ed 12/2017 : caiman.de

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brasilien: Heiße Weihnacht
THOMAS MILZ
[art. 1] druckversion:

[gesamte ausgabe]


chile: LAN geweile - alles falsch gemacht?
ANDREAS DAUERER
[art. 2]
nicaragua: Nicaragua macht sich hübsch für die Feiertage
VISITANICARAGUA
[art. 3]
brasilien: Warme Weihnacht
NICO CZAJA
[art. 4]
pancho: Tropische Weihnachtssuppe
BERTHOLD VOLBERG
[kol. 1]
grenzfall: Sandy Klaus und der venezolanische Weihnachtsschwindler
Märchen wider die Businesskasperei zur Festlichkeit
DIRK KLAIBER
[kol. 2]
amor: Das Weihnachten, das Sie immer haben wollten...
THOMAS MILZ
[kol. 3]
lauschrausch: Klingende Weihnachten
Klazz Brothers - Luis Frank Arias - Guillermo Rubalcaba - Inti Illimani Histórico
TORSTEN EßER
[kol. 4]





[art_1] Brasilien: Heiße Weihnacht
 
In den Supermärkten erklingen deutsche Weihnachtslieder, in den Straßen hängen riesige Weihnachtskugeln. Bei 35 Grad im Schatten beobachtet man das bunte Treiben am Strand und fragt sich, ob es wohl dieses Jahr zur weißen Weihnacht reichen wird.

Es wird mein erstes Weihnachten in Brasilien, und ich ahne bereits, dass es ziemlich anders sein wird als die letzten 29 in Deutschland. Erstens: statt immer kälter, wird es immer heißer. Die weiße Weihnacht, von der alle in Europa träumen, fällt wohl ins Wasser – hier ist Regenzeit und Hochsommer angesagt.

Zweitens: ich habe noch keine Tannenbäume gesehen, und beim derzeitigen Wechselkurs wird man kaum welche aus dem Ausland einfliegen lassen. Ein schwacher Trost ist da auch der aus grünen Klobürsten zusammengebaute und mit weißer Farbe besprühte Ersatzweihnachtsbaum irgendwie nicht, den ich für 30 Reais in einem Haushaltswarengeschäft gesehen habe. Drittens: welche Tiere würde der Weihnachtsmann hier wohl vor seinen Schlitten spannen? Oder nimmt er sich einen Strandbuggy?

In den Supermärkten türmen sich die Weihnachtsgeschenkpakete, vollgestopft mit Süßigkeiten und buntem Plastikspielzeug, und dazu plätschert „Stille Nacht, heilige Nacht“ aus den Lautsprechern – auf deutsch! Gibt es keine brasilianischen Weihnachtslieder? Schon fünf Wochen vor Weihnachten beginnen die Städte, sich in grelle Lichtdome zu verwandeln. Viele Bäume sind mit Lichterketten geschmückt, aber statt in sie in den Ästen zu platzieren, bindet man die Ketten um die Baumstämme. Und die Weihnachtsengel an den Marterpfahl?

Was wird wohl am Heiligen Abend passieren? Ich bin bei Freunden eingeladen. Sie werden einen nicht ganz christlichen Brauch praktizieren und vor und hinter dem Haus Champagner auf den Boden gießen, um das Heim vor Unglück zu bewahren. Danach ist ein pompöses Abendessen geplant, und um Punkt Mitternacht verteilt man die Geschenke, bevor man sich mit Caipirinha und Dosenbier auf den anschließenden Sommerurlaub einstimmt. Denn Weihnachtszeit ist Ferienzeit.

Zwischen Weihnachten und Neujahr strömt halb Brasilien an die Strände der 8.000 Kilometer langen Küste, um sich dort gegenseitig bei brütender Hitze auf den Füßen zu stehen und fünf mal so viel wie normal für ein Hotel zu bezahlen.

Weihnachten in Badehose statt Wintermantel, eiskalte Caipirinha statt heißem Glühwein, Fleischspieße statt Käsefondue, Wasserski statt Schlittschuhlaufen, Sonnenmilch statt Labello, Badelatschen statt Schneestiefel, Bananenboot statt Schlittenfahren, Sonnenbrand statt kalter Nase – alles wird anders sein. Und wenn ich auf meinem schneeweißen Surfbord die steile Sanddüne hinunterrutsche, um an ihrem Fuße sanft in das 28 Grad warme Meer hineinzugleiten, werde ich mich bestimmt an so manche weihnachtliche Schlittentouren erinnern und dabei leise feliz natal – frohe Weihnachten flüstern.

Text + Fotos: Thomas Milz

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: brasilien]





[art_2] Chile: LAN geweile - alles falsch gemacht?

