille. Das einzige, was man hört, ist der Wind, der fast niemals schweigt. Fast drei Stunden sind wir nun seit der Frühstückspause unterwegs und die Landschaft sieht immer noch gleich aus. Plötzlich lässt sich Cayetana am Wegesrand fallen, blickt trotzig zu mir hoch und dann zum Horizont und brüllt: "Wir kommen überhaupt nie an! Seit Stunden sieht hier alles total gleich aus. Wenn der Weg nicht so gerade wäre, würde ich sagen, wir sind im Kreis gegangen." In der Tat ist dies vielleicht die "leerste" Strecke des ganzen Camino: auf den 20 Kilometern zwischen Calzadilla und Reliegos, die einem wie 200 vorkommen, gibt es soweit das Auge reicht, nicht ein einziges Haus und auch keine anderen Spuren menschlicher Zivilisation zu entdecken. Da kann man schon mal in ein Motivationsloch fallen.

[zoom]
[zoom]

[zoom]
[zoom]

[zoom]
[zoom]

Zum Glück dauert Cayetanas Sitzstreik diesmal nur fünf Minuten. Und als wir schon glauben, in einer Zeitschleife auf einer windumtosten Wiese im Nirgendwo gefangen zu sein, taucht unser Ziel in einem Tal auf: Reliegos, ein Dörfchen mit 30 Häusern. Kurz vorher eine Abzweigung. Hier könnte man der Römerstraße noch bis zum nächsten Dorf folgen, das wären aber weitere sieben Kilometer. "Na, wie wärs, noch ein Stückchen?", frage ich meine Begleiterin und zeige nach Westen. Cayetana stemmt die Hände in die Hüfte und holt ganz tief Luft – "Ist ja schon gut", umarme ich sie lachend, bevor sie einen Schrei der Empörung von sich geben kann, "wir bleiben natürlich hier,  für heute reicht es wirklich…"

[zoom]
[zoom]

In der Pilgerherberge von Reliegos treffen wir im Innenhof auf eine sonntägliche Skatrunde der Senioren des Dörfchens: ein Dutzend mumienhafter Greise, die zu erstaunlich lauter Musik ihre Karten neben einen Kreis von Cognac-Gläsern auf den Tisch knallen. In solchen Dörfern sind viele der Herbergen nicht nur für die Pilger da, sondern auch soziale Treffpunkte für die Einwohner, die hier im Austausch mit sich und der Welt gegen ihre Langeweile ankämpfen. Cayetana übernimmt das auf ihre Art. Nach dem Duschen stolziert sie in ihrem Bikini betont langsam diagonal durch den Patio, so dass jemand in der Skat-Runde vor Aufregung einen Domino-Effekt auslöst: fast alle Cognac-Gläser gegen mit lautem Klirren zu Bruch. Na, das kann ja noch heiter werden.

Text und Fotos: Berthold Volberg

Tipps und Links: Etappe von Sahagún über die Calzada Romana nach Reliegos: 32 Kilometer
www.redalberguessantiago.com
www.turismocastillayleon.com

Unterkunft und Verpflegung:
Unterkunft in Calzadilla de los Hermanillos: Private Herberge (eher Hotel) "Casa el Cura", Carretera Nr. 13, Tel. 979-337647 oder 619-137764: gediegenes Landhotel, bietet in dieser Einöde schon fast bizarren Luxus. 2-, 3- und 4-Bett-Zimmer, alle mit Bad, keine Küche, nur Verpflegung im gleichnamigen Restaurant. Übernachtungspreise siehe: www.lacasaelcura.com

Unterkunft in Reliegos: Private Pilgerherberge "La Parada", Calle Escuela Nr. 7,  Tel. 987-317880; alles sehr neu und sauber, kleine Zimmer mit je drei Hochbetten (Übernachtung 7 Euro), Waschmaschine und Trockner, Bar und Restaurant mit Terrasse im Innenhof, kleiner Laden: www.alberguelaparada.com

Verpflegung in Calzadilla de los Hermanillos: Bar/Restaurant "Casa el Cura" (s.o.), begrenzte Auswahl, aber gut und günstig. Vor dem Marathon über die Römerstraße sollte man hier in jedem Fall einkehren und sich stärken und mit Getränken eindecken.

Verpflegung in Reliegos:  Restaurant der Pilgerherberge "La Parada (s.o.)": Pilgermenü (3 Gänge inkl. Wein) 10-12 Euro.

Kirchen:
Nur eine Kapelle an der Dorfstraße von Calzadilla de los Hermanillos (Ermita Virgen de los Dolores, geschlossen), ansonsten: nichts! Hier ist der Tempel die Natur und die Einsamkeit der Steppe!

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: spanien]






[art_2] Brasilien: "Projektionsraum unserer Sehnsüchte und Albträume"
Ein Interview mit dem Journalisten Jens Glüsing (Der Spiegel) über sein neues Buch "Brasilien – ein Länderporträt"

Frage: Ihr Buch mixt Anekdoten mit Analysen – wieso haben Sie sich nicht auf die Anekdoten beschränkt, so wie es viele Ihrer Kollegen mit ihren Brasilienbüchern gemacht haben?
Glüsing: Ich bin nun mal studierter Politikwissenschaftler und sehe Brasilien oft mit analytischen Augen. Man kann Brasilien nicht verstehen ohne in die Geschichte zurück zu gehen und ohne das politische System zu begreifen.

Und man muss die Bedeutung der Sklaverei für Brasiliens Geschichte erkennen – die ja die Gewalt erklärt. Man muss in Brasilien weit in die Geschichte zurückgehen, um die derzeitigen Probleme zu verstehen. Letztlich wie bei jedem Land.

Und Anekdoten sind auch vertreten, aber es gibt nun mal viele Bücher voll Anekdoten. Ich wollte da was Tiefgründigeres machen als ein reines Erlebnisbuch.



Frage: Sie gehen auch auf die Proteste ein – sind die schon Vergangenheit oder kommt da noch mal was?
Glüsing: Das ist die 1-Million-Dollar-Frage. Keiner weiß was während der WM geschehen wird. Besonders die brasilianische Mittelschicht hat ein großes Unbehagen gegenüber der politischen Klasse und dem politischen System ausgedrückt. Die Menschen fühlen sich weder durch die Politiker noch durch das politische System repräsentiert – was im Grunde sehr gefährlich ist, denn formell haben wir in Brasilien eine Demokratie.

