l






l
caiman.de 12. ausgabe - dezember 2000
grenzfall: usa - amerika

USA is not America

Es kommt in den besten Zeitungen und Nachrichtensendungen vor, dass ein eindeutig definierter geographischer Begriff beklagenswert oft ebenso eindeutig falsch verwendet wird. In den letzten Wochen geschah dies wieder einmal besonders häufig. Es war die Rede davon, dass Amerika einen neuen Präsidenten wählen würde (gewählt hätte und dann doch wieder nicht und irgendwann dann doch...).
"Amerika"? Welches Amerika? Kolumbien? Mexiko? Argentinien? Kuba? Oder etwa der ganze Kontinent? Nein, mit diesem großen Wort "Amerika", das in so skandalöser Falschverwendung selbst den angesehensten und seriösesten Journalisten dieses unseren Landes über die Lippen kam, wurde etwas ganz anderes bezeichnet. Man meinte konkret nur einen kleinen Teil Amerikas: die "USA".



"Amerika" jedoch ist ein geographischer Begriff, der eindeutig zur Bezeichnung des gesamten Kontinents verwendet werden muss. Darüber kann es keine Diskussion geben!

Die Gleichsetzung von "USA" und "Amerika" ist also begrifflich ein völlig unberechtigtes Pars pro toto. Wie aber kam es dazu? Nun, es begann mit einer verunglückten Taufe. Die damals noch recht kleinen, aber noch nie bescheidenen USA nannten sich schon kurz nach ihrer Unabhängigkeit 1776 "United States of America". Dieses Häuflein von (überwiegend) Sklavenhalter-Kolonien "Vereinigte Staaten" zu nennen, war schon hochtrabend – aber mit dem Zusatz "von Amerika" der Gipfel der Dreistigkeit.

Während des 19. Jahrhunderts versuchten die USA immerhin, ihrer falschen Namengebung nachträglich gerecht zu werden, indem sie sich möglichst große Gebiete des übrigen Amerika einverleibten: 1819 kauften sie La Florida von Spanien. 1848 halbierten sie Mexiko, da die Regierung nicht verkaufen wollte, und besetzten jede Menge "herrenlosen" Indianerland...

Es nutzte nichts. Nach wie vor bedeckten die "USA" nur 20% des gesamten Kontinents. Dennoch wurde die falsche Namengebung in großen Teilen der Welt inklusive Europa ohne Nachdenken übernommen, und heute plappert jedes Kind "Amerika", wenn es nur die USA meint. Dies ist umso erstaunlicher als der Namenspatron des Doppelkontinents, Amerigo Vespucci, italienischer Entdecker im Auftrag der spanischen bzw. portugiesischen Krone 1501 – 1503 die Küstenregionen Venezuelas und Brasiliens erkundete. Aufgrund dieser Entdeckungen, die mit dem Gebiet der heutigen USA nicht das Geringste zu tun hatten, verlieh der deutsche Kartograph Waldseemüller 1507 dem ganzen Kontinent den Namen "Amerika". Während also Venezuela viel eher Grund hätte, sich auf den Namen des Amerigo Vespucci zu berufen, kann man das Motiv für die Bezeichnung "...of America" nur in der ungeheuren Anmaßung der USA suchen, für den ganzen Kontinent stehen zu wollen. Warum sich jemand darüber aufregen sollte? Die Empörung der Lateinamerikaner über diese dreiste Begriffsokkupation durch die USA ist mehr als verständlich, wenn wir uns folgendes vor Augen führen: Was würden wir Europäer wohl sagen, wenn beispielsweise Frankreich, die Grande Nation, sich plötzlich umbenennen würde in "L`Europe" (oder gar Deutschland sich dreist "Europa" nennen würde)?!? Der Sturm der Empörung, der durch alle übrigen Staaten der Europäischen Union fegen würde, wäre kaum vorstellbar!
Aus diesem Grund sollte man daher in der Lage sein, zwischen Kontinenten und Einzelstaaten zu differenzieren.
Merke also: USA no es América!
Und so versucht auch nicht "Amerika" einen neuen Präsidenten zu wählen, sondern nur die USA, wofür sie – by the way – auch reichlich lange brauchen.


pa`rriba

Berthold Volberg

l