Manchmal will es der krude Zufall, dass wir in mehr oder wenige interessante Situationen schlittern. In meinem speziellen Falle war es das gerade abgeleistete Weihnachtsfest, das ich an Board einer Maschine von LAN verbringen durfte. Weihnachten also in hohen Lüften über dem Ozean. Ich war gespannt. Sehr sogar. In einer Maschine zu hocken, mit lauter unbekannten Gesichtern zusammen zu sein und sich mit Latino-Fluggästen am weihnachtlichen Abend zu berauschen. Und vielleicht hatte ja auch noch die Airline etwas vorbereitet, um sich an diesem Tage nicht lumpen zu lassen. Lasst den Champagner aus den Flaschen!

santiago de chile
Und ehrlicher bzw. normaler hinsichtlich der zu erwartenden kulturellen Unterschiede hätte mein Vierundzwanzigster gar nicht beginnen können: Natürlich hatte der Flieger um über zwei Stunden Verspätung - genügend Zeit also, um sich einen überteuerten Flughafenkaffee zu gönnen.

Der schmeckt zwar nicht wirklich gut, aber seinen Zweck erfüllt er klaglos, hilft dabei, die Augen beim Durchforsten des Zeitungsladens offen zu halten, um den einen oder anderen überbrückenden Lesestoff zu sichern.

Später, dem Lateinamerikafreund brauche ich an dieser Stelle nicht zu sagen, dass es nicht bei den zwei Stunden bleiben sollte, finde ich mich nach Abfertigung und diversen Methoden des Zeittotschlagens in der Wartehalle wieder. Gut gefüllt mit vielen dunklen Gesichtern. Drei haben ihre Gitarren ausgepackt und spielen gemeinsam ein paar Lieder. Leise höre ich Gesang und einige wenige Passagiere summen dazu. Na, das lässt doch hoffen auf ein lustiges Fest an Board der 737. Und später kommt ja auch noch Wein.

Leider, ich muss es an dieser Stelle vorweg nehmen, überträgt sich nichts von dem viel versprechendem Beginn der Wartehalle in den Flieger. Als ich schließlich meinen Sitzplatz erreiche, bin ich zwar umgeben von Chilenos, Peruanos, Brasileros und Argentinos, aber kein weiterer Gesang, kein einziger auch nur klitzekleiner Weihnachtsschmuck an Board und anscheinend Lachverbot, so finster schauen die meisten aus ihren Sitzen drein. Bleibt also nur der Wein, dem ich mich hingebungsvoll widme. Immerhin ist mein brasilianischer Sitznachbar João ein lustiger Geselle. Jung, studiert im Ausland und freut sich auf seine Familie in Rio de Janeiro. Und, auch das erfüllt mich mit Genugtuung, er erweist sich als freundlicher Mit-Trink-Kumpane. Da liegt es gewissermaßen auf der Hand, dass der Wein alsbald Gin und Rum zu weichen hat - ein wenig zum Missfallen der überaus bezauberten Stewardess. Aber allen kann man es schließlich auch am Weihnachtsabend nicht recht machen. Für unseren Vorschlag, doch gleich die jeweiligen Flaschen bei uns zu lassen - im Falle, dass wir sie nicht schaffen würden, hätten wir sie natürlich brav zurückgebracht - ernten wir ein müdes Lächeln und ein no se puede. Nun ja, so musste sie halt ein wenig hin und her rennen. Gesungen haben wir aber trotz der flüssigen Leckereien nicht. Geschlafen aber umso besser.

Nach Ankunft in Santiago, erfolgreicher Passkontrolle und den ersten Schritten auf chilenischem Boden bietet sich dem Betrachter zumindest ein, wenn auch winziges, geschmücktes Bäumchen im Ausgangsbereich, sofern der aufmerksame Blick ihn zwischen all den aufdringlichen Taxistas auszumachen vermag. Doch noch ist alles möglich; da ich die Datumsgrenze überflogen habe, ist immer noch der 24. Dezember.

Da sich meine deutsch-chilenischen Kontakte ganz unerwartet als eher müde Gesellen entpuppen, mache ich mich auf in die Innenstadt. Mit dem Bus versteht sich, denn Zeit besitze ich ja noch genug. Diego, ein Uruguayo aus Montevideo, den ich zufällig in einer Cafetería treffe, gibt mir den Tipp für ein nettes Hostal unweit des Zentrums an der Plaza Brasil. Er selbst wohne auch da und frei habe er obendrein, und grinsend merkt er an: "Also können wir schon eine Flasche Wein trinken."

Die Modalitäten für das Einchecken sind schnell erledigt und ein Gang zum Supermercado gibt mir schließlich wieder das Gefühl auf lateinamerikanischem Boden zu sein. Es gibt meine geliebten Empanadas, jede Menge gutes Fleisch, allerlei Süßigkeiten und natürlich ein gut sortiertes Weinregal und ja, auch den kitschigen Weihnachtskram, den niemand braucht. Nach einer ausgiebigen Unterhaltung mit einer chilenischen Familie probiere ich zwei ihrer Recomendaciones und anschließend noch zwei Flaschen nach meinem Geschmack. Weihnachten, ich komme.