Das Problem ist dass die Politiker die Demokratie pervertiert haben, und zwar zu ihren Gunsten. Und die Menschen sehe keine institutionellen Wege um dieses Problem lösen zu können, wie sie mit dem täglichen Betrug durch die Politiker umgehen sollen. Da hat sich sehr viel aufgestaut, und viele von uns haben das nicht gespürt, haben nicht damit gerechnet. Und durch den übertriebenen Polizeieinsatz in São Paulo wurde dann diese Explosion ausgelöst, nach dem die Leute zum ersten Mal gesagt haben: jetzt ist das Fass voll.

Aber ob sich das während der WM wiederholt ist schwierig zu sagen. Zumal die Weltmeisterschaft ja nicht der eigentliche Hauptgrund der Demos war. Es ging um bessere Krankenhäuser, ein besseres Bildungssystem und ein Ende der Privilegien der politischen Klasse.

Frage: Wir Europäer projizieren stets unsere Sehnsüchte auf Brasilien – lassen wir uns da gerne täuschen?
Glüsing: Brasilien war immer ein Projektionsraum unserer eigenen Sehnsüchte. Das beginnt mit Stefan Zweigs Buch vom "Land der Zukunft". Aber es war auch immer der Raum für unsere Albträume, von Gewalt, Armut und Elend. Darüber habe ich in den 90er Jahren stets geschrieben.

Selten haben wir in Europa einen ausgewogenen Blick auf das Land gehabt. Das liegt daran dass es ein Einwandererland ist, nicht wie China – was uns fern und fremd ist. Bei China haben wir nicht viel Herzblut...

Aber bei Brasilien kommen sofort die Bilder der schönen Frauen, der tolle Strand und die netten Leute. Und der Fußball. Und auf der anderen Seite die Straßenkinder, Gewalt und die Amazonasabholzung. Und zwischen diesen Extremen schwanken wir stets in unserer Wahrnehmung.

Frage: Unterschätzt man diesen schlafenden Riesen?
Glüsing: Wir unter- und überschätzen ihn zugleich. Wir überschätzen ihn wenn wir glauben dass Brasilien die Supermacht des 21. Jahrhunderts sein wird, gleichberechtigt neben China und Indien. Das ist Brasilien nicht, Brasilien ist eher ein Tanker der langsam seine Bahnen zieht. Das Wachstum ist weitaus geringer als in den Tigerstaaten Asiens, bildungsmäßig hinkt Brasilien ganz weit zurück – da sind die asiatischen Staaten ganz weit vorne.

Aber der Tanker zieht seine Bahnen. Und was seine riesigen Dimensionen angeht – da unterschätzen wir Brasilien manchmal. Wir leben in einer Welt die gezeichnet ist von Kriegen – das kennt Brasilien nicht. In diesem Sinne ist es als Modell für andere Länder unterschätzt worden. Ich sehe die positiven Seiten Brasiliens: das relativ friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Rassen, die verschiedenen Religionen in ein und demselben Land.

Ob das nun immer Toleranz ist oder nicht einfach Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber lassen wir mal dahin gestellt – aber die Folge ist, dass man sich nicht ständig aus rassistischen oder religiösen Gründen bekriegt. Die Gewalt in Brasilien hat andere Gründe, aber die Brasilianer sind kein kriegerisches Volk.

Frage: Wieso kommt das Buch jetzt – so kurz vor der WM?
Glüsing: ich wollte schon immer ein Brasilienbuch schreiben, dass kein reines Korrespondentenbuch sein sollte. Und da boten sich die Großereignisse an. Der Verlag sagte dass sie ein Brasilienbuch herausgeben wollten, und da ich in dem Verlag vorher schon ein Buch verlegt habe, stimmte ich zu.

Und unter dem Titel "Länderkunde" stand ich nicht im Zwang, eine These formulieren zu müssen. Ich konnte relativ gelassen über das Land schreiben. Und vor allem so zu schreiben, dass es auch nach der WM noch gültig ist.

Interview + Fotos: Thomas Milz
Buchcover: amazon.de

Brasilien: Ein Länderporträt
Jens Glüsing
Broschiert
208 Seiten
Ch. Links Verlag; Auflage: 1., Auflage 2013 (16. Oktober 2013)

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: brasilien]






[art_3] Argentinien: Zwischen Größenwahn und Melancholie
Ein Sommertag in Buenos Aires
 
Sie macht’s dir ja einfach. Du schwebst irgendwann mal draußen am Flughafen Ezeiza ein und obwohl du 8000 Kilometer weit von Deutschland weg bist, umhüllt dich sofort ein unsichtbarer Mantel des Wohlbehagens. Und das Wunderbare daran: Er begleitet dich nicht nur auf dem knapp 40-minütigem Taxiritt zur Innenstadt, sondern im Idealfall auch die ganze Zeit des Aufenthalts.



Woran das liegen mag, lässt sich schnell beantworten, von dem, der schon mal ein paar Metropolen Lateinamerikas gesehen hat und anschließend durch die Innenstadt von Buenos Aires schlendert. Den "klassischen" Latino sucht man hier nämlich vergebens. Frech könnte man sagen, die Spanier haben damals während der Conquista ganze Arbeit geleistet, aber was für Argentiniens Hauptstadt gilt, stimmt im ganzen Land dann nicht mehr so richtig. Zumindest im Norden findet man schon noch eine Handvoll Bewohner mit indigenen Wurzeln.



In Buenos Aires jedoch sieht man sie nicht mehr häufig, was nicht verwundert, hat gefühlt die Hälfte der Porteños doch einen italienischen oder spanischen Pass in der Schublade. Es geht also auch mentalitätsmäßig europäisch zu am Rio de la Plata, jenem Fluss, der an seiner breitesten Stelle 100 Kilometer misst und auf den die Bewohner, ähnlich der breitesten Straße der Welt, so unheimlich stolz sind. Überhaupt wird man in der Stadt ständig mit Superlativen konfrontiert: breiteste Straße, breitester Fluss, bester Fußballer, bestes Fleisch und so weiter und so fort.



