spanien: Cardenal Cisneros
Spaniens Schattenkönig - Humanist oder Hassprediger?
BERTHOLD VOLBERG
[art. 1]
cuba: Varadero - Auszüge aus einem Reisetagebuch
Teil 3: Riesenlangusten ganz privat
NORA VEDRA
[art. 2]
brasilien: São Paulo zu Pferd
Beerbaum, Onassis und Doda zwischen Wolkenkratzern
THOMAS MILZ
[art. 3]
spanien: Cádiz, gleißend und entspannt (Bildergalerie)
DIRK KLAIBER
[art. 4]
helden brasiliens: Curupira
NICO CZAJA
[kol. 1]
amor: Bürgermeister gegen Bordellbesitzer
Auf der Suche nach dem Sündenbock
THOMAS MILZ
[kol. 2]
grenzfall: Wenn sie nicht stechen...
DIRK KLAIBER
[kol. 3]
erlesen: Kleine Geschichte Venezuelas
TORSTEN EßER
[kol. 4]





[art_1] Spanien: Cardenal Cisneros
Spaniens Schattenkönig - Humanist oder Hassprediger?

"Ich, Francisco, der ich den Musen einen grandiosen Tempel baute,
liege nun hier in einem kleinen Sarkophag.
Ich vereinte Purpurmantel und Mönchskutte,
Ritterhelm und Kardinalshut,
denn ich war Mönch und General,
Bischof und Kardinal.
Mehr noch, durch meine Tugend
Setzte sich die Krone auf meine Mönchskapuze,
Als unter meiner Regierung ganz Spanien mir gehorchte."

Dem Toten, der in einem Sarkophag ruht, den solch unbescheidene Worte (in lateinischer Sprache) schmücken, muss man zugute halten, dass er die Verse seiner Grabinschrift nicht selbst verfasst hat und in einem Punkt neigt diese Widmung zu fast lächerlicher Untertreibung.

Detail der Universitäts-Fassade, Alcalá de Henares
[zoom]

Nein, es ist kein "kleiner Sarkophag", in den der illustre Tote, gestorben 1517, gebettet worden ist. Vielmehr war es einer der größten und der bis dahin mit Abstand teuerste Sarkophag, der jemals in Spanien in Auftrag gegeben wurde. Der Preis für dieses größenwahnsinnige Grabmal betrug 2100 Golddukaten und geschaffen wurde das weiße Wunderwerk aus Carrara-Marmor von einem der berühmtesten Bildhauer jener Epoche, dem Florentiner Domenico Fancelli. Das Grab überlebte den Meister und wurde von Bartolomé Ordóñez vollendet. Doch für wen wurde posthum ein solcher Aufwand betrieben?

Der Würdenträger, dessen Leichnam unter dem reich verzierten Marmormonument hier in der Universitätskapelle San Ildefonso von Alcalá de Henares ruht, wurde 1436 im Dorf Torrelaguna nahe Madrid geboren und spaltet seitdem Historiker und Theologen.

Denn eine kontrastreichere Persönlichkeit hat es in Spaniens Geistesgeschichte nur selten gegeben.


Wappen von Kardinal Cisneros

Gonzalo Jiménez de Cisneros avancierte zum vielleicht berühmtesten Kleriker, der jemals den wichtigsten spanischen Bischofsthron in Toledo besetzte und schon bei der Frage, wie "fromm" der spätere Kardinal wirklich war, teilen sich seine Bewunderer und Kritiker in zwei unversöhnliche Lager. Für die einen war er ein großer Humanist und Gründer einer der glanzvollsten Universitäten Europas, für die anderen ein fanatischer Großinquisitor, der Muslime und "Ketzer" verfolgen ließ.

Aus heutiger Sicht kann nur darüber spekuliert werden, ob er aus echter Berufung und Überzeugung handelte, oder ob er ein Machtmensch war, der wie so viele andere die kirchliche Laufbahn als Karriereleiter betrachtete. Für beide Sichtweisen kann man - je nach Standpunkt - Hinweise in seiner bewegten Biographie finden.

Wie so viele andere erfolgreiche Kirchenfürsten seiner Zeit in Spanien beginnt er seine Universitätsausbildung zunächst mit einem Theologie- und Jura-Studium in Salamanca bevor er die Chance erhält, seine Studien in Rom zu beschließen. Ob er dort Papst Paul II. persönlich kennengelernt hat, kann nicht geklärt werden. Jedenfalls ernennt dieser Cisneros nach seiner Rückkehr nach Spanien 1471 zum Erzpriester von Uceda. Lange kann Cisneros sich nicht an diesem hohen Amt erfreuen, denn der Erzbischof von Toledo und damit Herr der spanischen Kirche, Alfonso Carillo, wirft ihm vor, diese Stelle ohne seine Zustimmung besetzt zu haben. Im folgenden Streit, der mit viel kirchenrechtlichen Spitzfindigkeiten geführt wird und letztlich ein Kompetenzgerangel zwischen Kardinal Carillo und dem Papst widerspiegelt, zeigt sich Cisneros unnachgiebig. Schon damals offenbart sich sein stolzer und zur Sturheit neigender Charakter.

Doch der Erzbischof von Toledo hat die Macht auf seiner Seite und lässt den Erzpriester Cisneros ins Gefängnis werfen.

