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[art_2] Brasilien: Rapte-me camaleão! – Caetano Veloso zum 70.
Teil 2: London London
 
London London – im Juli 1969 gehen Caetano und Gilberto Gil ins Exil. Nach einem kurzen Aufenthalt in Portugal und Frankreich, lassen sie sich mit ihren Frauen schließlich in London nieder. Hier nimmt Caetano zwei wichtige Platten seiner Karriere auf: "Caetano Veloso", aus dem Jahr 1971, und "Transa", ein Meisterwerk, das erst nach seiner definitiven Rückkehr nach Brasilien Anfang 1972 veröffentlicht werden sollte.



Die Platte "Caetano Veloso" ist voller Heimweh und Sehnsucht nach der "verlorenen Heimat". Die Mehrheit der Lieder singt Caetano auf Englisch, wobei er hier und da ein paar Phrasen Portugiesisch unter mischt.

Auf der Coverrückseite finden sich folgende Sätze an das neue Publikum: "Caetano Veloso was a star in Brazil. He came to England and decided to make London his home in the summer of 1969. The songs serve as a two-way mirror, focusing thoughts and memories of home and absent friends and reflecting his reaction to a new but friendly environment."

Musikalischer Höhepunkt ist das wundervolle "London London", eine melancholische Hymne im Stile eines Donavan oder der Beatles, ein verspätetes "Swinging London": "I`m wandering round and round nowhere to go, I`m lonely in London..."



In "A little more blue" berichtet er von seinem unfreiwilligen Abschied aus der Heimat. "One day I had to leave my country, calm beach and palm tree... That day I couldn`t even cry." Ebenfalls ein Höhepunkt ist das epische "Maria Bethânia", in dem er seine Schwester um Nachrichten aus der Heimat bittet. "I wish to know things are getting better, better, better. Beta, Beta, Bethânia..."

Das Lied "If you hold a stone" zitiert "Marinheiro só" von seinem 1969er Album "Caetano Veloso". Die Platte endet mit einer traumhaften Version von "Asa Branca", von Humberto Teixeira und Luiz Gonzaga. Diese "Hymne des Nordostens" erzählt von einem Bauern, der sein Land aufgrund einer Dürre verlassen muss.

Das französische Fernsehen hat eine sehr schöne Version mit Caetano aufgenommen. Achtet mal auf seine Haarpracht:



1971 kehrt Caetano für einen Monat nach Brasilien zurück, um an der Feier zum 40. Hochzeitstag seiner Eltern teilzunehmen. Nach der Landung in Rio wird er von der Polizei über mehrere Stunden festgehalten. Diese versucht ihn zur Teilnahme an einem musikalischen Projekt zu überreden, das sich mit dem Bau der "Transamazonica" beschäftigt – der Fernstraße die den Amazonasurwald durchquert. Doch Caetano weigert sich, an dem dubiosen Projekt mitzuwirken.



Stattdessen macht er sich mit dem Titel seiner nächsten Platte über das Projekt der Diktatur lustig. Zurück in London nimmt er das epische Album "Transa" auf. Und er selber scheint während der Aufnahmen regelrecht in "Trance" zu fallen. Die Stilbreite ist beeindruckend. Herausragend sind "You don`t know me" und "Nine out of ten", wobei er die musikalische Neuheit, den "Reggae", zitiert, der gerade in Europa Einzug hielt. "Walk down Portobello Road to the sound of reggae - I`m alive."



Die Sehnsucht nach seiner Heimat kommt in "Triste Bahia" durch, genau so wie in "It`s a long way", wobei die "Long and winding road" der Beatles zitiert wird. Die Platte endet mit "Nostalgia" (That`s what rock`n roll is all about). Caetano präsentiert "Transa" live in London, die Platte wird aber erst nach seiner Rückkehr Anfang 1972 in Brasilien veröffentlicht. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Cover, das zu einem 3D-Kunstwerk gefaltet werden kann!



Damit endet für Caetano die Zeit des Exils. Aber die Nachwirkungen des vorübergehenden Bruchs mit seiner Heimat werden ihn noch länger verfolgen. Seine nächste Platte wird einen verunsicherten Musiker zeigen, der nicht weiß, auf welche Weise er seine Karriere fortsetzen soll. Aber davon mehr nächsten Monat.

Text + Fotos: Thomas Milz

P.S.: Caetano verarbeitet seine Zeit in London in den Shows zur Platte "Cê" (2006). Die Live-CD "Cê ao vivo" (2007) bringt drei Lieder aus jener Epoche: "Nine out of ten", "You don`t know me" und "London London", das letztere in einer wundervollen Version.

Hier kommt ihr zum ersten Teil:
Teil. 1: Vom Bossa zum Tropicalismo

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