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[art_2] Brasilien: Rapte-me camaleão! - Caetano Veloso zum 70.
Teil 8: Fina Estampa

It was 25 years ago today! "Tropicália 2", von 1993, feiert den 25. Geburtstag der von Caetano, Gilberto Gil, Tom Zé und den Os Mutantes begründeten Bewegung. Die Platte ist eine Zusammenarbeit von Caetano mit Langzeitpartner und bestem Freund Gilberto Gil und transportiert die revolutionären Entwicklungen der 60er Jahre in die 90er, inklusive Sounds und Ideen modernerer Natur. In diesem Sinne kommt der Rap "Haiti" daher, der über aktuelle Formen des Rassismus im gegenwärtigen Brasilien philosophiert.


"Tradição", ein moderner Samba, handelt vom selben Thema. Auf der Platte ist auch Platz für einen "neuen Klassiker", "Desde que o samba é samba", ein wundervolles Werk, das Ewigkeit atmet. Es könnte ebenso leicht von João Gilberto komponiert worden sein, damals in den 50ern…


Auf Vorschlag seiner Plattenfirma nimmt sich Caetano danach des spanischen Marktes an. "Fina Estampa" aus dem Jahr 1994 bringt die großen "Standards" der spanischen Sprache zusammen. Eigentlich wollte die Plattenfirma Caetano überzeugen, seine eigenen Hits auf Spanisch zu singen. Aber der Meister ist dagegen und nimmt lieber Lieder auf, an die er sich aus seiner Kindheit in Santo Amaro erinnert.

Meister Jaques Morelenbaum dirigiert das Ganze; darunter Tanzbares wie "Rumba azul" oder melancholische Stücke wie das wundervolle "Lamento borincano". Für viele von Caetanos Fans klingt "Fina Estampa" ein wenig "elitista" und zu sehr "sophisticated". Trotzdem feiert die Platte große internationale Erfolge. Im selben Jahr verpackt Caetano deshalb die Platte mit eigenen Stücken zu einer feinen Bühnenshow.


So sind seine Kompositionen "Haiti" und "Itapuã" mit an Bord. Ein Freund hatte ihm zuvor vorgeschlagen, "Cucurrucucu Paloma" auf "Fina Estampa" zu singen, aber Caetano verwarf die Idee. Jetzt bringt er es auf der Bühne und macht damit den spanischen Regisseur Pedro Almodovar auf seine Version aufmerksam. Dieser lädt Caetano ein, das Stück in seinem Film "Hable con ella" zu singen. Das Ergebnis: alle weinen vor Rührung….


Nahezu vier Jahre nach dem letzten Album mit neuen Liedern bringt Caetano 1997 "Livro" heraus. Der für eine Platte seltsame Titel rührt von der gleichzeitigen Veröffentlichung seines Erinnerungsbuches "Verdade Tropical" her, in dem er die Entstehung des "Tropicalismo" beleuchtet. Aber vom Tropicalismo hat die Platte nicht viel mitbekommen. Caetano besucht auf ihr Salvador (in dem Klassiker "Na Baixa do sapateiro") und verbindet seine Heimat Bahia mit seiner Wahlheimat Rio de Janeiro, indem er die für beide Städte typische Percussion schwingen lässt ("Onde o Rio é mais baiano"). An vielen Stellen hört sich die Platte nach Olodum an, der berühmten Trommlergruppe aus Salvador, inklusive der ihnen eigenen Mischung von Percussion mit Bläsergruppen.

Höhepunkt ist "Não enche", der Hit der Platte, und "How beautiful could a being be", eine Komposition seines ältesten Sohnes Moreno. Und besondere Beachtung verdient die Liveversion von "Não enche", die auf der DVD "Prenda minha" zu finden ist, eine Aufnahme der anschließenden Tour "Livro vivo" - spektakulär!


Die Platte "Prenda minha" (1998) bringt die Bühnenshow "Livro vivo", allerdings ohne ein einziges Stück von "Livro". Dank des Megaerfolgs des Telenovela-Stücks "Sozinho", komponiert von Peninha, wird die Platte Caetanos meist verkaufte überhaupt. Auf ihr finden sich tolle Versionen von "Terra", "Eclipse oculto", "Mel" und "A luz de Tieta". Zwischen den Liedern zitiert Caetano Auszüge aus seinem Buch "Verdade Tropical". Weitere Höhepunkte sind das romantische "Prenda minha" auf Spanisch und "Saudosismo", der alte Klassiker aus dem Jahre 1968. Eine Platte für die Ewigkeit!


1999 folgt mit "Ommagio a Federico e Giulietta" eine weitere Live-LP. Das Konzert, das bereits 1997 im italienischen Rimini aufgenommen wurde, ist eine Verbeugung Caetanos vor den Idolen seiner Jugend, dem Filmemacher Federico Fellini und der Schauspielerin Giulietta Masina. Caetano singt Lieder aus Filmen des Meisters sowie eigene, die ihn in jene Zeit zurück transportieren, als er die großen Filmklassiker für sich entdeckte, damals in Santo Amaro: "Trilhos urbanos" und "Cajuina". Es scheint als ob der Nordosten Brasiliens bis nach Italien reichen würde. Aber Caetano gelingt es auf wunderbare Art, diese beiden so unterschiedlichen Welten miteinander zu verbinden. Und dies mit einer meisterlichen Aufführung. Höhepunkte? Schwer zu sagen, das Werk ist in seiner Gesamtheit perfekt.

Nach seinem "spanischen Abenteuer" mit "Fina Estampa" besucht Caetano jetzt also Italien. Danach versucht er sich in englischsprachigen Gefilden wie wir nächsten Monat sehen werden. Bis dann also!

Text + Fotos: Thomas Milz

Hier kommt ihr zu:
Teil 1: Vom Bossa zum Tropicalismo
Teil 2: London, London
Teil 3: Ergrautes Chamäleon, ewig junger Romantiker
Teil 4: Araçá Azul und die Frustrationen eines verwöhnten Jungen
Teil 5: Tudo Jóia?
Teil 6: Outras palavras - auf der Suche nach neuen Worten
Teil 7: Ein Fremder in neuen Zeiten

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