Nun habe ich auch endlich Gelegenheit, mir das Hostal genauer anzuschauen. Ein Altbau, drei bis vier Meter hohe Decken, mit Stuck verziert und in herrlich bunten Farben.

santiago de chile


Ich bin hin und weg. In der Küche laufen unterdessen die Vorbereitungen für das abendliche Mahl auf Hochtouren. Cebiche steht auf dem Menue und sollte jemand dieses Sushi á la Peru nicht gutheißen, der kann auch pavita und carne a la brasa bekommen. Salat und Pommes gibt es dazu in rauen Mengen. Die Zeit bis zum Mahl überbrücken wir mit einer Flasche Merlot und nach drei Stunden ausgiebigen Essens mit Nachtisch, Trinken, Lachen und Flirten wird endlich auch das fünfzehnte Remix von Feliz Navidad ausgemacht und die erste Gitarre ausgepackt. Es gibt sie also doch noch, die berühmte fiesta latina, und als die ersten bekannten Töne aus den Saiten sprudeln, beginnen die Hüften zu kreisen. Dazu werden Löffel und Tisch zum Rhythmusinstrument umfunktioniert und sogar ein, zwei steife Europäer lassen sich von der Atmosphäre inspirieren.

Es sollte eine lange, lustige, lebendige Nacht werden. Weniger weihnachtlich im traditionellen, aber dafür umso wertvoller im übertragenen Sinne. Und auch wenn es niemand im Hostal an der Plaza Brasil so empfunden haben wird, es wurde tatsächlich ein Fest der Liebe und Harmonie. Irgendwie. Aber genau darum geht es ja beim Feiern im Latinoland! Nur im Flugzeug, da wollte dies alles noch nicht so klappen. Wahrscheinlich wussten da die Gäste schon, dass sie sich ihre Energie besser für später aufheben. Eine, wie ich meine, recht weise Entscheidung.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: chile]





[art_3] Nicaragua macht sich hübsch für die Feiertage
 
Der Dezember ist in Nicaragua ein Monat des Feierns. Die religiösen Bräuche zum Jahresende ermöglichen es Besuchern, tief in die Kultur des mittelamerikanischen Landes einzutauchen.

Mit "La Purísima", Maria Empfängnis, Anfang Dezember wird in Nicaragua im ganzen Land die Weihnachtszeit eingeläutet. Höhepunkt ist "La Gritería", eine farbenfrohe und fröhliche Feier am 7. Dezember. Dieser Brauch hat seine Wurzeln in der Kolonialzeit und verbindet das missionarische Streben der katholischen Spanier mit den mystischen Traditionen der ursprünglichen Bewohner Nicaraguas. Zu La Purísima ist es Tradition, die Fassaden der Häuser zu Ehren der Jungfrau Maria mit prächtigen Altaren zu schmücken und Freunde und Verwandte dazu einzuladen, diese zu bewundern und gemeinsam zu beten.

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Um 18.00 am 7. Dezember ist es endlich so weit: Die Stunde der lang ersehnten "La Gritería" ist gekommen. Überall im Land strömen die Menschen auf die Strasse, zünden Feuerwerke und marschieren zu Volksweisen durch die Straßen ihrer Stadt. Regelmässig ertönt aus der Prozessinon der Ausruf "Quien causa tanta alegria?" (Wer erzeugt eine solche Freude?") auf den die in den Häusern verbliebenen Menschen antworten "La Concepcion de Maria!" (Marias Empfängnis!) und anschließend Süßigkeiten unter der Menge auf der Straße verteilen.

In León oder Granada ist La Griteria ein ganz besonderes Erlebnis. León gilt als Geburtsort dieses Brauches, Herzstück der Prozession ist hier "La Gigantona", die Riesin, eine riesige Frauenfigur die man im Takt der Musik tanzen lässt. Auch Granada ist bekannt für die besondere Energie und Leidenschaft, mit der La Griteria begangen wird. Auch am 8. Dezember finden landesweite Prozessionen mit spektakulären Feuerwerken zu Ehren der Jungfrau Maria statt.

Wer den Dezember in Nicaragua verbringt, wird Zeuge zahlreicher weiterer religiöser Bräuche und kann im ganzen Land die liebevoll gestalteten Krippen bestaunen – auf der Straße, in Geschäften, öffentlichen Gebäuden und privaten Häusern.

Wie auch hierzulande bildet der 24. Dezember den Höhepunkt der Feierlichkeiten. In Nicaragua dreht sich zu Weihnachten alles um zwei Figuren: den Weihnachtsmann, "Santa" und das Baby Jesus. Weihnachten wird mit der Familie bei einem großen Abendessen verbracht, kleine Kinder müssen früh zu Bett, damit der Weihnachtsmann in Ruhe seine Geschenke ausliefern kann. Zu Mitternacht werden sie geweckt, um die Präsente auszupacken. Überall ertönen dann Knallfrösche, das Zeichen einer fröhlichen Feier. Am ersten Feiertag werden den ganzen Tag Häppchen serviert, um bis Mitternacht durchzuhalten, denn erst dann kommt das große Weihnachtsessen auf den Tisch.

Zu Neujahr schließlich ist es Brauch, das alte Jahr zu verbrennen. Dafür werden Puppen aus Stoffen und Pappe gebastelt und mit Böllern gefüllt, zu Mitternacht werden diese angezündet und das alte Jahr wird so mit einem großen Knall verabschiedet.

