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[kol_5] Erlesen: Taucht der demente Alte wieder auf?
Schwarze Küsse von Joaquín Guerrero Casasola
 
Das Gesetz des Stärkeren, der erste Roman Guerrero Casasolas, endet mit der Entführung des Alten Baleares, Ex-Polizist, Vater des Protagonisten und dement. Und einer gescheiterten Lösegeldübergabe.

Der Sohn, Gil Baleares, bleibt auf den mit viel Schmerz ergaunerten zwei Millionen Pesos Lösegeld sitzen. Von seinem Vater, in seiner ergiebigen aktiven Zeit Perro genannt, und den Entführern hört er jedoch nichts mehr.

Der Folgeroman Schwarze Küsse setzt ein Jahr nach der Entführung ein. Von dem Geld hat Gil, obwohl chronisch pleite, nichts ausgegeben. Immer noch in der Hoffnung eines Lebenszeichens des Perritos.


Schwarze Küsse
Autor: Joaquin Guerrero-Casasola (Autor)
Originaltitel: El pecado de Mama Bayou
Verlag: Kein & Aber (August 2009)
ISBN-10: 3036955496
ISBN-13: 978-3036955490

Warum hast du die Polizei verlassen? Wintilo, ein alter Schulfreund, drängt sich in Gils vor sich hindümpelndes Leben. Mit dem Ziel, Gil wieder für die Polizei zu gewinnen, stellt er ihm neben einem Leben in Luxus das Wiedersehen mit seinem Vater in Aussicht. Der entscheidende Kontakt zur Realisierung des Unmöglichen ist Wintilos Chef Aníbal Carcaño. Doch bevor der hochdekorierte und in den höchsten Kreisen vernetzte Carcaño seine Fühler nach dem Gekidnappten ausstrecken will, soll Gil einen Transvestiten aufzuspüren.

Wie aus dem Nichts heraus nimmt Gils Leben wieder Fahrt auf. Zeitgleich mit Wintelo klopft Teresa Sábato an seine Tür. Die einstige Liebe zwischen den beiden vom Leben gezeichneten springt zwischen wildester Lust und finalen Schlussakten hin und her. Neues Leben tritt an Stelle des alten – ein Wink für den Schlussakt?

Dazwischen jagt ein gewaltiges Trinkgefecht, zwischen Wintelo und Gil ausgetragen, das nächste. Bis die beiden wiedervereinten Freunde unmittelbar vor der Lösung des Transvestiten-Falls stehen.

Bis Seite 115 verkörpert der Roman feinstes und absolut geliebtes mexikanisches Klischee mit Tacos, Seilschaften, Leidenschaft, Drama und natürlich Tequila. Und, wenn auch etwas sparsam eingesetzt, so erheitert der Autor mit einer Hand voll Lebensweisheiten, die einfach zu guten mexikanischen Romanen dazu gehören:

Es kann nur derjenige in Mexiko Präsident werden, der einen Pakt mit der CIA schließt. Und dies setzt einen strikten Schwur voraus: "Um ihn zu besiegeln, muss der jeweilige Kandidat einem Mann, der sich Erdnussbutter auf den Schwanz schmiert, einen blasen."

Dann auf Seite 116 ermittelt Gil auf eigene Faust, um das Wiedersehen mit seinem Vater zu beschleunigen, und prompt bekommt er eine erste Abreibung. Dieser folgen auf den verbleibenden 90 Seiten unzählige. Allesamt wenig unterhaltsam und von selbst injizierten Morphium-Spritzen begleitet. Dieser Teil des Romans Schwarze Küsse erinnert zunehmend an den wenig prickelnden ersten Teil des ersten Romans. – Kostprobe?

Genau das tat er, er versohlte mir den Hintern und versuchte dabei, mir so laute Schreie wie möglich abzuringen.
"Wie viel wettest du, dass ich ihm einen Furz entlocke?", fragte der andere.
"Fünfzig Pesos."
"Die Wette gilt."
Schon kam ein Tritt in den Magen.
"Und der Furz?"
"Ist nicht gekommen."
"Ich bin dran…"

Immerhin ist das Buhlen um Gut und Böse, um Durchtrieben und Tragisch eröffnet. Mit im Ring Teresa, Wintelo, Carcaño und die Transvestiten Judith und Roberto.

Fazit: Lesen ja, aber jede Seite genießen und die aufflammende Traurigkeit über das zunehmende Abflachen des Romans mit Tequila löschen. – Immerhin bleibt zu erkunden, ob der alte Perro wieder auftaucht.

Text: Dirk Klaiber
Cover: amazon

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