caiman.de 08/2008
[art_2] Argentinien / Chile: Rally Dakar auf Südamerikanisch
Tagebuch einer Expedition Vom 3 bis 18 Januar 2009 wird die Rally Dakar durch Argentinien und Chile rasen. Mehr als 6.000 Kilometer werden die über 500 Teilnehmer auf ihrem Weg zurücklegen müssen. Nachdem es in den letzten Jahren Sicherheitsprobleme auf der klassischen Paris-Dakar-Route gab, haben sich die Organisatoren entschieden, 2009 nach Südamerika auszuweichen. Hier erwartet die Extrem-Motorsportler eine eindrucksvolle Umgebung, mit traumhaften Passagen durch die Hochanden Chiles und die weiten Ebenen Argentiniens. Der caiman macht sich in diesem Monat schon einmal auf, um sich vor Ort umzuschauen. Zwar ist die exakte Wettkampfstrecke noch geheim, doch unser Plan ist es, der von den Organisatoren angegebenen wahrscheinlichsten Route zu folgen: Buenos Aires - Santa Rosa - Puerto Madryn - Jacobacci - Neuquén - San Rafael - Mendoza - Valparaiso (Chile) - La Serena - Copiapó - Fiambalá (Argentinien) - La Rioja - Córdoba - Buenos Aires. Eigentlich ist der offizielle Start- und Zielort Buenos Aires, doch wir machten uns am 2. August vom brasilianischen São Paulo aus auf den Weg: Samstag, 02. August 2008 Start in Sao Paulo, Brasilien: Mit Verzögerung geht’s es los... Eigentlich wollten wir um 10 Uhr morgens losrollen. Doch die Teilnehmer unserer Expedition, die ich im Laufe der Reise noch näher vorstellen werde, hatten gewisse Probleme, sich von ihren Lebensabschnittsgefährten/-innen zu lösen. Zudem gab es einige Abstimmungsschwierigkeiten darüber, wie das sich auf dem Bürgersteig türmende Gepäck wohl am besten in den zwei Jeeps unterzubringen sei.
Über die BR 116 geht es Richtung Curitiba, das wir nach gut vier Stunden erreichen. Kurz aufgetankt und weiter gehts über die BR 101 nach Florianopolis, dem Ende unserer ersten Tagesetappe Richtung Anden. Nach 711 Kilometern erreichen wir um 21: 45 Uhr das gemütliche Landhaus von Luigi, einem Italiener, der seit Urzeiten hier lebt.
Sonntag, 03. August 2008 Florianopolis, Santa Catarina, Brasilien: Erstmal Formel 1 geguckt, dann an den Strand und zu Mittag Riesenmuscheln gegessen... Gegen 14 Uhr verlassen wir Florianopolis und machen uns auf der BR 101 auf Richtung Süden.
Montag, 04. August 2008 Porto Alegre, Rio Grande do Sul, Brasilien: Um 8 Uhr stehen wir bei der Werksvertretung unseres Auto-Sponsors auf der Matte, um noch einmal alles durchchecken zu lassen. Die heutige Etappe wird die härteste der ganzen Tour werden. Wir haben gut 1200 Kilometer vor uns und um 4 Uhr am Dienstagmorgen geht unsere Fähre von Colonia de Sacramento aus nach Buenos Aires. Von Porto Alegre aus an die Grenze nach Uruguay sind es gut 500 Kilometer; danach erwarten uns noch einmal etwas mehr als 700 Kilometer auf dem Weg hinunter an den Rio de La Plata. Wir müssen los, die Zeit drängt.
Es eilt, denn um 4:30 Uhr geht unsere Fähre vom uruguayischen Hafen Colonia del Sacramento aus nach Buenos Aires (Caiman-Archiv - Der Kampf um den silbernen Fluss). Als wir mit den letzten Sonnenstrahlen gegen 18 Uhr in der brasilianischen Grenzstadt Chui ankommen, müssen wir feststellen, dass es hier keinen Grenzposten der brasilianischen Polizei mehr gibt. "Die haben zwei Monate lang gestreikt, und dann wurde es den Verantwortlichen der Polizei zu bunt und sie haben den Grenzposten einfach geschlossen", berichtet der örtliche Tankwart.
Es beginnt wie aus Kübeln zu schütten und die Temperatur sinkt auf gnadenlose 5 Grad Celsius. Das Einzige, was wir von Uruguay sehen, ist Regen, Dunkelheit, eine einsame Pizzaria in einem Vorort von Montevideo und den Mittelstreifen der Autobahn. Nach 493 Kilometern durch Uruguay sind wir um 3 Uhr morgens am Fährhafen von Colonia del Sacramento angekommen - vollkommen geschafft von der heutigen Mammutstrecke.