Weitere Informationen unter http://www.visitanicaragua.com

Text + Fotos: www.visitanicaragua.com

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: nicaragua]





[art_4] Brasilien: Warme Weihnacht

Weihnachtszeit! Der Schnee legt sich gnädig und erhaben über die Landschaft, weiß und weich, dämpft dabei jedes Geräusch und knirscht bei jedem Schritt wohlig unter den Füßen. In den Tannen leuchten bunte Lichter wie herabgefallene Sternchen, und ach, sie spiegeln sich in den glänzenden Augen der Kinder. In ihren kleinen Unterschlupfen räkeln sich die Eisbären und winken. Weihnachtszeit! In den Herzen der Menschen eine Wärme wie stete Kerzen in Butzenfenstern, die dem Wanderer draußen in der Kälte den Weg in die Stube weisen. Und auf einem Thron auf einem verschneiten Hügel vor mir - der Weihnachtsmann!

Und der gute, arme Weihnachtsmann - er schwitzt wie hulle unter seiner fellgefütterten Zipfelmütze und seinem weißen Rauschebart. Und wer ist die Weihnachtsfrau in dem kurzen, äh, Weihnachtsrock an seiner Seite?

Was ist aus dem alten Ruprecht geworden? Merkwürdig. Und diese Eisbären - wenn ich dadrüber nachdenke, kann ich mich nicht erinnern, dass sie zum klassischen Weihnachtsszenario gehören. Wohnt der Weihnachtsmann nicht bekanntermaßen am Nordpol? Und gab es da nicht irgendeine Geschichte, von wegen Eisbären nur im tiefen Süden? Oder waren das Pinguine? Jedenfalls, ihr Räkeln und Winken - ich kann mir nicht helfen, es wirkt mechanisch. Und die Stimme in den Lautsprechern - warum unterbricht sie gerade in diesem Moment ihr getragenes Ave Maria, um "Fünfzehn bitte Zwölf" zu sagen, mit einem Mal so sachlich, so ohne jedes Gefühl?

Schließlich, desillusioniert, hör auf zu träumen, Träumer, trete ich hinaus aus der fast völlig authentischen Weihnachts-Wunderwelt des Einkaufszentrums, und die Hitze umschließt mich mit ihrer geballten Faust aus warmer, feuchter Watte. Das Licht ist viel zu grell. Auch hier sind die Bäume mit bunten Lämpchen geschmückt. Aber die Bäume sind Palmen, Bäume ohne jedwede Nadel.

In meiner Hand trage ich eine Einkaufstüte mit einem beträchtlichen Truthahn. Eine Gans habe ich nicht gefunden. Einen ordentlichen Weihnachtsbaum auch nicht. Also basteln wir uns einen aus einem Besenstiel, grüner Wolle und ein paar Sternen aus Goldfolie. Hübsch sieht er aus.

Wenigstens in einer Hinsicht verhalten sich die Tropen, wie man es an Weihnachten von seiner Umgebung erwarten würde: Sie dunkeln früh. Also können wir ganz traditionell am Heiligabend mit unserer kleinen Exil-Ersatzfamilie bei Kerzenschein um den Tisch sitzen und einen köstlichen Truthahn verspeisen, gefüllt mit Pflaumen, Nüssen und Äpfeln. Gut, es ist ein besonders warmer, schwüler Abend, und deswegen tragen wir dabei vorwiegend nichts weiter als unsere Unterwäsche und/oder Bademode. Zur Freude unserer Nachbarn, die in unregelmäßigen Abständen an den geöffneten Fensterläden unserer Parterre-Wohnung vorbeidefilieren und uns im Plauderton fragen, was wir denn da gerade so treiben. Denn offenbar ist unser Timing falsch oder zumindest kulturell unsensibel. Der Brasilianer bekommt seine Geschenke erst am ersten Weihnachtstag. Aber aus Gründen der Anpassung einen Tag länger auf unsere Geschenke warten? Niemals.

Und am Ende, nach der Bescherung, fühlt es sich dann auch gar nicht mehr so fremd an. Wir freuen uns über unsere Geschenke und über die gute Gesellschaft. Wir denken an unsere Familien in der Ferne und sind uns ziemlich sicher, dass sie uns beneiden.

Gleichzeitig versuchen wir uns mit Beschreibungen unseres Völlegefühls und Überfressenheitsgrades zu übertreffen. Weil wir inzwischen auf dem Boden zwischen ausgepackten Päckchen verteilt sitzen, können uns die Nachbarn auch nicht mehr so gut durchs offene Fenster anstarren. Und morgen, entscheiden wir voll diebischer Freude ob der Absurdität einer solchen Aktivität am ersten Weihnachtstag für den durchschnittlichen Westeuropäer, morgen gehen wir an den Strand und trinken viel Caipirinha.

Text: Nico Czaja
Fotos: Katrin Sperling / Nico Czaja

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: brasilien]





[kol_1] Pancho: Tropische Weihnachtssuppe
 
Wir sind auf der Suche nach einer Vorspeise fürs Weihnachtsmenü, die zum einen im kalten deutschen Winter erwärmen soll und gehaltvoll, aber nicht zu schwer sein darf, vitaminreich und außergewöhnlich? Alle diese Eigenschaften erfüllt unser cremiges Süppchen und ist zudem noch von heiterer, lebensbejahender Farbe: mit optimistisch leuchtendem Orangerot erhellt sie so manch trüben Wintertag und jedem, der diese überraschende Köstlichkeit in sich hinein löffelt, wird es warm ums Herz und im Magen. Außerdem ist es eine willkommene Alternative zur obligatorischen Kürbissuppe - dabei sieht sie ihr farblich sehr ähnlich!