Wer jedoch glaubt, derartiger Größenwahn würde die Menschen gänzlich verderben, der irrt gewaltig. Nein, selbst wenn die Porteños sich beim Thema Fußball kurzzeitig miteinander ganz innig verbunden fühlen, so suchen sie doch fortlaufend nach ihrer eigenen Identität und das ergibt diese einzigartige Mischung aus Melancholie und Gleichmut gepaart mit einer Prise Emotionalität, die diese Stadt und ihre Bewohner so ausmacht und ihren Höhepunkt - natürlich - im Tango findet.



Den berühmten Tanz erfährt man überall in der Stadt. Piazolla, Goyeneche, Gallardo - jeder durfte sich musikalisch ein Denkmal setzen. Im Stadtteil San Telmo ist der Tango zu Hause, nicht nur für die vielen Touristen. Unzählige Tanzschulen buhlen um ihre Klientel und wer die Paar Blocks von der Casa Rosada, dem Präsidentinnenpalast, zur Plaza Defensa laufen möchte, sollte das tun. Da rauschen bunte Busse an einem vorbei, die Luft ist schwer und abgasgeschwängert und an den zahlreichen kleinen Bars treffen sich irgendwie alle. Um zu quatschen, Geschäfte zu machen oder einfach nur das Treiben an der Straßenkreuzung zu beobachten.



Irgendwann kommt man am Trödelmarkt vorbei und wenn linker Hand dann noch die berühmte Bar "El gato negro" hinter einem liegt, dann ist man schon an der Plaza Defensa angekommen. Die Freiluft-Milonga wird gerne von Touristen genutzt, aber eigentlich sind die semi-professionellen Tango-Paare, die sich auch für diversen Klamauk nicht zu schade sind, die eigentliche Attraktion. Anmutig schweben sie über den staubigen Boden, aus den Boxen jammert Piazolla mehr schlecht als recht und hingebungsvoll taucht das Publikum ein in eine Szenerie, die es in dieser Form erst gibt, seit die Touristen als regelmäßige Geldquelle aufgetan wurden. Dennoch: Ein Verweilen lohnt sich trotzdem. Denn die Tänzer beherrschen ihr Handwerk, das Ambiente ist entspannt und nicht aufdringlich und wem’s gefällt, der gibt den Künstlern einen kleinen Obolus.



Anschließend sollte man sich eine Pause gönnen. Entweder man besucht eine der Bars im Viertel oder man fährt kurzerhand in Richtung Recoleta mit dem gleichnamigen Park. Quasi beim Grab von Evita kann man dort das wunderbarste Pan Relleno essen. Die Marktstände am Wochenende bieten irgendwie alles unter dem Prädikat "Artesanías" an, Kunsthandwerk also, das eigentlich keines ist, weil irgendwo in China vorproduziert. Ledergürtel dürfte noch das hochwertigste sein, was man dort bekommt. Oder gehäkelte Mützen, wer sie denn im Sommer brauchen sollte. Wobei, der nächste Winter kommt bestimmt.



Ich komme aber stets nur wegen des Pan Relleno hierher. Tomate, Basilikum, Käse lassen sich im warmen Brot vortrefflich verzehren und wer wirklich viel Zeit hat, der sollte einen Rotwein im Gepäck haben und anschließend auf der riesigen Wiese unter einem der Bäume ein Nickerchen machen und dabei entweder den vielen Kleinkünstlern beim Jonglieren und Turnen zugucken oder den Musikern bei ihren Vorführungen lauschen. Recht viel mehr braucht man eigentlich nicht für einen faulen Sommertag in Buenos Aires.

Text: Andreas Dauerer
Fotos: Frank Sippach

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: argentinien]





[kol_1] Macht Laune: Kleben bis das Album voll ist!
Panini-WM 2014 – Zwischenrunde: die nächsten 50 Tüten

Willkommen zur diesjährigen Panini-WM! Sie wird in drei Runden zu jeweils 50 Tüten à 5 Klebebilder ausgespielt.

Die zweite Runde wird übrigens in Rio de Janeiro direkt unterm Zuckerhut ausgetragen. Und los geht’s, Anpfiff!



Tüte 1 Es geht ziemlich lahm los, mal wieder ein Koreaner, aber immerhin ist Altstar Daniele de Rossi mit dabei.

Tüte 2 und 3 geht gar nicht, nur Holländer, Kolumbianer und Japaner.

Tüte 4 mit Landon Donovan, obwohl Klinsi den ja daheim gelassen hat. Was soll ich mit dem Sticker machen? Zudem das spanische Wappen – das macht mir keine Angst mehr.

Tüte 5 bringt die rechte Seite des Stadions in Natal. Der erste Stadion-Sticker überhaupt! Sonst nur Afrikaner und ein Koreaner, derselbe wie in Tüte 1. Mann, Mann, Mann!

Tüte 6 bringt die rechte Seite des Stadions in Manaus – die Stadien scheinen zur Zwischenrunde wenigstens zur Hälfte bespielbar. Aber die meisten Teams sind ja eh nur halb besetzt, also egal.

Tüte 7 enthält Draxler, endlich wieder mal ein Deutscher! Dazu den Brasilianer Hernanes – die Runde geht an die Deutschen.

Die rechte Hälfte des Stadions in Fortaleza guckt aus Tüte 8 raus – ja haben die denn bisher nur die rechten Hälften der Stadien fertig? Zudem Agüero – der Argentinier ist jetzt doppelt.

Tüte 9 wieder Donovan – siehe oben! Und Andrea Pirlo – mit 35 einer der Senioren.

Tüte 10 – nix.

Tüte 11 Thiago Silva, Brasiliens Kapitän. Mit den Gastgebern muss man rechnen.

Tüte 12 enthält den WM-Pokal – dachte der kommt erst zur Finalrunde. Und Rafael van der Vaart – so nah wird er dem Pokal nie wieder kommen, glaubt es mir!

Tüte 13 mit dem Stadion von Porto Alegre – natürlich nur die rechte Seite (siehe oben).

Tüte 14 – nix.

Tüte 15 ein Türke. Sind die überhaupt qualifiziert? Da muss ein Fehler passiert sein. NEIN, es ist Özil! Mann, Deutschlands Traum-Mittelfeld nimmt Formen an.