Monster am Erzbischofspalast
[zoom]

Diese Kerkerhaft dauerte fast sechs Jahre. Vielleicht liegt in dieser demütigenden und entbehrungsreichen Phase der Schlüssel zum Verständnis für die asketische Grundhaltung, die gepaart mit oft hochmütigem Stolz und unerbittlicher Strenge alle Handlungen des späteren Kardinals und Regenten Cisneros prägen sollte.

Nach seiner Freilassung ernennt Kardinal Mendoza, Carillos Nachfolger auf dem Erzbischofssitz von Toledo, Jiménez de Cisneros 1480 zum Kaplan an der Kathedrale von Sigüenza und dessen so unangenehm unterbrochene kirchliche Karriere kann, begleitet vom Wohlwollen des neuen Erzbischofs und der Gunst Königin Isabellas, ihren Fortgang nehmen. Allerdings hat die persönliche Krise während der Gefängnisjahre den Ehrgeiz des stolzen Cisneros gebremst und in ihm ist der Entschluss gereift, dem Bettelorden der Franziskaner beizutreten. Fortan trägt er die einfache braune Wollkutte der Franziskaner, ändert sogar seinen Vornamen von Gonzalo zu "Francisco" - zu Ehren des Ordensgründers. Und er zieht sich zurück und lebt jahrelang als Eremit in einer einfachen Hütte bei Toledo, widmet sein Leben der Askese und Meditation und verzichtet scheinbar auf eine klerikale Karriere.

Nachdem er schon während des Studiums Latein und Griechisch erlernt hat, nutzt er seine Zurückgezogenheit, um weitere Sprachen zu erforschen: Hebräisch und Chaldäisch.

Patio der Universität, Alcalá de Henares
[zoom]

Andererseits tritt er immer wieder in der Öffentlichkeit als glühender Prediger in Erscheinung und fordert bei verschiedenen Anlässen die Bekehrung aller Andersgläubigen in Spanien zum Katholizismus. Schließlich erliegt er doch der Verlockung der Macht, als er 1492 - im Jahr der Rückeroberung Granadas und der Entdeckung Amerikas - auf Wunsch Königin Isabellas der Katholischen zu ihrem Beichtvater wird.

Die mächtige Königin zählt zu den Bewunderern des asketischen Predigers und setzt durch, dass Cisneros nach dem Tod von Kardinal Mendoza am Karfreitag 1495 zum neuen Erzbischof von Toledo ernannt wird. Isabellas Ehemann Ferdinand von Aragón ist keineswegs begeistert von dieser Verfügung seiner Frau, hätte er doch gerne seinen unehelichen Sohn als neuen Erzbischof gesehen.

Angeblich nimmt Cisneros das höchste Kirchenamt Spaniens nur widerwillig an, lässt sich von der Königin bitten.

Monster am Erzbischofspalast
[zoom]

Er, der auf Befehl einer seiner Vorgänger etwa sechs Jahre im Gefängnis verbringen musste, ist nun selbst der mächtigste Kirchenfürst in Spanien und seine Entscheidungen sollten nicht von übertriebener christlicher Nächstenliebe beeinträchtigt werden.

Wenn man die folgenden Jahre seines Wirkens als Führer der spanischen Kirche analysiert, wird man ihn von den Todsünden des Hochmuts und des Zorns nicht ganz freisprechen können. Nur der in Kirchenkreisen jener Epoche allzu verbreiteten und in allen Schattierungen erscheinenden Todsünde der Wollust schien der "eiserne Kardinal" Cisneros gänzlich abgeneigt - im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Carillo und Mendoza, die beide eine muntere Kinderschar hinterließen. Wie normal ein solch heuchlerischer Lebensstil von Kirchenführern den Zeitgenossen erschien, zeigt eine verständnisvolle Äußerung von Königin Isabella, von der die Kinder des Erzbischofs Mendoza schmunzelnd "die schönen Sünden unseres Herrn Kardinal" genannt wurden.

Auch anderen weltlichen Freuden und Bequemlichkeiten war Cisneros durchaus abgeneigt. Zwar wohnte er im Erzbischofspalast in Toledo, schlief aber nicht im Himmelbett, sondern auf einem harten Holzbrett und zog die braune Franziskanerkutte dem Purpurmantel vor. Er widmete sich mit grimmigem Eifer der Reform seines Ordens, hielt die Mönche zu asketischem Lebenswandel an und warf ihre Geliebten beiderlei Geschlechts aus den Klöstern. Und er ging mit gutem Beispiel voran, indem er Spanien - als Erzbischof von Toledo! - zu Fuß durchwanderte, um alle Franziskanerklöster zu inspizieren. Papst Alexander VI., einer der sündigsten und unwürdigsten "Stellvertreter", den Christus jemals auf Erden hatte, war peinlich berührt von den publikumswirksamen Aktionen seines allzu eifrigen Erzbischofs und bat die Königin (vergeblich), ihn zu "prunkvoller Hofhaltung" zu ermahnen.

Das Jahr 1499 markiert einen wichtigen Wendepunkt im Leben und Werk von Cisneros und liefert sowohl seinen Anhängern als auch seinen Kritikern reichlich Munition zur Auseinandersetzung mit seiner Person.

