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caiman.de 04. ausgabe - köln, 01. april 2001
grenzfall: automovilista

Grenzfall: Automovilista

Die Vollendung des 18. Lebensjahres stand an. Alle sprachen vom Erwerb der Fahrerlaubnis, nur ich dachte bei mir: "Unmöglich zu finanzieren, außerdem sind mir Begriffe wie "Fahrstunde" an sich schon zuwider; ich warte erst Mal ab."

Und so begab es sich, dass sich die Jungs mit Nachtfahrten, Überlandfahrten und "Alles, was die Fahrschulen zum Geld verdienen sich sonst noch Ausdenken-Fahrten" quälten, während ich meinen Flug nach Übersee buchte.

Wochen später begab ich mich mit einem Freund, seines Zeichens Einheimischer, zum entsprechenden "Führerscheinamt" in Mexiko - Stadt. Zunächst lief alles glatt: Paßfoto, vor Ort geschossen, und Antrag anstandslos akzeptiert. Dann aber warf der zuständige Sachbearbeiter die Frage nach dem Militärdienst in den Raum. Todesstille!



die vorderseite
der medaille

Natürlich war ich nicht in der Lage, einen solchen nachzuweisen, und, ganz pflichtbewußter Deutscher, tat ich dieses kund, was umgehend mit einer abweisenden Handbewegung und der Rückgabe des Paßfotos quittiert wurde: "Kein Dienst, kein Führerschein. Punkt!"

Doch dann, dann hörte ich sie, die erlösende Zahl. Aus dem Nichts; nicht ganz, eher so von schräg rechts, dort, wo mein mexikanischer Kollege sich aufzuhalten gedachte, wortlos bis zu diesem Augenblick: "20 Dollar, US-Dollar und keinen Cent mehr. Ich hoffe, Du hast es passend, sonst wird es teurer." Verstohlen suchte meine Hand sich ihren Weg ins Tascheninnere; und zufällig, rein zufällig, ganz so als würden fremde Mächte walten, schwebte der grüne Schein in Richtung Tischmitte.


die kehrseite macht es
zum dokument
"Nun denn, was sehe ich denn dort. Von wegen keine Militärpapiere, mein Fehler, hier liegen sie und alles ist in Ordnung." Der Schein verschwindet, quasi wie von Zauberhand und vor mir liegt das gültige Dokument, eingeschweißt in Plastikfolie, auf der Vorderseite geschmückt mit einem alptraumhaft wirkenden Paßfoto. "Ach wie einfach doch alles auf dieser Welt sein kann", denke ich, bedanke mich und eile, im Schlepptau meinen Helfer in der Not, aus dem Gebäude.



Zurück in Deutschland erfolgte der Antrag auf Überschreibung und Anerkennung der Fahrerlaubnis. Selbstverständlich habe ich mich sechs Monate in Mexiko aufgehalten, mit dem Ziel, eine neue Existenz zu gründen. Und ohne Zweifel war dazu der Führerschein unabdingbar.

So finde ich mich also knappe zwei Wochen später mit einer schriftlichen, spanisch sprachigen Bestätigung (von meinem mexikanischen amigo) in einem deutschen Amtsgebäude wieder. Ein kurzer Blick auf diese ... anmutende Briefmarke und den Restinhalt, mit anschließendem Eingeständnis, Spanisch wäre nicht ganz ihr Ressort, aber das würde so schon stimmen, schließlich ginge es hier um Vollständigkeit, händigte mir die Respektsperson meinen nun deutschen Fahrschein aus.

Zur selben Zeit wurde ein polnischer Leidensgenosse am Nebenschalter mit den Worten: "Nix polnisch Führerschein, nix deutsch Führerschein" abgefertigt.


das tor zum himmel

Alles in allem hat mich der Spaß damals 100 DM gekostet, und es entlockt mir immer noch ein feistes Grinsen, wenn ich die armen Opfer deutscher Fahrschulen auf unseren Straßen sehe, obwohl sie diejenigen sein werden, die in Zukunft vor meinen Augen souverän die Parklücken besetzen; eine Kunst, die mir für immer ein Rätsel bleiben wird.

Text + Fotos:
Sönke Schönauer

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