Tüte 16 wird aufgerissen – und nix passiert. Bisher ist die Zwischenrunde ehrlich gesagt eine Enttäuschung.

Dani Alves steckt in Tüte 17. Na ja.

Mertesacker kommt in Tüte 18, den hatten wir aber schon. Van der Vaart auch schon wieder, die Tüte ist komplett doppelt – gefühlt zumindest. Und wieder die rechte Hälfte von Porto Alegre – statt die fertigen Hälften doppelt zu machen, sollten sie lieber die linken Hälften in Angriff nehmen.

In Tüte 20 direkt zwei rechte Stadionhälften, Recife und Salvador. Da muss Deutschland spielen, also aufgepasst bei der Seitenwahl, Herr Lahm!

21 und 22 sind ne totale Nullnummer, Tüte 23 hat immerhin den Noch-Bayern Mandzukic. Tüte 24 mit dem Argentinier Angel di Maria – der ist derzeit gut drauf.

Und die letzte Tüte vor der Halbzeit: Belgiens Vincent Kompany! Und Robin van Persie direkt hinterher. Wow, das war doch mal ein echter Schlussspurt!

Halbzeitfazit: Die Stadien kommen langsam, aber unaufhaltsam. Wurde ja auch Zeit, die Vorrunde hatte schon ziemlich darunter gelitten, dass noch keines der Stadien fertig war. Jetzt immerhin schon einige Hälften, meist die rechten. Özil ist endlich da! Mertesacker auch noch mal, den müssen wir tauschen.

Ansonsten eine doch recht schwache Halbzeit. Spanien hat gar nix gebracht, und Uruguay ist immer noch bei NULL! Brasilien nicht überragend, aber hält sein Niveau. Mal sehn, was Halbzeit 2 bringt. Und los geht’s. Viel Spaß!

Tüte 26 mit Luka Modric von Real Madrid und Kroatien. Die müssen direkt ins Eröffnungsspiel gegen Brasilien, die sich warm anziehen sollten. Und die linke Seite des Castelão-Stadions von Fortaleza – und damit als erstes fertig. Respekt!


Ja, ja, ja!... ich seh ihn schon durch die Verpackung grinsen! Schweini! Er ist da! Wenn auch erst zur Zwischenrunde, aber er ist fit und dabei, wenn es in die heiße Phase geht. Mit Brasiliens Marcelo zusammen! Starke Tüte!

Jetzt wird es ja schier unglaublich. Was ist hier los? Tüte 28: Marco Reus! Genau vor MESSI! Reus kommt genau vor Messi aus der Tüte! Unglaublich. Und Reus grinst, während Messi eine Schnute zieht. WAHNSINN, was hier gerade abgeht. (Anm. d. Red.: Reus hatten wir in der Vorrunde schon!)

Das kann gerne so weiter gehen. Tut es aber nicht. Tüte 29 bringt wieder die rechte Hälfte vom Stadion in Manaus. Aber immerhin Brasiliens Oscar – es müsste der erste Oscar überhaupt sein, der jemals an Brasilien ging, oder?

Jetzt ist die Luft wieder raus. Mann, entweder sehen die Mexikaner alle gleich aus oder ich hab ne Menge Doppelte bei denen. Auch in Tüte 31 wieder Mexikaner.

Tüte 32 – mit Benzema von Real Madrid. Und nem Mexikaner... Die haben jetzt nen Lauf. Sollen sie ruhig, nach der Zwischenrunde ist ja bekanntlich stets Endstation. Deswegen auch in Tüte 33 einer von denen.

Boateng in 34 – aber der falsche. Prince! Dachte, der sei verletzt und nicht dabei, weil Großkreutz ihm einen Döner ins Gesicht geschmissen hat. Vielleicht ja auch schon wieder ausgeheilt.

Fred, Brasiliens Stoßstürmer, kommt in 35. Den haben wir doch auch schon ein paar Mal gehabt. Oder?

In Tüte 36 endlich die linke Hälfte des Stadions von Porto Alegre. Und ein Kroate, der der Neffe eines Freundes ist. Ich schick dem einfach den Sticker, wird ihn freuen. Denn den Neffen hat er glaub ich schon länger nicht mehr gesehen.

Tüte 37 ---

Tüte 38 ---

Jetzt verflacht die ganze Kiste doch ziemlich. Beweis? Der falsche Boateng kommt in 39 zum zweiten Mal, in schlechter Begleitung (normal): Lampard und Higuaín. Und Brasiliens Hulk.

Und wo sind eigentlich die Bender-Zwillinge? Bei denen müssten doch die Chancen doppelt hoch stehen, nen Sticker zu bekommen.... (Anm. d. Red.: beide Benders sind verletzt und nicht bei der WM dabei).

Gähn. 40 und 41...

Tüte 42: DER Hammer: Die linke Stadion-Hälfte aus Natal (komplett!), dazu RIBÉRY! UND DER RICHTIGE BOATENG. Die beiden sollen ja auch bei Bayern immer zusammen rumhängen, sagt man. Klar, dass die dann auch beide aus derselben Tüte schaun.

Beide Boatengs also dabei, WAHNSINN! Prince natürlich schon zweimal – man hätte sein Ego auch gar nicht auf einen einzigen Sticker bekommen.

Tüte 43 mit Falcao aus Kolumbien – also doch noch fit geworden? Den Khedira gemacht? Respekt!

Tüte 44 gefühlt nur Doppelte. 45 auch.

Tüte 46 ist interessant: Paulinho verstärkt Brasilien (als ob die es nötig hätten!) und Torhüter Courtois – was für eine Saison! Auch Belgien kann es weit bringen mit seinen Paraden.

Kolumbiens Falcao mit einem Doppelschlag in Tüte 47.

Tüte 48 – es passiert nicht mehr viel. Spielen alle auf Halten, ist man rund herum zufrieden? Nein, der Dante fehlte ja noch. Jetzt kommt er aus Tüte 49 gesprungen. Super! (Anm. d. Red.: Dante ist doppelt!)

Und die letzte Tüte ist angerissen. Kommt noch was? Portugal, Ekuador, Korea (klar), Chile und... Argentinien! Genau wie in der ersten Runde macht ein Argentinier den Sack zu. Fernando Gago. Na ja. Das wars!


Fazit: KEIN EINZIGER SPANIER (nur das Wappen doppelt), Messi zählt ja irgendwie nicht als Spanier.