Am 13. April jenes Jahres gründet der Erzbischof mit päpstlicher Erlaubnis die Universität von Alcalá de Henares, der Lehrbetrieb beginnt 1508.

Universitäts-Fassade schräg,
Alcalá de Henares

[zoom]

Und sehr schnell sollte diese Universität nach Salamanca zur zweitwichtigsten Spaniens und zu einer der berühmtesten in Europa werden. Die grandiose Renaissance-Fassade wurde allerdings erst nach dem Tod des Gründers vom Architekten Rodrigo Gil de Hontañón zwischen 1537 und 1553 erschaffen, der zentrale Patio dann 1618 von Juan Gómez de la Mora angefügt. Nur die Aula mit ihrem wunderbaren Mudéjar-Artesonado stammt noch aus der Zeit von Cisneros.

Im Jahr 1499 widmet sich Cisneros aber noch einem anderen großen Ziel: der "Mission" von Granada. Der größte Teil der sieben Jahre zuvor von den Mauren zurück eroberten Stadt ist zu dieser Zeit immer noch islamisch, was den Erzbischof von Toledo erzürnt. Er begibt sich persönlich nach Granada, wirft dem dortigen Erzbischof Untätigkeit vor und beginnt eine beispiellose Bekehrungsoffensive.

Dazu gehören politischer Druck und Bestechung ebenso wie das stundenlange Besprengen von großen Menschenmengen mit Weihwasser, die danach als rechristianisert gelten.


Statue an Universitäts-Fassade, Alcalá de Henares
[zoom]

Der Papst beglückwünscht Cisneros zu seinen dubiosen "Bekehrungserfolgen", die muslimische Bevölkerung ist weniger amüsiert. Es kommt zu Aufständen, das Haus von Cisneros in Granada wird nachts von aufgebrachten Muslimen belagert. Er selber wird beinahe gelyncht, doch schließlich werden die Belagerer in letzter Minute vertrieben. Danach bekommt ganz Granada den unheiligen Zorn des Erzbischofs zu spüren. Er veranlasst die öffentliche Verbrennung vieler arabischer Bücher (nur die medizinischen Werke verschont er) und die Vertreibung aller nicht zur Bekehrung bereiten Muslime.

Trotz allem war Cisneros für seine Bewunderung der arabischen Kunst berühmt. In seinem Schlafzimmer in Toledo ließ er einen Leuchter aus der Alhambra aufhängen, die mozarabische Kapelle der Kathedrale von Toledo ließ er ebenso wie die Universitätskapelle von Alcalá im Stil islamischer Architektur erbauen (Mudéjarstil) und als Bischofsstab benutzte er fortan das Zepter des letzten islamischen Herrschers von Granada.

Auf diesem Stab, den Erzbischof Cisneros täglich in die Hand nahm, waren die Worte eingraviert: "Es gibt keinen Sieger außer Allah."

Fassaden-Detail der Universität,
Alcalá de Henares

[zoom]

So befiehlt er ab 1507 mehrere Militärexpeditionen gegen Nordafrika und leitet 1509 persönlich an der Spitze des kastilischen Heeres die blutige Eroberung der algerischen Stadt Oran. Diese militärische Aktion eines Erzbischofs ist beklagenswert und entspricht sicher nicht unserem heutigen Berufsbild, war aber nichts Außergewöhnliches in einer Epoche, in der auch der Papst selbst Heerführer war.

Überhaupt konzentrierte Cisneros neben seiner klerikalen nun immer mehr weltliche Macht in seinen Händen, denn 1504 war Isabella von Kastilien gestorben und ihre Tochter Johanna für wahnsinnig erklärt worden. Als 1506 auch deren Ehemann Philipp der Schöne stirbt, wird Cisneros provisorisch als Stellvertreter von Isabellas Gemahl Ferdinand von Aragón für ca. ein Jahr zum Regenten über Kastilien ernannt - mit der Machtfülle eines Königs. Das Volk bezeichnet ihn bald als "König Jiménez". Dazu kommen 1507 noch das Amt des Großinquisitor und die Ernennung zum Kardinal.

Nach Ferdinands Tod übernimmt Cisneros am 23. Januar 1516 noch einmal die Königsherrschaft in Spanien - bis zu seinem Tod am 8. November 1517 in der Nähe von Burgos. Er war auf dem Weg zur Machtübergabe an den neuen Herrscher Spaniens Karl I. (bald auch deutscher Kaiser Karl V.), der per Schiff an der Nordküste landete.

Es war, als ob Cisneros seinen Tod programmiert hätte: denn er starb vor dem Treffen mit Karl - und damit blieb ihm die demütigende Abgabe der Herrschaft erspart: er starb quasi als spanischer König.

