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[art_1] Brasilien: Caetano Veloso zum 70. (Teil 6)
Outras palavras - auf der Suche nach neuen Worten
 
Die 80er Jahre beginnen und Caetano ist auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Mit seinen letzten Alben der 70er Jahre hat er Hit um Hit gelandet. "Outras palavras", LP aus dem Jahre 1981, erweist sich als logische Konsequenz geht und geht weg wie warme Semmeln - auch wenn eigentlich nur zwei erwähnenswerte Lieder drauf sind: "Outras palavras" und "Rapte-me, camaleoã". Der Rest? Ein wenig mit Samba und einem Hauch Frankreich gemischter Pop-Jazz.


"Cores, nomes" aus dem Jahr 1982 macht es da besser. Viel mehr Bahia, viel mehr Afrika ("Um canto de afoxé para o Bloco do Ilê"), weniger Pop. "Queixa" und "Trem das cores" sind bis heute Klassiker, "Cavaleiro de Jorge" erinnert an Tim Maia, "Sina" ist ein Duett mit Djavan und mit "Sonhos" hat sich Caetano eines der schönsten Lieder von Peninha ausgesucht.


"Uns" aus dem Jahre 1983 bildet ein weiteres Meisterwerk des jetzt vierzig Jahre alten Caetano. Die Lieder "Uns" (ein köstlicher Maracatú), "Eclipse oculto" und, natürlich, "Você é linda" sind die Hits der LP. Das letzte Stück, "É hoje", ist eine mitreißende Version des Sambas der "União da Ilha", die damit den Carnaval 1982 bestritt. Das Cover verdient übrigens besondere Aufmerksamkeit - es zeigt "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann", gemeinsam mit seinen Brüdern.


1984 erscheint "Velô", Caetanos erste LP mit der neuen Band, der "Banda Nova". Elektro-Rock, der stark an die erste LP der Legião Urbana erinnert, die fast gleichzeitig auf den Markt kommt. Oder an die LPs der Paralamas do Sucesso aus jener Zeit. Niemand entkam damals jenem seltsam quakenden Sound. Nicht mal Meister Caetano…

"Podres poderes" ("Enquanto os homens exercem seus podres poderes, índios e padres e bichas, negros e mulheres e adolescentes fazem o carnaval...") wartet mit phantastischem Text auf, genau wie "O quereres" (diese beiden Lieder sollen 2011 das Rückgrat des Live-Albums mit Maria Gadú bilden). Caetano nimmt noch einmal "Nine out of ten" vom "Transa"-Album von 1972 auf, allerdings in einer fürchterlichen Version, die heute eher an einen abgehalfterten Sänger auf einem Kreuzfahrtschiff erinnert. Karaoke für Ahnungslose.


Immerhin gibt es "O homem velho" und "Língua", ein Samba-Rap mit Elza Soares. Und "Shy moon", vielleicht die seltsamste Komposition von Caetano ever. Hört sich an wie der Soundtrack zu einem gruselig schlechten Hollywood-B-Movie, gesungen auf in Plastik-Sound eingeschweißtem Englisch.

Mit gleichem Sound, aber guter Melodie und interessantem Text, erscheint 1985 "Milagres do Povo" als Teil des Soundtracks "Tenda dos Milagres". Wir schreiben das letzte Jahr der Militärdiktatur, Brasilien wird als demokratischer Staat neu geboren. Die Dinge entwickeln sich in eine neue Richtung. Und Caetano mitten drin?

Bald schon wird er erkennen, dass das Schema "Stuhl und Gitarre" sich gut verkauft, dass es angenehmer ist, die Lieder anderer zu interpretieren statt eigene zu komponieren. Mit etwas über 40 steht Caetanos Karriere mal wieder an einem Scheideweg.

Text + Fotos: Thomas Milz

Hier kommt ihr zu:
Teil 1: Vom Bossa zum Tropicalismo
Teil 2: London, London
Teil 3: Ergrautes Chamäleon, ewig junger Romantiker
Teil 4: Araçá Azul und die Frustrationen eines verwöhnten Jungen
Teil 5: Tudo Jóia?

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