Viele Holländer, fast alle doppelt , Van der Vaart sogar dreifach – obwohl er wegen Wadenproblemen ja nicht mitmachen darf. Alles für die Katz also.

Die Franzosen sind stark – Ribery ist endlich da und grinst! Der freut sich eventuell auch deswegen, weil der Schweini endlich eingegriffen hat, genau wie Özil. Die Boatengs sind auch überall vertreten, mit Vorteilen für Prince, der gleich zweimal aufgetaucht ist.

DER HAMMER: 13 doppelte und dreifache Kolumbianer in einer einzigen Runde! Absoluter Rekord! Richtig stark waren diesmal die Griechen: 11 Volltreffer, bei 5 Doppelten. Keine schlechte Quote!

Aber eins bleibt ein Mysterium: kein einziger Uruguayo! Nach zwei Runden steht die Celeste immer noch bei NULL – ob die Brasilianer alle Sticker der Nachbarn rausgefischt haben, um ein zweites Desaster nach 1950 zu verhindern?

Wir bleiben dran – bis zum 1. Juli – dann kommt die Finalrunde. Hoffentlich mit deutscher Stickerbeteiligung. Und dem Rest der Stadien – das wäre wichtig.

Statistiken nach 100 Tüten (500 Sticker):
129 Doppelte

Ranking Spieler pro Team:
Gruppe A:
Brasilien – 12
Kroatien – 15
Mexiko – 16
Kamerun – 9

Gruppe B:
Spanien – 11
Holland – 11
Chile – 10
Australien – 9

Gruppe C:
Kolumbien – 13
Griechenland – 15
Elfenbeinküste – 12
Japan – 10

Gruppe D:
Uruguay – 0
Costa Rica – 8
England – 8
Italien – 12

Gruppe E:
Schweiz – 6
Ekuador – 11
Frankreich – 14
Honduras – 13

Gruppe F:
Argentinien – 13
Bosnien / Herzegowina – 12
Iran – 9
Nigeria – 6

Gruppe G:
Deutschland – 11
Portugal – 12
Ghana – 13
USA – 2

Gruppe H:
Belgien – 9
Algerien – 8
Russland – 9
Südkorea - 9

Text + Fotos: Thomas Milz

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: macht laune]





[kol_2] Erlesen: Bücher zu Brasilien – Mehr als eine Einführung
 
Peter Birle (Hrsg.)
Brasilien. Eine Einführung
Vervuert, Frankfurt a.M., 2013
298 Seiten

Der Band "Brasilien. Eine Einführung" ist für all diejenigen Leser interessant, die sich über ihre Reiseführer hinaus mit dem Land vertraut machen wollen. Der landeskundliche Beitrag von Martin Coy versorgt den Leser mit dem nötigen geographischen, naturkundlichen und historisch-ökonomischen Basiswissen, um die weiteren Informationen einordnen zu können.

Brasilien. Eine Einführung
Peter Birle (Hrsg.)
Vervuert, Frankfurt a.M., 2013
298 Seiten

Es folgen Artikel zu politischen Themen (System, Rechtsstaat, Sozialpolitik, Bildungspolitik, Wirtschaft, Internationaler Akteur), die nach wie vor große Probleme aufzeigen (z.B. Armut, Korruption, Umweltzerstörung), aber vor allem Brasiliens positiven Weg vom Entwicklungs- zum Schwellenland beschreiben. Dadurch, dass die staatliche Politik mit der Formel "Wachstum mit Inklusion" versehen wurde, schuf man die Voraussetzungen, um weitere Teile der Bevölkerung ins sozioökonomische, aber auch kulturelle Leben einzubeziehen, wozu natürlich auch die Fortschritte im Bildungssystem gehören, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht entstehen kann. Allerdings haben 93% der Brasilianer noch nie eine Ausstellung besucht, 92% noch kein Museum betreten und 87% waren noch nie im Kino.

Der sehr kluge Artikel von Horst Nitschack zur "kulturellen Dynamik Brasiliens" leitet den "Kulturteil" des Buches ein, der sich mit Musik, Film, Fernsehen, Literatur und nicht zuletzt mit Fußball beschäftigt. Nitschack, der damit beginnt historisch zu begründen, warum die brasilianische Kultur international nicht die gleiche Verbreitung wie die hispanoamerikanische gefunden hat (u.a. weil die Portugiesen ihre Kolonie auf einem niedrigen Bildungsniveau hielten) – was mit Einschränkungen für die Musik nicht gilt - , beschreibt im weiteren Verlauf, wie aus der Vermischung afrikanischer, indianischer und verschiedener europäischer Kulturen langsam, und nicht ohne Widerstände überwinden zu müssen, etwas Neues entstand. Denn im Großen und Ganzen wurde die Vermischung der Rassen spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Chance gesehen, was eine gewisse "Einweißung" der afrikanischen Elemente und den vorhandenen Alltagsrassismus nicht ausschließt. Nitschak beschreibt, wie die Populärkultur im 20. Jahrhundert von einem ländlichen zu einem urbanen Phänomen wurde und dass diese - vornehmlich Fest- und Musikkultur - keine schichtspezifischen Grenzen kennt. Intellektuelle, wirtschaftliche und politische Eliten suchen sogar oftmals ihre Nähe und dass nicht nur aus opportunistischen Gründen. Im Jahr 1922 forderten Oswald de Andrade und die Kunst-Avantgarde in ihrem Manifest "Brasilholz", dass Brasilien zu einer Kulturexportnation werden solle, und das ist, zumindest was die Musik betrifft, auch gelungen.

An den unterschiedlichsten Orten der Welt hören wir brasilianische Musik. Namen wie Tom Jobim, Astrud Gilberto oder Gilberto Gil sind weltweit bekannt und – neben einigen Fußballern – DIE Aushängeschilder Brasiliens. Marcel Vejmelka beschreibt in seinem Artikel über die "städtischen Kulturen und Bewegungen" nicht nur die Musikstile, die sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem in den Armenvierteln gebildet haben – Samba Reggae in Salvador da Bahia, Manguebeat in Recife, Bailefunk in Rio, Hiphop in São Paulo – und dank der neuen Medien international erfolgreich wurden, sondern auch deren soziale Auswirkungen, da sie zumeist mit Projekten für Arme, kriminelle Jugendliche, Umweltschutz o.ä. zusammen hängen.