Wappen Karls V. über Hauptportal,
Alcalá de Henares

[zoom]

Zweifellos hat Spanien ihm viel zu verdanken: er gründete eine der wichtigsten Universitäten Europas in Alcalá und war Herausgeber des edelsten und erfolglosesten Buches der spanischen Renaissance: der ersten viersprachigen (Latein, Griechisch, Hebräisch und Chaldäisch) und kritischen Bibelausgabe überhaupt, von der allerdings die Hälfte der Exemplare auf dem Weg nach Rom bei einem Schiffbruch untergingen. Die Tatsache, dass er - im Gegensatz zu vielen anderen Mächtigen der Kirche - die Askese, die er predigte, auch selbst praktizierte, lässt ihn punktuell fast sympathisch erscheinen. Als Großinquisitor war er erstaunlich zurückhaltend: während seiner Herrschaft wurden "nur" sechs Ketzer verbrannt. Seine Nachfolger sollten viel großzügiger in der Einberufung von Autodafes und der Aufschichtung von Scheiterhaufen sein.

Aber jemand der Bücher - noch dazu so wertvolle - verbrennen lässt, hat die Bezeichnung Humanist definitiv nicht verdient. Die von ihm propagierte Ausweisung von Muslimen, die nicht konvertieren wollten, war für Spanien eine kulturelle Katastrophe. Und wahrscheinlich spielte er auch schon bei der Vertreibung der spanischen Juden 1492 eine Rolle.

Dennoch war sein Grabmal für Studenten wie ein Reliquienschrein und es kam in Mode, kleine Marmorbröckchen seines Sarkophags als Glücksbringer abzuhämmern. Im Jahr 1530 wurde Cisneros sogar selig gesprochen - heilig gesprochen aber wurde er Gott sei dank nie.

Platereske Säulen an Fassade, Alcalá de Henares
[zoom]

Die Widersprüchlichkeiten seiner Biographie verließen ihn auch nach dem Tod nicht. Heute liegt er, der Erzbischof mit den Koransprüchen auf dem Hirtenstab, der die Anhänger Mohammeds unerbittlich verfolgen ließ, in seinem Sarkophag unter einem "islamischen Sternenhimmel" der Mudéjarkuppel in der Kapelle der von ihm gegründeten Universität von Alcalá.

Text + Fotos: Berthold Volberg





[an error occurred while processing this directive]




[art_3] Brasilien: São Paulo zu Pferd
Beerbaum, Onassis und Doda zwischen Wolkenkratzern

"Er geht die Treppe hoch!" Die Teleobjektive richten sich auf den Absatz am Eingang des VIP-Bereichs. Manche folgen ihm, wie er ihr die letzten Stufen entgegengeht, während die restlichen Objektive sie fokussieren, die die Arme öffnet und strahlt.

Als sich die beiden dann schließlich in den Armen liegen und sich zärtlich küssen, öffnen und schließen sich die Verschlüsse der Kameras rasender Geschwindigkeit. Click-click-click-click.

Doda [zoom]
Athina Onassis und Doda [zoom]

Drei Tage lang haben die Fotografen auf diesen Moment gewartet. Die beiden endlich gemeinsam aufs Foto bekommen – ihn, den verwegenen Reiter aus Brasilien, und sie, die junge blonde Alleinerbin des legendären Onassis-Vermögens.

Drei lange Tage, in denen sie sich im hintersten Bereich der VIP-Tribüne verschanzt, meist mit dem Gesicht zur Wand, umringt von Freunden und Bekannten. Während er wie der Teufel reitet, die organisatorischen Fäden in den Händen hält und in aller Ruhe Interviews gibt. Bis sie plötzlich entspannt hoch oben auf der Tribüne erscheint, dem Springen zuschaut, ohne sich an den Paparazzi zu stören.

Álvaro Affonso de Miranda Neto kannten bis vor wenigen Jahren nur die, die sich für Springreiten interessierten. Und das waren traditionell nicht gerade viele, obwohl Doda, wie man Álvaro hier nennt, gemeinsam mit seinen Kollegen bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille nach Brasilien holte.

Aber dann heiratete er vor zwei Jahren Athina, die Alleinerbin des auf gut 2 Milliarden Dollar geschätzten Onassiserbes, und seitdem sind die beiden Dauergäste in den Klatschmagazinen der Welt. Genau wie hier in São Paulo.

Zuschauer [zoom]
und noch mehr Zuschauer [zoom]

Auf der VIP-Tribüne drängeln sich die Sternchen und die Reichen. Bis zu 16.000 Reais habe sie gezahlt, um die besten Springreiter der Welt aus nächster Nähe beobachten zu dürfen. Zum ersten Mal ist die Creme-de-la-Creme im mondänen Reitklub "Sociedade Hípica Paulista" versammelt. Unter ihnen auch Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso, der bei einem Kaffee über seinen Nachfolger Lula plaudert: "Eigentlich kopiert er mich nur – zumindest was die Wirtschaftspolitik betrifft.

Sociedade Hípica Paulista [zoom]
Ex-Präsident Fernando Cardoso [zoom]

"Ich habe mich auf dem Weg hierher gefragt, wo man zwischen all den Hochhäusern wohl eine grüne Wiese herzaubern würde, auf der wir springen können", unkt Ludger Beerbaum, einer von vier deutschen Vertretern auf dem Reitparcours im schicken Stadtviertel Brooklin.

"Es ist immer mein Traum gewesen, einmal all die großen Reiter zu einem Springturnier nach Brasilien zu holen", plaudert Doda, der sich trotz der Dreifachbelastung als Organisator, Wettkämpfer und Ehemann relaxt gibt. "Dafür haben wir dem Turnier Athinas Namen gegeben, damit das Ganze international an Glaubwürdigkeit gewinnt."