Holen wir uns also die Tropen in unsere deutsche Weihnachtsküche und fabrizieren zur Überraschung unserer Gäste eine Papaya- (Fisch-) suppe.



Zutaten:
Ein paar Eßlöffel Olivenöl (oder Sonnenblumenöl), 1 mittelgroße Zwiebel, 1 oder 2 Knoblauchzehen, evtl. 1 rote Paprika, 1 Riesenpapaya oder 3  - 4 normale Papayas (reif!), 1 Glas fruchtiger Weißwein, 1 Becher Sahne, Gewürze: Salz, Pfeffer, Paprikagewürz, Chili (als Pulver oder noch besser richtige rote Chilischoten winzig klein geschnibbelt), Kardamonpulver oder Ingwer (letzteres mag ich persönlich nicht), Basilikum, evtl. noch Majoran oder Dill. Zusätzlich bei Bedarf für die Luxusvariante einer Papayafischsuppe noch Filetstücke von weißem Fisch (z.B. Kabeljau)

So wird sie gemacht:
Zuallererst ist wichtig, dass die Papayas reif sind, die Schale sollte also nicht mehr grün sein und sie sollten sich weich anfühlen; mit steinharten Exemplaren ist diese Suppe nicht zu machen. Wir beginnen - wie eigentlich immer - damit, Zwiebel und Knoblauch im Olivenöl zu dünsten, geben alsbald einen Schuss Weißwein hinzu, damit sie nicht braun werden. Die Papayas schälen, entkernen und würfeln wir und schneiden die Paprika ebenfalls in kleine Stücke.

Bei mittlerer Hitze braten wir sie unter Umrühren an, geben einen Schuss Wasser und den Wein (1 Glas, es dürfen auch 2 sein) dazu und lassen das Ganze dann bei niedriger Hitze (es darf auf keinen Fall etwas anbrennen!) langsam weiter köcheln (je nach Gesamtmenge dauert es ca. 20 - 35 Minuten).

Nach und nach fügen wir alle Gewürze und Kräuter hinzu. Zum Schluß, wenn die Papayastücke sich schon halbwegs in Brei aufgelöst haben, am besten alles gründlich mit dem Pürierstab bearbeiten, damit die Suppe schön cremig und gleichmäßig wird. Anschließend noch die Sahne unterrühren.

Für die Luxusvariante die Fischfilets mit den üblichen Gewürzen (Salz, Pfeffer, Knoblauch, Dill usw.) langsam braten, dann etwas abkühlen lassen. Wenn sie gar sind und auseinander fallen, gründlich auf mögliche Gräten untersuchen (am besten in einem groben Sieb). Sobald garantiert grätenfrei, die Fischstücke ohne schlechtes Gewissen richtig zermatschen und in die Suppe rühren und pürieren. Auch bei dieser Variante kommt die Sahne erst ganz zum Schluss NACH dem Pürieren hinzu. FERTIG!



Übrigens passt Papaya in jeder Form gut zu Fisch, auch als kalter Salat oder warme Beigabe zusammen mit Backofen-Fisch. Frohes Fest!

Text + Fotos: Berthold Volberg





[kol_2] Grenzfall: Sandy Klaus und der venezolanische Weihnachtsschwindler
Märchen wider die Businesskasperei zur Festlichkeit

Seit Tagen schon war Sandy Klaus, die Schwester von Mandy Klaus, übler Laune. Wie jedes Jahr um diese Zeit stand ihr großer Arbeitstag bevor. Wie jedes Jahr sollte sie die Details ihres Einsatzes erst bei Abfahrt erfahren.

Der Morgen fing schon beschissen an, ein echter Klassiker, eingeseift im ungeheizten Bad, die Gasflasche leer, Tod durch Erfrieren nahe - Fluchen auf unterstem Niveau aus vollem Hals. Ein Schneeschauer tobte, Hölle, und ihr Erzfeind, Knecht Quäl das Kind mit widerwärtigen, zum Erbrechen reingeknüppelten Gedichten Ruprecht, hatte sich das letzte Quarkbällchen geschnappt.

Doch dann mit Pauken und Trompeten kehrte das Himmelreich auf Erden zurück: Die erst für den Nachmittag erwartete Mitteilung entfaltete ihren Glanz auf dem Bildschirm: Venezuela – drei Schwestern zwischen zwei und sechs Jahre alt. Sandy war auf einen Schlag besser gelaunt und informierte Mandy: "Sie haben mein Flehen erhört, ich darf ins Warme." Ein Urlaub am Strand würde sich anschließen lassen – dachte sie.