Cornelius Schlicke hingegen beschäftigt sich mit der "Identitätskonstruktion in der populären Musik". Nach einer vor allem für eine "Einführung" eher zähen theoretischen Einleitung, deren Kritik an der bisherigen Darstellung der Musikgeschichte er im Laufe seines Beitrags kaum untermauern kann, folgen Abhandlungen über Samba, Bossa Nova, MPB und die schon zuvor genannten, neueren Stile (und tecnobrega), in denen er anhand interessanter Details deren historische Entwicklung nachzeichnet. Dabei legt er seinen Schwerpunkt auf die Rassenthematik und zeigt, wie auch zuvor Marcel Vejmelka, dass sowohl der Aufstieg des Samba zur Nationalmusik als auch die neueren Musikstile zu einem steigenden Selbstbewusstsein der afrobrasilianischen Kultur geführt haben. Leider finden durch diesen, auf das "typisch" Brasilianische konzentrierten Ansatz, einmal mehr interessante Entwicklungen in anderen modernen Musikstilen, wie Rock, Elektronik, Jazz, und auch in der Kunstmusik keine Plattform.

Vor allem im WM-Jahr ist ein Artikel über den brasilianischen Fußball angezeigt. Ganz Brasilien ist nicht nur einfach so fußballverrückt, sondern hat auch gewichtige Gründe dafür: das Land hat als einziges an allen bisherigen 19 WMs teilgenommen, und es hat sie fünfmal gewonnen. Frank Stephan Kohl erzählt die - bis auf den Beginn – erfolgreiche, aber oft dramatische Fußball-WM-Geschichte, beleuchtet die Besonderheiten des brasilianischen Fußballs (mulattischer Stil) und reflektiert die Kritik am Megaevent WM 2014. Klar ist: Sobald das erste Spiel angepfiffen ist, wird für vier Wochen jede Kritik verstummen.

Sérgio Costa, Gerd Kohlhepp, Horst Nitschack, Hartmut Sangmeister (Hg.)
Brasilien heute
Vervuert, Frankfurt a.M., 2010
786 Seiten

Wer nun noch mehr über Brasilien wissen möchte (ohne hinzufahren), der sollte sich den 786 Seiten starken Band "Brasilien heute" zulegen, in Deutschland immer noch das Standardwerk zum Land. Dort werden sowohl die o.g. Themen behandelt, als auch Stadtplanung, Umweltschutz, Energiewirtschaft, Körperkult, Religion uvm. Außerdem geht es in neun Artikeln um die deutsch-brasilianischen Beziehungen.

Brasilien heute
Sérgio Costa, Gerd Kohlhepp, Horst Nitschack, Hartmut Sangmeister (Hg.)
Vervuert, Frankfurt a.M., 2010
786 Seiten

Wolfgang Bader (Hrsg.)
Deutsch-brasilianische Kulturbeziehungen
Vervuert, Frankfurt a.M., 2010
352 Seiten

Wen dieses Thema (Beziehungen Brasilien – Deutschland) detaillierter interessiert, dem sei der Band "Deutsch-brasilianische Kulturbeziehungen" empfohlen. In seiner Einführung gibt Dietrich Briesemeister einen sehr guten und kompakten Überblick über die Entstehung unserer Wahrnehmung des Landes. Er wertet die historischen Schriften und Dokumente aus, die "Schuld" daran sind, wie wir heute die Brasilianer sehen, angefangen mit einem Dokument aus dem Jahr 1515, über Hans Stadens Bericht (1557) bis zu den Berichten von Reisenden und Wissenschaftlern im 19. Jahrhundert.

Deutsch-brasilianische Kulturbeziehungen
Wolfgang Bader (Hrsg.)
Vervuert, Frankfurt a.M., 2010
352 Seiten

Einen bleibenden negativen Einfluss hatten vor allem die beiden Schriften von Cornelius de Pauw (1769) und des Grafen Buffon (1750-85), die beide in ihrem ganzen Leben das Land nie besucht hatten, aber seine Bewohner als unterlegene und minderwertige Rasse beschrieben. Geistesgrößen wie Kant, Hegel und Herder ließen sich davon blenden und verbreiteten dieses Bild weiter. Nahtlos kann man die beiden Artikel  über die gegenseitige Wahrnehmung in den aktuellen Medien an diese Lektüre anschließen (ein Vorteil dieses Buches liegt darin, dass fast immer beide Sichtweisen dargestellt werden), denn weiterhin beherrschen Klischees die Bilder, selbst wenn man "Medien" wie die ausschließlich auf diesen beruhende BILD vernachlässigt. Steife Ingenieure, die gute Autos bauen, oder Eisbein schwingende Bayern beherrschen die Vorstellung auf der einen, leicht bekleidete Sambatänzerinnen, Fußballer und Drogenbarone auf der anderen Seite. Was auch darauf zurückzuführen ist, dass Medien aus beiden Ländern keine bzw. nur wenige Korrespondenten im anderen Land haben, und somit auf die Auswahl internationaler Nachrichtenagenturen angewiesen sind.

Aber auch die Artikelpaare zu Literatur, Theater, Film, Philosophie, Musik etc. sind – je nach Interesse – sehr lesenswert. Im Artikel zum Portugiesischen in Deutschland wird auch das wechselseitig übernommene Vokabular der Gastronomie erwähnt (Caipirinha, Apfelstrudel etc.), ein Artikelpaar zu diesem interessanten Kulturthema fehlt leider.

Warum klingt brasilianische Musik für uns zugleich fremd und vertraut? Regine Allgayer-Kaufmann nennt in ihrem Artikel "Brasilianische Musik in Deutschland" als einen Grund, dass mit der ab dem 16. Jahrhundert in Brasilien eingeführten portugiesischen Kirchenmusik die Dur-Moll-Tonalität und der Takt, zwei wichtige Eigenschaften der abendländischen Musik, für die dortige Musik grundlegend wurden. Sie klingen vertraut. Als fremd und exotisch erscheinen uns die nicht an dieses System gebundenen Rhythmen aus Afrika, als zweiter Einfluss. Die daraus entstandene neue Musik fasziniert die meisten Hörer. Als Beispiele aus der Populärmusik dienen ihr der Schlager "Schuld war nur der Bossa Nova" und die Filmmusik zu "Orfeu negro" dazu, den Erfolg brasilianischer Klänge hierzulande zu erklären. Allerdings beklagt sie die oberflächliche Rezeption dieser Musik und empfiehlt einige Maßnahmen zur Verbesserung dieses Zustands, die allerdings alle nur im (elitären) Wissenschaftsbereich angesiedelt sind und somit keine Breitenwirkung entfalten würden.