Dienstag, 5. August 2008 Wir hauen uns für drei Stunden aufs Ohr, dann kommen wir mit Beginn der Morgendämmerung in Buenos Aires an. Hier erwartet uns ein eisiger Wind, doch nachdem wir uns in einem Cafe in Puerto Madero mit einem halben Dutzend köstlicher Medialunas (Croissants) gestärkt haben, lächelt die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel herab. Bald beträgt die Temperatur erträgliche 14 Grad und wir drehen einige Runden durch die Stadt, die, so ein argentinischer Dichter, dessen Namen ich vergessen habe, die Hauptstadt eines Imperium ist, das niemals existiert hat.
Gegen 14 Uhr verlassen wir Buenos Aires über die Ruta 5 in Richtung Süden unserem Tagesziel Santa Rosa entgegen. Die Straße führt schnurgerade dem Horizont entgegen. Links und rechts ziehen Viehwiesen und Getreidesilos an uns vorüber. Das ewige Überholen von Lastwagen verzögert unser Weiterkommen derart, dass wir uns entschließen, etwa 150 Kilometer vor Santa Rosa Halt zu machen.
Damit haben wir morgen mehr Kilometer vor uns als eigentlich geplant. Denn wir wollen unbedingt bis zur Halbinsel Valdes kommen, um dort am Donnerstag einen kompletten Tag zu verbringen. Mit viel Glück könnten wir Orcas zu Gesicht bekommen - das können wir uns nicht entgehen lassen! Mittwoch, 6. August 2008 Es geht früh los - schließlich haben wir heute gut 1000 Kilometer vor uns.
Ihre Reise quer durch Südamerika wird von zahlreichen Firmen gesponsert, und so klicke ich mit ihrer Kamera unendlich viele Fotos, auf denen sie stolz die Werbebanner ihrer Geldgeber in die Luft halten.
Dessweiteren Roberto, ein italienischer Fotograf und Journalist, zudem ein enger Freund, mit dem ich in den letzten Jahren mehrere Abenteuerreisen erlebt habe - beispielsweise eine Tour durch Minas Gerais auf den Spuren Guimaraes Rosas (Caiman-Archiv - Gott oder der Teufel im Sertão von Minas) und den Besuch eines Goldgräbercamps in Amazonien (Caiman-Archiv - Zwischen Goldrausch und Katerstimmung).
Gereist wird in einem Pajero Sport und einem L200 Pickup, die uns für die Reise von Mitsubishi zur Verfügung gestellt wurden. Beide Autos sind bis oben hin mit Ersatzreifen, Schneeketten, Kameraequipment und persönlichem Krimskrams in übertriebenen Ausmaßen vollgestopft. Zudem hat Alexandre einen motorisierten Paraglider dabei, der zwei Personen tragen und von jedem Punkt aus starten kann. Wir planen, in den Anden einige Flüge zu starten, um unsere Reise aus der Luft zu filmen.
Die Straßen Patagoniens ziehen sich in unendlich langen Geraden durch die karge Landschaft. Kaum einmal sieht man einen Baum in dieser vom Wind gepeitschten Gegend.
Immer wieder sieht man an den Straßenrändern mit roten Tüchern geschmückte Schreine, die einem Nationalhelden Patagoniens gewidmet sind: Gaucho Gil. Er ist so etwas wie die argentinische Ausgabe von Robin Hood. Als Soldat hat er am Tripple-Allianz-Krieg gegen Paraguay gekämpft. Danach zog er mit anderen ehemaligen Soldaten durch Patagonien, wo er den reichen Farmern das Vieh stahl. Die Bande fand bei der armen Bevölkerung Unterschlupf, bis es sie eines Tages dann doch erwischte und man sie aufknüpfte.
Wir brausen weiter Richtung Süden bis wir spät am Abend in Puerto Mardyn ankommen, einem von walisischen Einwanderern gegründeten Hafenstädtchen.
Donnerstag, 7. August Noch vor Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg zur Peninsula Valdes, die gut 80 Kilomter nördlich von Puerto Mardryn liegt. Die 3600 Quadratkilometer große Halbinsel mit ihren 400 Kilometern Küste ist die Heimat zahlreicher außergewöhnlicher Meerestiere, was ihr den UNESCO WORLD HERITAGE Status eingebracht hat.
Am Strand von Puerto Piramides sehen wir einen als Southern Right Whale bekannten Wal. Eigentlich befinden sie sich zu dieser Jahreszeit zur Paarung in Südbrasilien (Caiman-Archiv - Kapitän David und die Walfänger).
Die Halbinsel Valdes ist auch die Heimat der Magellanpinguine. Zu Hunderttausenden bevölkern sie die Strände der Insel. Unendlich viele Erdlöcher entlang der Küste zeugen davon. Allerdings sind die Pinguine gerade nicht vor Ort. Viele von ihnen haben sich in wärmere Gewässer aufgemacht, Richtung Brasilien (Caiman-Archiv - Besuch aus Patagonien).
Und so schlummern sie unbekümmert oder jagen wild durch die Wellen. Ihnen scheint die schneidende Kälte nicht viel auszumachen. Genauso wenig wie den Orcas, die vor der Küste auf der Suche nach Nahrung kreuzen.