Der venezolanische Weihnachtsschwindler

Sie ergriff den gefüllten Sack, der mittlerweile vor ihrer Tür abgestellt worden war und düste los. Pünktlich zum Singen, wenn auch keinem allzu festlichen, wie es zunächst schien, traf sie in ihrem Bestimmungsort in den Anden Venezuelas ein: Die drei Gören hatten sich vor dem Haus in einen Jeep eingeschlossen, die Anlage bis zum Anschlag aufgedreht und grölten mit MIA, der Stimme vom Band, auf den Sitzen herumtollend: Ein hungriges Herz durchfährt ein bittersüßer Schmerz – sag mir wie weit, wie weit, wie weit willst du geeeeehn...

Sandy Klaus stahl sich um den Wagen herum, aber um überhaupt bemerkt zu werden, hätte sie schon mächtig in die Animationskiste greifen müssen, und klingelte. Ihr wurde geöffnet und "Kinder draußen bleiben" entgegengerufen. Dann erst wurde sie wahrgenommen. Doch statt eines herzhaften Empfangs, begann ihr gegenüber zu lachen, drehte sich um und rief: "Bruder, dass musst du dir ansehen und bring die Kamera mit. Jetzt schickt uns Chávez schon die Nikolausis ins Haus."
"Gestatten Sandy Klaus", versuchte sich Sandy Gehör zu verschaffen, was aber unterging, weil der Bruder um die Ecke bog:
"Wieso steht da nirgends revolución navideña, Weihnachtsrevolution, auf der roten Kutte? Ach, die will bestimmt die Glühbirnen auswechseln. Hab ich drüber gelesen."
Und an Sandy gewandt: "Du kommst doch von der Energierevolution, oder?"
"Quatsch hermano, die waren vor Monaten hier", antwortet der andere Bruder und zugleich Papi, und Sandys Artikulationsversuche verloren sich erneut im weihnachtlichen, aber zumindest wohltemperierten Abendhimmel.
In diesem Moment verstummte MIA und die Jeeptür ging auf: "Papaaa, wir wollen endlich Geschenke!"
"Ich weiß, Kinder. Wir sind bald soweit. – Bruder, hol noch zwei Bären-Bier aus dem Kühlschrank. – Wisst ihr was! Jetzt schnappt ihr euch den Sack von dem Nikiverschnitt hier und dann sind wir auch schon gleich fertig mit Baumschmücken."
"Papi, das ist langweilig. Wir wollen Geschenke..."
Nun endlich sah Sandy ihren großen Auftritt nahen: "Ich bin extra von weit her gekommen, um euch Dreien Geschenke zu bringen."
Da verstummte erst die Älteste, dann die Mittlere und endlich auch die Kleinste, nachdem ihr die Mittlere von hinten eins mit der flachen Hand über den Kopf gezogen hatte. Nun flüsterte die Älteste der Mittleren ins Ohr: "Sag der Frau, sie soll endlich verteilen."
Dann flüsterte die Mittlere der Kleinsten ins Ohr: "Díle a la señora: ¡Queremos Geschenke!"
"¡Queremos Geschenke!" Und gleich noch einmal etwas lauter: "¡Queremos Gescheeenke!", schrie sogleich die Jüngste.
Sandy Klaus war in ihrem Element und verteilte, was der Sack hergab. Eine Puppe für die Älteste, ein Puzzle für die Mittlere und einen Teddy für die Kleinste. Sie wollte nur noch schnell in die erfreuten Gesichter der Kiddys blicken, wenn diese ihre Geschenke ausgepackt hätten und dann an die Playa weiterdüsen. Doch während die Älteste, die als erste ihr Geschenk vom Papier befreit hatte, nur entgegnete: "Ne Puppe? Toll! Ist doch kein Kindergeburtstag", pfefferte die Mittlere ihr Puzzle einfach in Richtung Auto, begleitet von dem Wort: "¡Feo!"

Sandy war entsetzt. Sie blieb wie angewurzelt stehen und schaute nun auf die Kleinste. Doch die Älteste ergriff die Initiative und flüsterte der Mittleren ins Ohr: "Sag der señora, wir wollen mehr Geschenke."
Die Mittlere trat daraufhin an das Ohr der Kleinsten heran und flüsterte: "Sag, mehr Geschenke."
Und die Kleinste tat wie ihr aufgetragen: "¡Más! Más Gescheeeenke."

Oh große, schwere Not, der Sack war doch schon leer. Sandy griff in ihre Tasche und erwischte glücklicherweise ein paar neue Bolívares, die ab Januar die Währung des alten Bolívares im Verhältnis 1:1000 ablösen sollten und händigte sie an die Rasselbande aus, die sich daraufhin zu freuen und zu tanzen begann und Sandy an den Händen ins Haus zog, um mit ihnen heute Abend zu feiern. Während die Kinder in dem Schrank ihrer Mutter nach neuen Klamotten wühlten, weil ihnen der Aufzug Sandys äußerst albern erschien, ereilte Sandy die Nachricht von Mandy, dass sie einem Computervirus, dem gemeinen venezolanischen Weihnachtsschwindler, auf den Leim gegangen war, der dieses Jahr alle zu verteilenden Geschenke nach Venezuela transferiert hatte.