Ludger Beerbaum [zoom]
Daniel Deusser [zoom]

Nicht einen Cent haben die beiden aus eigener Tasche bezahlt. Alles wird von gut einem Dutzend Sponsoren finanziert, die sich den Spaß teilweise bis zu 500.000 Dollar kosten lassen. Dafür dürfen die Direktoren und Präsidenten der Firmen bei den Siegerehrungen den großen Stars die Hand schütteln und schicke Uhren und dicke Schecks überreichen.

Insgesamt 810.000 Euros sind bei den sieben Springen an vier Tagen zu holen. Damit ist die "Athina Onassis International Horse Show" das höchstdotierte Turnier der ganzen Global Champions Tour, der "Formel 1 des Springreitens" wie Doda es nennt. Auch die Deutschen Reiter sind da, "um ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen", so Olympiasieger, Welt- und Europameister Ludger Beerbaum.

Meredith Michaels-Beerbaum [zoom]
Marco Kutscher [zoom]

71 Topspringer aus 19 Ländern hat Doda nach São Paulo gelockt, darunter 21 Brasilianer. Aus dem erfolgsverwöhnten Reiter-Deutschland sind neben Beerbaum noch dessen Schwägerin und frisch gekürte Einzeleuropameisterin Meredith Michaels-Beerbaum, Marco Kutscher und der junge Nachwuchsspringer Daniel Deusser vertreten.

Dabei ist auch der 54-jährige Pedro Cebuka, der vor 30 Jahren von Norddeutschland nach Kanada ausgewandert ist. Seit vielen Jahren reist er mit dem Springreiterzirkus um die Welt, um die Veranstaltungen in bunten Clownkostümen zu leiten. "Rodrigo, five minutos!" In einem eigenwilligen Gemisch aus Deutsch, Holländisch, Spanisch und Englisch dirigiert er die Reiter hin und her, sorgt dafür, dass niemand zu spät oder zu früh auf dem Turnierplatz erscheint.

Pedro und Doda [zoom]
Jessica Kürten [zoom]

"Ich kenne Athina seit sie 17 ist und auch mit Doda verbindet mich eine Freundschaft. Deshalb habe ich sofort ja gesagt als Doda mich gefragt hat, ob ich hier in São Paulo dabei sein möchte." Bescheiden und herzlich seien die beiden, trotz des ganzen Medienrummels, verrät Pedro.

Bei all dem Trubel um das Onassis-Paar geraten die Springwettbewerbe nahezu zur Nebensache. Wenn nicht gerade ein Brasilianer eines der Stechen bestreitet, richtet man die Aufmerksamkeit eher den Köstlichkeiten des Buffets zu als dem Treiben auf dem grünen Parcours.

Fast entgeht einem eine weitere Glanztat Dodas. Neben einem Sieg erringt er mehrere zweite und dritte Plätze. Am Ende wird er als erfolgreichster Reiter des gesamten Turniers geehrt.

"Es ist mir eigentlich etwas peinlich, hier so abgeräumt zu haben", verkündet er leicht verlegen auf der Abschlusspressekonferenz. "Aber ich denke, es hat allen sehr gut gefallen und nächstes Jahr kommen alle wieder hierher nach São Paulo."

Und wenn sie nur kommen, um ein Foto von Doda und seiner 22-jährigen griechischen Schönheit zu ergattern.

Text + Fotos: Thomas Milz





[art_4] Spanien: Cádiz, gleißend und entspannt (Bildergalerie)

"Ziehen Sie sich die Kappe tief ins Gesicht oder greifen Sie zur Sonnenbrille", mahnen die Reiseleiter, zur Anschauung legen sie die linke Hand auf den Kopf, packen mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand den Schirm und rücken ihre Kopfbedeckung bis Oberkante Augenbraue. "Cádiz ist grell. Heller als die umliegende Costa de la Luz, die Küste des Lichts."

Nach Granada, Córdoba und Sevilla ist Cádiz wider Erwarten geradezu Erholung. Zunächst trauen wir uns wegen der sich in den letzten Tagen angehäuften Überdosis an urbaner historischer Kultur nicht in den Altstadtkern und gehen die Promenade hinter der Kathedrale am Meer entlang, vorbei am Strand, dem Simón Bolívar Denkmal, entlang des Parque Genoves, über den Plaza de España, um am Hafen nach einer fast kompletten Umrundung der Halbinsel in die Altstadt vorzustoßen.





Gleich werden sie wieder da sein, die alles niederrennenden und übertönenden Reiseleiter. Doch weit gefehlt, auch im Kern von Cádiz, der, einmal drin, viel größer und dichter wirkt als von außen gedacht, entsteht keine Hektik. Aufgrund der grenzenlosen Freude, die die Stadt bereitet, fassen wir den Entschluss, uns von Tapasbar zu Tapasbar treiben zu lassen und enden am nächsten Morgen mit einer großen Tüte Surtidos, Frittierter Kleinkram aus dem Meer, auf dem Mercado de Abasto.