Ihr brasilianischer Gegenpart Julio Medaglia beschreibt in seinem interessanten, aber leider sehr kurzen Beitrag u.a. die wichtige Rolle, die der deutsche Musikwissenschaftler Franz (Francisco) Kurt Lange für die brasilianische Musikgeschichte spielt. Denn durch seine Entdeckung alter Partituren konnte er ihren Beginn um ein Jahrhundert vorverlegen. Aber auch die Bedeutung Richard Wagners als Vorbild wird hervorgehoben und nicht zuletzt diejenige von Hans-Joachim Koellreutter, der ab 1937 in Brasilien wirkte und zur wichtigsten Figur der musikalischen Avantgarde im Land avancierte. Nicht unwichtig waren auch die dynastischen Verbindungen des brasilianischen Kaiserhofs (1822-1889) mit Österreich und Bayern, als deren Folge deutsche Musiker ins Land kamen, brasilianische Komponisten in Deutschland studierten, aber auch Wagner in schweren Zeiten aus Brasilien großzügige Unterstützung erhielt. Insgesamt sehr lesenswert!

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: erlesen]





[kol_3] Traubiges: Zeit für einen Gaucho
Gimenez Mendez Alta Reserva 2010 Tannat
 
Die meisten Menschen tippen entweder auf Argentinien oder Chile, wenn man ihnen einen Wein aus Südamerika serviert. Dass Uruguay ebenfalls ein Weinland – und zwar ein sehr gutes – ist, wissen die wenigsten. Dabei unterscheiden sich seine Weine grundlegend von den Gewächsen aus Argentinien oder Chile. Und: Das kleinere der beiden Gaucholänder hat seine eigene Rebsorte, wenn sie dort auch nicht autochthon ist: den Tannat. Oft wird er mit anderen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot verschnitten, pardon: assembliert, dabei ist er auch reinsortig ein fantastischer Wein: frisch, fruchtig, kräftig und dennoch mit Tiefe.

Diese Charakteristik gilt übrigens für die meisten der uruguayischen Weine. Denn während die Erzeugnisse aus Argentinien und Chile oft angesichts ihres hohen Alkoholgehalts eher warm, schmelzig und fast schon wuchtig ausfallen, überzeugen die uruguayischen Weine eher durch ihre fruchtige Frische. Denn dort prägt das feuchte atlantische Klima die Wachstumsbedingungen der Reben. Uruguay, das selbst gerade einmal halb so groß wie Deutschland ist, hat etwas um die 8.000 Hektar Rebfläche. Sie nimmt damit deutlich weniger Platz ein als die Rinderweiden des Landes. Und fast 40 Prozent der Rebfläche sind mit Tannat bestockt.

Die rote Rebsorte stammt eigentlich aus dem Baskenland und wird auch dort – sowohl auf der französischen als auch auf der spanischen Seite – weiterhin angebaut. Sie ergibt einen sehr tanninreichen (daher auch der Name), farbintensiven und kräftigen Wein. Seine Aromen sind hauptsächlich Pflaume, Cassis, Kirsche, Brombeere, Schokolade und Zimt. Vor fast 150 Jahren brachten baskische Auswanderer die Tannatrebe nach Uruguay. Hier trägt sie auch den Namen Harriague, benannt nach dem französisch-baskischen Auswanderer Don Pascual Harriague. Seit der Veröffentlichung von Dr. Roger Corder in der Wissenschaftszeitschrift „Nature“ gilt Tannat dank seines hohen Anteils an dem Radikalfänger zur Krebsvorsorge Procyanidin als gesündester aller Rotweine.

Eines der Flagschiffe uruguayischer Tannats ist der Gimenez Mendez Alta Reserva 2010. Dieser Wein zeigt die besondere Typizität dieser Rebsorte in ihrer gesamten Bandbreite. Er ist schlicht und ergreifend charakteristisch unverwechselbar in seiner Farbe, seinem Bukett und seinem Aroma.

In einem dunklen Lila, fast schwarz, fließt er ins Glas und entwickelt dort eine Melange aus Frucht und Frische. Pflaumen, Kräuter und Cassis, aber auch Brombeere, Pfeffer und Lakritze strömen der Nase entgegen. Durch seinen vorsichtigen Ausbau im Eichenfass betört er auch mit leichten Anklängen an Schokolade, Kaffee und einem Hauch Zimt. Zehn Monate hat er insgesamt in amerikanischer und französischer Eiche verbracht. Am Gaumen zeigt sich dieser Kraftbolzen ebenfalls fruchtig und hocharomatisch. Die Zunge taucht ein in eine Orgie aus komplexen, aber harmonischen Aromen und er verwöhnt den ganzen Mundraum mit seinen fast samtigen, reifen und mild würzigen Tanninen.

Authentischer lässt sich ein Tannat kaum genießen.

Text + Foto: Lars Borchert

Über den Autor: Lars Borchert ist Journalist und schreibt seit einigen Jahren über Weine aus Ländern und Anbauregionen, die in Deutschland weitestgehend unbekannt sind. Diese Nische würdigt er nun mit seinem Webjournal wein-vagabund.net. Auf caiman.de berichtet er jeden Monat über unbekannte Weine aus der Iberischen Halbinsel und Lateinamerika.

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: traubiges]





[kol_4] Lauschrausch: Marialy Pacheco - Introducing
 
Auch ein schöner Rücken kann entzücken, vor allem aber lenkt er von der kunstvoll geflochtenen Note ab, die den Kopf der kubanischen Pianistin Marialy Pacheco schmückt.