Im Gegensatz zu den Tieren trifft uns die Kälte empfindlich. Vermummt wie Beduine im Sandsturm versuchen wir uns vor dem Wind und dem umherfliegenden Sand zu schützen. Alexandre bekommt eine volle Ladung ins Gesicht, was am nächsten Tag zu dick geschwollenen Augen führen wird.
Weiter geht es zu den Sanddünen von Valdes - eine willkommene Abwechslung in der ansonsten vollkommen kargen Landschaft. So reich und abwechslungsreich das Leben im Meer auch zu sein scheint - auf dem Land ist es triste.
Nachdem wir 360 Kilometer kreuz und quer über die Halbinsel gefahren sind, beschließen wir, in Puerto Piramides zu übernachten.
Freitag, 8. August 2008 Heute werden wir Argentinien in der Mitte teilen, von der Küste bis zum Rand der Anden. Noch vor Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg. Zuerst einmal von der Peninsula Valdes hinunter Richtung Puerto Madryn, wo wir noch einige Kleinigkeiten zu erledigen haben. Trotz blauen Himmels ist es bitterkalt und der Seitenwind macht den Fahrern schwer zu schaffen. Als wir die Scheibenwaschanlage betätigen, gefriert die Flüssigkeit.
Gegen 11 Uhr kommen wir los und fahren erst einmal südlich nach Trelow. Die Stadt wurde, genau wie Puerto Mardyn, von walisischen Einwanderern im 19. Jahrhundert gegründet.
Die Landschaft wird immer spektakulärer und erinnert oft an den Süden und Südwesten der USA. In langen Kurven schlängelt sich die Straße an rot-braun-ocker-farbenen Hügeln entlang.
Wir nähern uns stetig den ersten Ausläufern der Anden. Am Horizont erscheinen die Gebirgsketten und entlang des Rio Chubut zeichnen sich malerische Täler ab. Pferde, Schafe und Kühe ziehen unbehelligt ihre Bahn.
Zum ersten Mal spüren wir das Kribbeln im Bauch, das die Fahrer der Rally Dakar im Januar erleben werden.
Lange suchen wir nach einer Unterkunft bis wir schließlich einen Pub auftreiben, der in einem Hinterzimmer einige Betten für uns hat. Das Ganze erinnert eher an das Haus der Adams Family als an eine wirkliche Unterkunft. Doch die Müdigkeit siegt und wir schlafen tief und fest, wenn auch für nur wenige Stunden. Samstag, 9. August 2008 Noch vor Sonnenaufgang geht es los Richtung Norden, zum Nationalpark Los Alerces.
Tief im Wald stehen die seltenen Exemplare und wir haben nicht genug Zeit, um uns auf die Suche nach ihnen zu machen.
Die Autos brausen durch tiefe Pfützen und schon bald sind sie grau-braun vor Schneeschlamm. Für uns Fotografen ist die Mischung aus Wolken, Schnee und Wäldern, auf die die hohen Berge tiefe Schatten werfen, tödlich.
Bis gegen Mittag verbleiben wir im Park, dann fahren wir weiter Richtung Norden nach El Bolson, wo wir den örtlichen Kunsthandwerkmarkt besuchen. Das absolute Highlight ist eine Waffel mit Himbeermarmelade, Dulce de Leche (süßer Milch) und Sahne.
Unseren Plan, hier wenigstens einen Kaffee zu trinken, lassen wir fallen und beschließen, über die Ruta 237 weiter Richtung Norden zu fahren.
Zudem gibt es weit und breit keine einzige Tankstelle. Um 22 Uhr müssen wir inmitten eines Regensturms aus unseren Reservetanks nachfüllen. Dabei kommt es zu einer Schrecksekunde - der in Brasilien aufgefüllte Reservetank hat dickflüssigen, fast roten Diesel, während der in Argentinien getankte Diesel leichtflüssig und nahezu transparent ist. Uns kommen Zweifel, ob es sich im ersten Fall wirklich um Diesel handelt. Dabei haben wir bereits einige Liter in den Tank gekippt. Wir beschließen, die Feuerprobe zu machen und gießen etwas von der Flüssigkeit auf den Asphalt. Alle Versuche, die Pfütze in Brand zu setzen, scheitert. Wir sehen dies als Beweis dafür an, dass es sich tatsächlich um Diesel handelt und füllen alles in den Tank.
"Seit drei Tagen regnet es", sagt unser Herbergsvater und dies nachdem der Winter bisher ungewöhnlich trocken war. So, es ist 4 Uhr morgens und ich muss endlich etwas schlafen! 553 Kilometer habe wir heute über meist schlammige Straßen zurückgelegt, von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr haben wir fast die ganze Zeit hinter dem Steuer verbracht. Ich stinke nach Diesel, aber zum Duschen habe ich jetzt keinen Nerv mehr. Reisen dieser Art haben ihren ganz eigenen Charme! Zudem verspreche ich, in Zukunft regelmäßiger das Tagebuch zu pflegen! Gute Nacht! Text + Fotos: Thomas Milz [druckversion ed 08/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: argentinien / chile] |