"Die Gefahr der Erblindung ist gebannt", demonstrativ schieben die Reiseleiterinnen ihre Sonnenbrille über die Stirn ins Haar, "wir haben Cádiz, die Stadt des Lichts, verlassen."



avenida campo del sur / uferpromenade


playa / strand


plaza de españa


catedral / kathedrale


centro historico / altstadt




mercado de abasto / markt



Fotos: Dirk Klaiber





[kol_1] Helden Brasiliens: Curupira

Er geht ziggedizack. Haar wie Feuer, und doch sieht man ihn selten; er dagegen sieht nicht alles, aber fast. Possenreißend bringt Curupira den Wanderer zum Lachen, und vor Lachen fällt der Wanderer tot um. Curupira meint das wörtlich. Curupira meint alles wörtlich.

Einer hat ihn mal gesehen, vor langer Zeit, da war Curupira gerade dumm. Weil er wollte. Der Mann lag da und schlief, fast nackt. Curupira war hungrig und er beschloss, das Herz des Mannes aufzuessen. Aber! Der Mann erwachte. "Gib mir dein Herz, ich will es essen!", sagte Curupira. Der Mann gab ihm ein Stück, und Curupira verspeiste es ganz. Aber! Jetzt war er erst richtig hungrig. Er wollte mehr: "Gib mir mehr!" "Gut", sagte der Mann und gab ihm den Rest. Es war das Herz eines Affen, den er gejagt hatte, und er fand sich sehr schlau. "Ich habe getan, was du wolltest. Ich habe dir mein Herz gegeben, damit du es aufessen kannst. Nun sei gut und gib mir ein Stück von deinem!"

Curupira sah das ein, sicher, das sah er ein. "Leih mir dein Messer, Mann!" Innendrin lachte Curupira. Außendraußen nahm er das Messer, schob es sich in die Brust und starb.

Der Mann, der sich schlau fand, hatte eine eitle Tochter, die war so eitel, dass sie von allem immer das Schönste für sich wollte. Und jetzt wollte sie eine Halskette aus den schönsten Perlen, den schönsten von allen. Der Mann dachte und dachte und dachte. Er dachte einen Tag, zwei Tage, drei Tage. Und dann erinnerte er sich an Curupira und seine wunderschönen grünen Zähne, und er ging hin. Ach, Curupira war nur noch Knochen. Ach, die Pflanzen hatten Curupiras Knochen schon fast verschluckt. Aber seine wunderschönen grünen Zähne funkelten und glänzten zwischen den Blättern. Der Mann nahm Curupiras Schädel und schlug ihn gegen einen Baum, einmal, zweimal, dreimal. "Ai!", sagte der Mann, denn mit dem dritten Schlag stand Curupira vor ihm, unversehrt, und der Mann ließ Curupiras Kopf los.

Innendrin lachte Curupira. Außendraußen sagte er: "Oh! Du, Mann, hast mich ins Leben zurückgeholt! Nimm diesen Pfeil und diesen Bogen! Es ist ein Verzauberbogen und ein Verzauberpfeil. Nie werden sie ihr Ziel verfehlen, und nie soll es dir, Mann, an Beute mangeln. Aber! Niemals erschieße ein Tier im Rudel oder einen Vogel im Schwarm."

Der Mann mit dem Verzauberbogen war jetzt der berühmteste Jäger, und alle bewunderten ihn, weil er nie sein Ziel verfehlte. Aber! Einmal war er auf der Jagd mit anderen Männern, und er war hochmütig geworden. Wenn sie ihn bewunderten, wollte er, dass sie ihn noch mehr bewunderten. Und da: Jurití, ein ganzer Schwarm. Der Mann wählte einen Vogel aus und schoss ihn aus der Luft, als wäre es das Leichteste. "Oooh!", machten die anderen Männer aus Bewunderung, und dann liefen sie weg. Weil die anderen Jurití sich zornig auf den Mann stürzten, der geschossen hatte. Der Mann war jetzt alleine, und die Vögel zerrissen ihn in viele Stücke: Hier lag ein Arm, dort ein Kopf, und da noch andere Teile.

Curupira machte ein Feuer, und von seinen Freunden, den Bienen, holte er Wachs. Er schmolz das Wachs und klebte den Mann damit wieder zusammen. "Danke!", sagte der Mann. Außendraußen sagte Curupira: "Das war das erste Mal und das letzte Mal, dass ich dich retten konnte. Geh jetzt nach Hause. Aber! Du darfst nie mehr Heißes trinken oder essen." Was tat Curupira innendrin? Er lachte.

Der Mann ging nach Hause und lebte weiter. Niemand wusste, was geschehen war. Bis eines Tages. Seine Frau reichte ihm eine Suppe, das war eine so gute Suppe, eine so wohlriechende Suppe, eine so schöne, heiße, duftende Suppe, dass der Mann nicht nein sagen konnte. Er trank die Suppe und schmolz. Eine feine Geschichte, findet Curupira! Sie soll weitererzählt werden!

Mal hat Curupira Fell, mal hat er keins. Mal hat er blaue Zähne und mal grüne. Mal hat er riesige Ohren und mal nicht. Am liebsten hat er es, wenn sie erzählen, dass er auf einem Wildschwein reitet, denn dann reitet er auf einem Wildschwein.