Egal, dachte Sandy, schaltete das Handy ab und sagte dem Bruder, er solle weitere Bären aus dem Kühlschrank holen. Immerhin schien es ihr erstes Weihnachten zu werden, das dem wahrhaften Leben nahe und fern zugleich Glanz und Gloria über ihren monotonen Businesskasperalltag bringen können würde.

Text + Fotos: Dirk Klaiber

[druckversion ed 12/2007] / [druckversion artikel] / [archiv: venezuela]





[kol_3] Amor: Das Weihnachten, das Sie immer haben wollten...
 
"Ist das nicht ein bisschen heiß mit der Weihnachtsmütze auf dem Kopf?" Die Kassiererin lächelt gequält: "Ich schmelze. Aber ich darf das Ding nicht abnehmen." Draußen brennt die Sonne. Die Schlagzeilen des nächsten Tages werden den heißesten Tag des Jahres vermelden – 41,4 Grad Celsius. Und das wenige Tage vor Weihnachten, wo es in den Werbespots doch so kräftig schneit.

"Das Weihnachten, das Sie immer haben wollten – Sie kaufen jetzt, und zahlen die erste Rate im Februar!" In einigen Supermärkten kann man den Weihnachts-Truthahn in drei Raten kaufen, so angespannt ist die Kassenlage bei vielen brasilianischen Verkäufern und Käufern. Selbst für den, der einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst hat, kann es beim Geschenkekauf eng werden.

Die Behörden haben kein Geld, das 13. Monatsgehalt entfällt. Solche Probleme plagen die blond gefärbten Damen auf dem Sofa in den Talkshows nicht: "Schon wieder Weihnachten – dabei war der Weihnachtsmann doch gerade erst da. Wie die Zeit vergeht! Ja, und Weihnachten ist so ein Stress geworden, die ganzen Geschenke, die man kaufen muss..."

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen man die Baumkronen mit bunten Lichtern schmückt, drapiert man hier die Lichterketten möglichst weit unten. Ob dies einen tieferen Sinn hat oder die Leute einfach keine Leitern haben, konnte mir niemand erläutern. Dafür steht inmitten der Lagune Rodrigo de Freitas in Rio de Janeiro einer der höchsten Weihnachtsbäume der Welt. Ein künstlicher, natürlich, denn woher sollte man einen Tannenbaum von 85 Metern Höhe nehmen? Er kann unglaublich viele verschiedene Lichtfiguren erzeugen und tut dies auch unerlässlich, während blaue Laserbündel um ihn herum kreisen. Angeblich ist er mit so vielen Lampen behangen, dass man 15.000 normale Weihnachtsbäume damit zum glühen bringen könnte.



Ganz in der Nähe, auf der kleinen Insel Ilha Caiçaras in der Lagune, nur wenige Meter vom Ufer entfernt, steigt eine Weihnachtsparty. Die geladenen Gäste werden mit einem mit Lämpchen ausstaffierten Boot hin und her transportiert. "Nur für geladene Gäste!", verkünden die Wachmänner am Steg. "Das ist ein Privatclub!"

Wer weniger Geld hat, feiert zu Hause. Im Fernsehen jagt ein Weihnachtsmann den nächsten. "Kaufe ein Vivo-Handy und spreche mit drei Personen, die auch ein Vivo-Handy besitzen, für 0,07 Reais die Minute, zu jeder Zeit, ein Jahr lang." Nun, selbst wenn ich drei Personen kennen würde, die so ein Handy besitzen, über was sollte ich mich ein Jahr lang und dazu mit allen dreien gleichzeitig austauschen? Und wird das nicht auch ein bisschen teuer, 365 Tage x 24 Stunden x 60 Minuten x 0,07 Reias?

Und dann sind da noch die Shopping-Center, eine Art Walt-Disney-Weihnachtswelt. Überall blinkt und blitzt es. Kleine Kinder reißen sich darum, mit dem vor Hitze kollabierenden und von Klimaanlage halb erfrorenen Weihnachtsmann fotografiert zu werden. In einer kleinen Verschnaufpause frage ich ihn höflich: "Kann ich ein Foto von Ihnen machen?"

Da springt auch schon ein Wachmann des Hauses auf mich zu. "Want me to make a picture, friend?" O ja, ein Weihnachtsmann Brasiliens mit mir auf einem Bild. Der Wachmann hebt die Kamera und drückt den Auslöser, Sekunden nachdem mein Objekt der Begierde den Weg zum Klo angetreten hat.

Ich liebe brasilianische Weihnacht!

Text + Fotos: Thomas Milz

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: amor]






[kol_4] Lauschrausch: Klingende Weihnachten
Klazz Brothers - Luis Frank Arias - Guillermo Rubalcaba - Inti Illimani Histórico
 
Als vor elf Jahren drei deutsche, klassisch geschulte Musiker (Klazz Brothers) nach Kuba reisten, um dort Konzerte zu geben, spielten sie auch einige Jamsessions mit Kubanern und stellten fest, wie gut sie miteinander harmonierten. Aus der Zusammenarbeit mit Alexis Herrera Estevez und Elio Rodriguez Luis entstand 2003 das Album "Classic meets Cuba", das einen "Echo" erhielt und für den Grammy nominiert wurde.

