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caiman.de 01. ausgabe - köln, januar 2001
brasil

Zwischen Entdeckungen und Dekadenz:
Ein Brasilianer macht Kunst in Köln

Am 22. April 2000 feierte Brasilien den 500. Jahrestag seiner Entdeckung durch den Portugiesen Pedro Alvarez Cabral Die Folgen dieser Entdeckung sind bekannt: Die Portugiesen unterwarfen und versklavten die eingeborene Bevölkerung. Das Land, das sie Brasilien nannten, stand mehr als 300 Jahre in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Abhängigkeit seines Mutterlandes, Portugal. Aufgrund der portugiesischen Imperialpolitik prallten hier die Kulturen dreier Kontinente aufeinander: Lateinamerika, Afrika und Europa.


"Der Ritter"
Acryl und Öl auf Leinwand 1998
Seitdem befindet sich Brasilien auf der Suche nach seiner nationalen Identität. Die Frage nach der Identität, nach den eigenen Wurzeln findet sich auch in den Bildern von Germano do Carmo wider. Der Maler schildert in seinen Bildern ein Brasilien, wie es nur wenige kennen.



Mit kräftigen, kontrastreichen Farben zeigt er uns nicht nur das Tropenparadies unserer Phantasie mit Stränden, exotischen Tieren, oder einem üppigen grünen Regenwald. Sondern auch das hektische und hyperaktive Brasilien, in dem Höchstgeschwindigkeit, Aggression und Chaos regieren. Der urbane Dschungel ist sehr oft sein Thema.

Bevor Do Carmo 1994 nach Köln kam, lebte er 25 Jahre in São Paulo, der zweitgrößten Stadt Lateinamerikas. Dort war sein Leben von Hyperinflation, und dem buchstäblichen "Kampf ums Überleben„ geprägt, ein Leben in Verkehrschaos, Großraumbüro und unter permanentem Zeitdruck. Weder Zeit zur Reflexion über sich selbst noch über sein Land. Die Zeit dafür bot sich erst nach seiner Ankunft in Deutschland. Wie er mittlerweile sagt, hat er "...das Leben dort erlebt und in Deutschland durch die Malerei ausgekotzt."
Gleichwohl ist für ihn Brasilien die Quelle seiner Inspiration.

Bei seiner Betrachtung sind ihm sehr gegensätzliche Dinge ins Bewußtsein getreten, die er in seinen Bildern festgehalten hat: Auf der einen Seite die Aggression, auf der anderen dagegen die Alegría, die brasilianische Variante von Lebensfreude und Leichtigkeit.


"Axe"
Acryl auf Leinwand 1998

Do Carmo verleiht ihnen Ausdruck in kräftigen, meist warmen Farben und prägnanten Formen, beherrscht von einer fast kindlichen Verspieltheit im Ausdruck. Unruhe und Harmonie findet man gleichermaßen. Eine unkontrollierte Dynamik, die sich losgelöst von den klassischen Kriterien der Malerei entwickelt.

Mittlerweile hat der Maler, der auch als Bühnenbildner arbeitet, zwei
Ausstellungen in Köln realisiert, eine dritte in Berlin steht zu Beginn des Jahres an. Auf die Frage, ob seine Chancen sich in Brasilien zu etablieren größer wären als in Deutschland, hat er eine eindeutige Antwort: "Wenn die wirtschaftliche Situation des Landes besser wäre, würde sich auch die Situation der Kunst verbessern." Seiner Meinung nach ist es daher für Künstler in seinem Heimatland schwieriger, sich durchzusetzen. Zählt man nicht zu den etablierten Kreisen, hat man kaum eine Chance, sich einen Namen zu machen.


"Flug der Freiheit"
Acryl auf Leinwand 1999
Stark inspiriert vom Modernismus entwickelt er nun seine Thematik weiter. Do Carmo verlässt die Suche nach der Herkunft Brasiliens und setzt sich mit der Dekadenz der Gesellschaft im Allgemeinen und der Wahrnehmung der Dekadenz in der Kunst im Besonderen auseinander.


Dabei interessiert ihn vor allem die ewige Wiederkehr der Kunststile.
Seine größte Kritik ist der Mangel an wirklich neuer Kunst. Seiner Meinung nach herrscht eine stillschweigende, sich selbst genügende Akzeptanz der Wiederholung dessen, was schon existiert. "Die wenigsten Künstler entwickeln etwas Eigenes.„

"Ich möchte dreihundert Jahre leben, um die Dekadenz zu leben und zu erleben, und sie dann in meinen Bildern festzuhalten",

philosophiert der Wahlkölner und beschreibt anschließend "... die Grenzen der menschlichen Seele, die nur ein bestimmtes Maß der Sinnesüberreizung aushalten kann."


"Das Ende"
Acryl auf Leinwand 1999
pa`rriba


Wenn dies passiert, verliert sie die Wahrnehmung für die Kunst und die Kunst verliert ihren Wert für die Menschen. Besonders durch Konsum und Überfluß verschwindet, so Do Carmo, ihr Stellenwert in der Gesellschaft.

"Wenn wir uns nur von Konsum ernähren, stirbt die Kunst", schlußfolgert der Künstler und macht diesen Widerspruch von Kunst und Konsum zum zentralen Thema seiner neuen Arbeiten.

Text: Lars Borchert



bisher erschienen zu Brasilien:

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