Hier oder dort - was kümmert’s ihn? Curupira kümmert’s nicht, solange sie von ihm erzählen. Er kennt: Jenipapo-Frucht und Guaraná-Liane, Açaí-Palme und Jacaranda-Baum. Er kennt: VW und Toyota, er kennt Ampel. Er kennt: Hochhaus und Pförtner und Einkaufszentrum. Er kennt: Blattschneider-Ameise und Jabutí und Faultier und Bananenspinne. Er kennt Hauskatze, Kellerassel und Kakerlake. Wenn ihn fast einer sieht, wird Curupira Jurití oder Laternenpfahl oder modriges Stück Holz zwischen Laub oder Briefkasten. Jetzt sitzt Curupira im Mangobaum über der Straße, lutscht an einer Frucht und schaut den Autos und Menschen und Sachen zu. Da, fast sieht ihn einer! Tsui! ist er davon, schneller als ein Blick. Die, die bescheid wissen, sagen: "Hat keinen Sinn, Curupira nachzulaufen. Gibt keinen, der ihn einholen kann."

Immer erzählen sie von seinen Füßen. Seine Füße sind ganz und gar nicht wie ihre Füße. Seine Füße sind das Gegenteil von ihren Füßen! Versucht einer, Curupiras Spuren zu folgen, dann kommt er immer nur dorthin, wo Curupira war und nie dahin, wo Curupira ist.

In den engen Straßen, nachts, kann er sie ebenso gut in die Irre führen, wie er sie im Wald in die Irre führen kann. Die Leute kennt er seit, seit, seit. Ach, seitdem sie herumlaufen und von ihm erzählen. Erst kamen die einen Leute, dann kamen eine Weile keine, dann kamen die anderen Leute und kurz darauf noch andere. Verschieden verpackte Leute, verschieden eingefärbte Leute.

Da ist eine Frau. Sie weiß nicht, dass hier Curupira wohnt. Sie hätte ihm Tabak anbieten müssen, oder wenigstens Schnaps. Ungehobelt! Curupira macht Lärm; er schlägt mit einem Schildkrötenpanzer gegen die eisernen Jalousien einer geschlossenen Autowerkstatt, dass es rumpelt wie Gewitterdonner. Sie schaut in Curupiras Richtung. Puts! wird er ein Haufen Müll. Sie schaut wieder weg. Puts! wird er Curupira.

Oh, und jetzt hat die Frau Angst! Sie läuft: Diese Straße, jene Straße, diese Straße, jene Straße. Aber! Sie ist wieder dort, wo sie losgelaufen ist. Curupira schaut ihr zu. Curupira pfeift sein unheimliches Pfeifen. Die Frau bleibt nicht stehen, sie läuft immer schneller, immer anders und doch immer im Kreis. Wie geht das? Sie weiß es nicht. Oder? Sie sieht sich um. Curupira wird ein Stock. Sie sieht sich um. Curupira wird ein Stein. Vielleicht sieht sie kurz das rote Funkeln seiner Augen, aber nur ganz kurz. Gleich wird er sie mit der Stimme eines Jaguars anbrüllen, oder nein, sie mit der Stimme eines Autos anfahren, oder nein: Mit der Stimme ihres Geliebten nach ihr rufen, das macht die Leute immer ganz ganz ganz durcheinander. Doch was ist das? Was ist das ist das ist das? Was tut sie da?

Die Frau hält an. Wieso läuft sie nicht weiter? Die Frau klaubt eine lange Wäscheleine aus einem Gebüsch, eine lange Wäscheleine, die andere Leute achtlos fortgeworfen haben. Sie wickelt die Leine zu einem Ball, ganz klein, ganz eng, ganz klein. Das Ende der Leine verschnürt sie tief und fest im Innern. "Ich glaub’ nicht, dass du das Ende findest!", ruft sie und wirft das Knäuel über eine Mauer, über einen Stacheldraht, in einen Hinterhof. Curupira blinzelt, einmal, zweimal. Er späht über die Mauer.

Wo ist das Ende? Wo mag es sein? Das Ende? Wär doch gelacht, wenn er es nicht fände! Wär doch gelacht! Mit einem Satz ist Curupira über die Mauer. Und während er aufgeregt das Knäuel in seinen Händen dreht und wendet und an seinem Ohr schüttelt und nach dem Ende sucht, schließt die Frau die Augen und wartet einen Moment, und noch einen. Dann dreht sie sich um und geht. Sie hat den Weg nach Hause wiedergefunden. Innendrin lacht Curupira.

Text: Nico Czaja





[kol_2] Amor: Bürgermeister gegen Bordellbesitzer
Auf der Suche nach dem Sündenbock

São Paulo stand unter Schock. Am 17. Juli schlitterte ein Airbus der Airline TAM über die regennasse Piste des Flughafens Congonhas hinaus und krachte in ein Logistikcenter. 199 Menschen starben.

Hektisch begann von allen Seiten die Suche nach einem Sündenbock. Als dann wenige Tage nach dem Unglück ein Pilot im Fernsehen berichtete, dass der Anflugwinkel auf Congonhas durch einen Hotelneubau rund 600 Meter vor dem Pistenkopf entscheidend verändert würde, da man den Flughafen wegen des Hotels steiler anfliegen müsse und sich somit die Landebahn um 130 Meter verkürze, hatte man ihn gefunden.