Klazz Brothers & Cuba Percussion
Classic meets Cuba II
Sony Music

Nun haben die Kla(ssik) und (Ja)zz Brothers nachgelegt und Teil 2 eingespielt. "Aus der einzigartigen Verbindung von klassischer europäischer Musiktradition mit Elementen des Swing und Latin Jazz und der nahezu unendlichen Vielfalt kubanischer Rhythmen hat das Quintett ein völlig neues Klangbild kreiert", heißt es im Begleitzettel und das stimmt. Allerdings funktioniert es mal mehr mal weniger gut. Während die kubanischen Rhythmen mit Vivaldis "Sommer" oder Bachs "Menuett" sehr gut harmonieren, wird das bei der 9. Symphonie, die zum Mambo mutiert, schon schwieriger, und geht z.B. bei der "Overtüre 1812" von Tschaikowsky gar nicht auf, wo der Gesang und das Klatschen simpel, blöd und kitschig klingen. Schade ist auch, dass aus kommerziellen Gründen nur populäre Kompositionen ihren Weg auf dieses Album gefunden haben. Aber zum Fest passt dieses Album gut, da es Abwechslung ins Repertoire bringt.


Ganz auf Weihnachten zugeschnitten (inkl. einer spanischen Vokalversion von "Stille Nacht, heilige Nacht") ist das Album von Luis Frank Arias (siehe Interview caiman 08/ 2013) und dem Pianisten Guillermo Rubalcaba. Sie gestalteten es im Stil eines Liederabends und wählten dazu einige kubanische Klassiker aus ("Veinte años", "El manisero"…), aber auch Hits wie "As time goes by" und die spanische Version von "Autumn leaves" (instrumental).

Luis Frank Arias / Guillermo Rubalcaba
Noches cubanas en el Café del Mar
Connector Rec./ Termidor

Ich bin kein Fan von Liederabend-Musik, aber die musikalische Qualität dieser beiden Solisten ist unzweifelhaft groß und die Interpretationen müssen sich nicht hinter den Originalen verstecken. Auch hier gilt, dass mit diesem Album Abwechslung ins heimische Weihnachtsrepertoire kommt.


Das Label Putumayo kümmert sich schon früh um seine Kundschaft und hat deshalb die wunderbaren Reihen "Playground" und "Dreamland” für Kinder aufgelegt. "Latin Dreamland" enthält 10 Lieder, darunter Wiegenlieder aus Mexiko und Brasilien, instrumentale und vokale Schlaflieder aus Argentinien, Peru oder Kolumbien (allerdings mit dem mexikanische Lied "Cielito lindo").

Diverse
Latin Dreamland
Putumayo

Dabei schlafen alle Kinder ein... und hoffentlich nicht zu früh, damit sie alle schönen Lieder hören können.


Im September 2013 jährte sich zum 40. Mal der Militärputsch in Chile, der einschneidende Folgen für das Land und seine Menschen hatte. Das wird einem auch bewusst, wenn man die Begleittexte in dem CD-Buch "Vivir en libertad" liest, in denen es um die Geschichte der Gruppe Inti Illimani geht, aber auch um chilenische Exilanten und ihre Kinder in der BRD und der DDR, begleitet von einigen Fotos. Inti Illimani nennen ihr 16jähriges Exil in Italien – sie befanden sich während des Putsches 1973 gerade auf Europatournee – die "längste Tournee aller Zeiten". Das Exil schweißte die Gruppe zusammen und ließ sie zu einer der wichtigsten Stimmen des politisch fortschrittlichen Lateinamerikas werden, gerichtet gegen Militärdiktaturen, soziales Elend und andere gesellschaftliche Mißstände, die in ihren Texten angesprochen werden.

Auch musikalisch gehörte die Gruppe zu den "Revolutionären", verband sie doch chilenische / lateinamerikanische Folkloremusik und ihre Instrumente mit modernen Stilen wie Jazz oder Rock. 1989 kehrte sie nach Chile zurück.

Inti Illimani Histórico
Vivir en libertad
Heupferd Musik Verlag

Auf den beiden CDs finden sich wunderbare Lieder aus allen Epochen der Gruppe, eines auch mit italienischem Text, was ihrer Exilheimat geschuldet ist. Eingespielt wurden die Titel im Jahr 2006 (CD I) und 2008 (CD II, live) von Inti Illimani Histórico, seit dem Jahr 2004 bestehend aus drei alten Mitgliedern und drei neuen, jungen Musikern, die sich nach einem Urheberrechtsstreit um den Gruppennamen und einem Vergleich von anderen alten Mitgliedern (mit neuen Mitmusikern) abgrenzen mussten, die sich weiterhin Inti Illimani nennen. Die Musik aber bleibt unverändert (schön), darunter auch Kompositionen von Victor Jara und Patricio Manns, und die meisten Themen sind heute so aktuell wie damals (Armut, Ungerechtigkeit etc.). Standesgemäß beendet "El pueblo unido" das Konzert! Nicht nur für historisch Interessierte ein schönes Geschenk!

Text: Torsten Eßer
Cover: amazon

[druckversion ed 12/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: lauschrausch]





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