Introducing
Marialy Pacheco
Neuklang

Von der Musik allerdings sollten die Bilder nicht ablenken, denn auf ihrem neuen Album haucht die Künstlerin Klassikern wie "Mama Inés" oder "El Manisero" (das muss wohl jeder Kubaner mal aufgenommen haben) neues Leben ein und stellt damit die Verbindung zu großen kubanischen Pianisten wie Bola de Nieve oder Chucho Valdés her. Die Interpretationen der klassisch ausgebildeten Pianistin sind von Experimentierlust geprägt, von einer gelungenen Kombination aus Improvisation und Werktreue, wie wir sie auch von Gonzalo Rubalcaba kennen.

Bei ihrer Interpretation des puertoricanischen Boleros "Madrigal" singt sie auch, unterstützt von den warmen Trompetenklängen Joo Kraus', der auch in "Tres lindas cubanas" Akzente setzt. Ihre eigenen Kompositionen klingen mal elegant treibend ("El el camino"), aufregend ("Metro") oder romantisch verspielt ("Cambodian smiles"). In ihrer dreiteiligen "Cuban suite" greift sie klassische kubanische Genres auf – Rumba, Danzón, Conga – und macht daraus ein harmonisches Ganzes: "Ich habe die drei Stücke unabhängig voneinander geschrieben, sie dann aber zusammengefasst, denn als Komponistin muss man vorsichtig sein, sich nicht zu wiederholen", erklärt Pacheco die Entstehung der "Suite".

Mit ihren Triopartnern, den Kolumbianern Juan Camilo Villa am Bass und Miguel Altamar am Schlagzeug, und ihren Gästen Joo Kraus und dem Percussionisten Rhani Krija, gelingt ihr ein abwechslungsreiches Latin-Jazz-Album, das die kubanische Musik fortschreibt und somit bewahrt.

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: lauschrausch]





[kol_5] Erlesen: Taucht der demente Alte wieder auf?
Schwarze Küsse von Joaquín Guerrero Casasola
 
Das Gesetz des Stärkeren, der erste Roman Guerrero Casasolas, endet mit der Entführung des Alten Baleares, Ex-Polizist, Vater des Protagonisten und dement. Und einer gescheiterten Lösegeldübergabe.

Der Sohn, Gil Baleares, bleibt auf den mit viel Schmerz ergaunerten zwei Millionen Pesos Lösegeld sitzen. Von seinem Vater, in seiner ergiebigen aktiven Zeit Perro genannt, und den Entführern hört er jedoch nichts mehr.

Der Folgeroman Schwarze Küsse setzt ein Jahr nach der Entführung ein. Von dem Geld hat Gil, obwohl chronisch pleite, nichts ausgegeben. Immer noch in der Hoffnung eines Lebenszeichens des Perritos.


Schwarze Küsse
Autor: Joaquin Guerrero-Casasola (Autor)
Originaltitel: El pecado de Mama Bayou
Verlag: Kein & Aber (August 2009)
ISBN-10: 3036955496
ISBN-13: 978-3036955490

Warum hast du die Polizei verlassen? Wintilo, ein alter Schulfreund, drängt sich in Gils vor sich hindümpelndes Leben. Mit dem Ziel, Gil wieder für die Polizei zu gewinnen, stellt er ihm neben einem Leben in Luxus das Wiedersehen mit seinem Vater in Aussicht. Der entscheidende Kontakt zur Realisierung des Unmöglichen ist Wintilos Chef Aníbal Carcaño. Doch bevor der hochdekorierte und in den höchsten Kreisen vernetzte Carcaño seine Fühler nach dem Gekidnappten ausstrecken will, soll Gil einen Transvestiten aufzuspüren.

Wie aus dem Nichts heraus nimmt Gils Leben wieder Fahrt auf. Zeitgleich mit Wintelo klopft Teresa Sábato an seine Tür. Die einstige Liebe zwischen den beiden vom Leben gezeichneten springt zwischen wildester Lust und finalen Schlussakten hin und her. Neues Leben tritt an Stelle des alten – ein Wink für den Schlussakt?

Dazwischen jagt ein gewaltiges Trinkgefecht, zwischen Wintelo und Gil ausgetragen, das nächste. Bis die beiden wiedervereinten Freunde unmittelbar vor der Lösung des Transvestiten-Falls stehen.

Bis Seite 115 verkörpert der Roman feinstes und absolut geliebtes mexikanisches Klischee mit Tacos, Seilschaften, Leidenschaft, Drama und natürlich Tequila. Und, wenn auch etwas sparsam eingesetzt, so erheitert der Autor mit einer Hand voll Lebensweisheiten, die einfach zu guten mexikanischen Romanen dazu gehören:

Es kann nur derjenige in Mexiko Präsident werden, der einen Pakt mit der CIA schließt. Und dies setzt einen strikten Schwur voraus: "Um ihn zu besiegeln, muss der jeweilige Kandidat einem Mann, der sich Erdnussbutter auf den Schwanz schmiert, einen blasen."

Dann auf Seite 116 ermittelt Gil auf eigene Faust, um das Wiedersehen mit seinem Vater zu beschleunigen, und prompt bekommt er eine erste Abreibung. Dieser folgen auf den verbleibenden 90 Seiten unzählige. Allesamt wenig unterhaltsam und von selbst injizierten Morphium-Spritzen begleitet. Dieser Teil des Romans Schwarze Küsse erinnert zunehmend an den wenig prickelnden ersten Teil des ersten Romans. – Kostprobe?

Genau das tat er, er versohlte mir den Hintern und versuchte dabei, mir so laute Schreie wie möglich abzuringen.
"Wie viel wettest du, dass ich ihm einen Furz entlocke?", fragte der andere.
"Fünfzig Pesos."
"Die Wette gilt."
Schon kam ein Tritt in den Magen.
"Und der Furz?"
"Ist nicht gekommen."
"Ich bin dran…"

Immerhin ist das Buhlen um Gut und Böse, um Durchtrieben und Tragisch eröffnet. Mit im Ring Teresa, Wintelo, Carcaño und die Transvestiten Judith und Roberto.

Fazit: Lesen ja, aber jede Seite genießen und die aufflammende Traurigkeit über das zunehmende Abflachen des Romans mit Tequila löschen. – Immerhin bleibt zu erkunden, ob der alte Perro wieder auftaucht.

Text: Dirk Klaiber
Cover: amazon

[druckversion ed 06/2014] / [druckversion artikel] / [archiv: erlesen]





.