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caiman.de 09. ausgabe - köln, 2001
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Die Stimme der Inkas: Yma Sumac

Ein musikalisches Wunderwesen ist sie noch immer, stimmgewaltiger als jede Opernsängerin; charismatisch, geheimnisvoll und von blendendem Aussehen. Die Rede ist von Zoila Augusta Emperatriz Chavarri del Castillo, bekannt geworden unter ihrem Künstlernamen Yma Sumac.

Ihr Werdegang entspricht dem Stoff aus dem Legenden geboren werden, mit ihren Stimmbändern vermag sie Feuerwerke zu entfachen, und ihre Ahnenreihe lässt sich in direkter Linie bis auf den letzten Inkaherrscher Atahualpa zurückverfolgen,

Diese hochadelige Abstammung bestätigte ihr 1946 der peruanische Generalkonsul in den Vereinigten Staaten sogar schriftlich, um endlich den Gerüchten ein Ende zu setzen, die der Sängerin Image-Schwindel vorwarfen, indem sie behaupteten, ihr richtiger Name sei Amy Camus, Hausfrau aus Brooklyn.

Tatsächlich stammt Yma Sumac aus Ichocán, einem Dorf im peruanischen Hochland im Distrikt Cajamarca. Und ihre glamouröse Karriere sollte sie bis nach Hollywood führen, wo sie zeitweise mit ihrer außergewöhnlichen Stimme über viereinhalb Oktaven und einer Handvoll Platten Weltruhm erlangte.

Ihre abenteuerliche Geschichte beginnt, so will es die peruanische Zeitung "La Crónica" wissen, 1939 in ihrem Heimatdorf, wo Yma, gerade mal zwölf Jahre alt, auf einer traditionellen Feier zu Ehren des Sonnengottes ausgewählte Lieder auf Quechua vorträgt und dabei von einem Regierungsbeamten entdeckt wird.


Mit 14 Jahren heiratet sie ihren späteren Manager und Musikarrangeur Moisés Vivanco und reist in den folgenden Jahren mit seiner Compañía Peruana de Arte durch ganz Lateinamerika. Sie nimmt Schallplatten auf, wirkt in Filmen und Radiosendungen mit und wird von der Presse stürmisch als Star im Folkloregenre gefeiert.

Als solcher zieht es sie in den vierziger Jahren nach New York, wo der große Erfolg jedoch zunächst ausbleibt. Zu ungewöhnlich ist ihr Repertoire, die Produzenten jener Zeit wirken befremdet: wer singt schon simple Volkslieder, wenn er es sich leisten kann, die Königin-der-Nacht-Arie als simple Auflockerung für die Stimmbänder zu betrachten?

Yma Sumac muss sich entscheiden zwischen Klassik und ihren lateinamerikanischen Wurzeln. Doch eigentlich bleibt ihr keine Wahl: Ihr exzentrischer Stil stempelt die eigenwillige Lady als Kuriosität ab. Und so tingelt sie viele Jahre lang durchs Land, nimmt kleinere Engagements an und lebt mit ihrer Familie weitestgehend vom Thunfischhandel.

Erst die Entdeckung durch Capitol Records, die sie nach Hollywood einladen, bringt Yma den Durchbruch. Ihre erste Platte, Voice of the Xtabay (1950), schlägt ein wie eine Bombe und wird innerhalb kürzester Zeit zu einem Bestseller.

Ymas enorme stimmliche Bandbreite und der sekundenschnelle Wechsel von lyrischem Koloraturgesang zu gewaltig grollenden Knurr- und Fauchlauten begeistern die Musikwelt und das Publikum.Ymas Selbstdarstellung als Oberpriesterin der Inka und Jungfrau der Sonne treffen den Nerv der Zeit; ihre Person umgibt der Hauch des Mythischen, des Geheimnisvollen, des Exotischen.

Ihr damaliger Erfolg ist nicht zuletzt dadurch zu erklären, dass man in den 50´er Jahren, nach den überstandenen Schrecken des Zweiten Weltkrieges, von der Musik in erster Linie von den Alltagsproblemen abgelenkt werden will, die große Zeit von escapist entertainment bricht an, und Nordamerika zeigt sich dabei generell von den "exotischen" südamerikanischen Ländern und ihrer Musik fasziniert ist. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die umfassende Berichterstattung über die Entdeckung des legendären Macchu Picchu in den dreißiger Jahren. Wie gut muss da die "singende Inka-Prinzessin" ins Bild gepasst haben.

Für die peruanische Künstlerin folgen schnell hintereinander ein Broadway-Musical, ein Hollywoodfilm mit Charlton Heston, in dem sie sich selbst spielt - eine Inka-Prinzessin - (The secret of the Inca, 1952/53) und vier weitere Langspielplatten. Ihre perfekte Unterhaltungsmusik ist vielleicht am deutlichsten auf ihrem meistverkauften und vielleicht besten Album Mambo! von 1955 zu hören, eine Homage an die damals wie heute trendigen lateinamerikanischen Tänze.

Die überschwenglichen und kolossalen Bühnenshows boten der Diva den richtigen Rahmen für ihre Stimmakrobatik.

Spielerisch und mühelos trällerte sie liebliche Liedchen, röhrte in bassigen Tiefen mit verrauchter Whiskystimme oder beschwor unter Zischen und Schnalzen mysteriöse Laute aus dem Amazonasdschungel.

Freilich wirken die Plattencover operettenhaft mit Ymas dramatischer Mimik und den aufwendigen Kostümen, und im Gegensatz zu ihren früheren Tourneejahren in Lateinamerika, wo sie authentische Folkloremusik sang, mussten auf ihren erfolgreichen Alben Zugeständnisse an das weiße, US-amerikanische Gehör der Masse gemacht werden. Exotik und Andersartigkeit waren zwar gewünscht, gingen aber über angepasste Varianten wie den zahmen Tarzan Johnny Weissmüller selten genug hinaus.

So waren auch Ymas Kompositionen lediglich folkloristisch inspiriert. Ohne die bombastischen Bläserarrangements einer Big Band im Hintergrund und die oft amüsanten Vokal- und Showeffekte der Sängerin wären ihre LPs jedoch niemals zu Verkaufsschlagern avanciert.
Die Aufnahmetechniker in diesen Jahren hatten ihre liebe Not, sobald die Improvisationskünstlerin ihre Stimme wieder einmal unabgesprochen "bis in die Stratossphäre" hinaufjagte.

Ymas Privatleben wurde seit ihrer spektakulären Scheidung und dem ein oder anderen Skandal von der Boulevardpresse ebenfalls kräftig ausgeschlachtet, dazu kam ein ernstes Problem mit dem Finanzamt: Ehemann Vivanco hatte jahrelang Steuern hinterzogen. In den puritanischen USA der Fünfziger wurde ihr das mehr als übel genommen. Ihr Ruhm litt beträchtlich und der Druck der enormen Steuernachzahlung sollte ihrem Leben eine entscheidende Wendung geben. Ymas Ex- und Wiederehemann organisierte eine mehrjährige, sehr erfolgreiche Welttournee durch die UdSSR, Europa, Asien und Lateinamerika. Nach hunderten von Konzerten konnten sie zwar die Schulden begleichen, doch ohne Werbung, Fernsehauftritte und neue Schallplatten tendierte der Bekanntheitsgrad der Sängerin bei ihrer Rückkehr in die USA gegen Null. Zudem hatte sich der Musikgeschmack geändert. Bonbonfarbene Petticoats prägten das Straßenbild und exotische Populärmusik wirkte, naja, eben ein wenig lächerlich.

1965 kam es zur endgültigen Scheidung. Vivanco setzte sich nach Spanien ab und Yma, fast vergessen, blieb in den USA zurück.
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Neue Plattenaufnahmen kamen nur schwerlich zustande. Die Produzenten erinnerten sich sehr genau an Sumacs ausgeprägten Eigensinn und diefolkloristische Seltsamkeiten wie auf ihrem Album Legend of the Jivaro. Viele winkten ab.
Erst ab Mitte der Siebziger ging es für die Diva wieder bergauf. Die erste Revival-Welle stand an und Yma schaffte es einmal mehr, eine neue Generation von Zuhörern mit einem einzigen Konzert in ekstatische, hörige Fans zu verwandeln. Die meisten waren zu Zeiten ihrer ersten Erfolge noch nicht einmal geboren.

Diese permanenten Schwankungen ihrer Popularität sind so etwas wie ein Markenzeichen der heute über Siebzigjährigen geworden. Doch so berühmt wie in ihren Anfangsjahren ist sie nie wieder geworden; obwohl ihre Stimme noch immer ein echtes Schmankerl für die Ohren ist. Wie man hört, lebt sieheute in Kalifornien und gibt gelegentlich Konzerte.

1996 wurden ihre alten Alben und einige gute Zusammenstellungen auf CD neu aufgelegt. Zu unserer und eurer Freude kann man bei amazon reinhören und sich von den diversen Vokalknüllern der Diva bezaubern lassen.


Text: Alexandra Geiser

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Offizielle Seite:
http://www.yma-sumac.com

bei amazon.de oder amazon.com sind folgende CDs erhältlich:


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