Das Hotel müsse abgerissen werde, erklärte São Paulos Bürgermeister Gilberto Kassab umgehend. Dabei blieb unerwähnt, dass die Unglücksmaschine der TAM den Flughafen vom anderen Ende der Piste angeflogen war, das Hotel also gar keinen Einfluss auf das Unglück haben konnte.

Doch das spielt jetzt keine Rolle mehr. Für die Politik ist der Abriss von "Oscars Hotel" beschlossene Sache. Ist der Hotelbesitzer doch seit eh und je ein Dorn im Auge der politischen Klasse São Paulos: Oscar Maroni, Betreiber des Edelpuffs Bahamas, ewige Reizfigur mit provokanten Gesten und verrückten Ideen. Mit 1.500 Frauen prahlt der Veranstalter des ersten und einzigen "Miss Nutte Brasilien" Wettbewerbs angeblich bereits Sex gehabt zu haben, und gerne gibt der glatzköpfige Unruhestifter Sätze wie "ich bin zwar unmoralisch, zahle aber meine Steuern" von sich. - Letzteres zweifelt die Staatsanwaltschaft allerdings schon lange an.

Nach eigenen Angaben hat Maroni seit 1999 gut 27 Millionen Dollar in den 11-stöckigen Hotelbau gesteckt, der direkt neben dem Bahamas errichtet wurde und nahezu bezugsfertig ist. Beide Gebäude sind durch einen Gang miteinander verbunden, so dass die männlichen Gäste des Klubs direkt mit ihren Kurzzeitbräuten hinauf in die Luxussuiten verschwinden können.


Maroni verfügt über Baugenehmigungen, die er gerne in die Fernsehkameras hält, ebenso wie die Unbedenklichkeitserklärung der Luftwaffe. Die maximale Höhe für Gebäude in der Region liegt bei 47,50 Metern. Das Hotel misst genau 47,39 Meter, gemessen von Experten der Luftwaffe, so der Anwalt von Maroni.

Doch der Bürgermeister bezweifelt, dass Maroni Baugenehmigungen und Unbedenklichkeitserklärung auf rechtmäßigen Wegen erlangt habe. Bestochen haben soll er Beamte und ihnen freie Nutzung des Bahamas und dessen Dienstleistungen zugesichert haben.

Was nun folgte, war ein Streit über die Gültigkeit der Genehmigungen zwischen Bürgermeister, Baubehörde und Justiz auf der einen und Maroni und seinen Anwälten auf der anderen Seite. "Es ist schon nicht mehr der Kampf des Unternehmers Maroni gegen den Bürgermeister Kassab. Jetzt heißt es Herr Oscar Maroni gegen Herrn Gilberto Kassab", beschreibt Maronis Anwalt den mit harten Bandagen geführten Zweikampf.


Dann beging Maroni einen dummen Fehler, auf den seine Gegner nur gewartet haben. Er gab ein langes Interview in einem brasilianischen Sender und erzählte freimütig, dass das Bahamas ein Ort der Luxus-Prostituition sei. Zwar ist das Bahamas stadtbekannt als einer der teuersten Puffs, doch offiziell hat der Klub nur eine Genehmigung als "Bar, Restaurant und Bad".

Kurzerhand schloss man das Bahamas und das angrenzende Hotel, versperrte den Zugang durch dicke Betonklötze und verhängte einen Haftbefehl gegen Maroni. Eine Woche lang versteckte der sich vor dem Zugriff der Polizei, doch schließlich fasste ein Sonderkommando ihn auf der Feuertreppe seiner Luxussuite in São Paulo. Im Pyjama.

Nun sitzt Maroni in U-Haft ohne Sex. Was aus seinem Hotel wird, ist unklar. Derweil beschweren sich die Prostituierten anderer Klubs über die unhaltbare Situation. Die arbeitslosen Mädels des Bahamas würden in ihre Reviere drängen und den Markt mit Dumping-Preisen kaputt machen.



Die Situation wirklich genießen kann momentan nur ein einsamer Angestellter, der auf Oscars Hotel aufpasst. Gerne stelle er sich ganz oben auf die Wassertanks des Hotels und schaue über die Stadt. Hier oben, so meint er, herrsche absoluter Frieden. Daneben flattert die brasilianische Flagge zu dem Dröhnen der Düsenjets.

Text + Fotos: Thomas Milz





[kol_3] Grenzfall: Wenn sie nicht stechen...

Quer über dem Wellblechdach, das bei Regen und Sturm dem Toilettenseparee schützend zur Seite steht, ruht ein schweres, vom Wetter gezeichnetes Holzbrett. Auf der einen Seite steht es leicht über. Ein perfektes Stehpult. Doch kaum dem Äußeren eine kreative Note verliehen, den Blick in der Ferne verloren, mahnt ein finsteres Wesplein, dass sie und ihre Sektenschwestern wie von Sinnen am Bauen wären und zwar direkt unter dem Pultbrett.

Ermahnung:
Hier nicht!

Es schwirrt mir durch den Kopf: Haarspray und Feuerzeug! Doch beides nicht zur Hand.

Oftmals gibt es in prekären Situationen genau eine Lösung: Rauf aufs Bike. Durch die Felder über Berg und Tal nach Sant Miquel in die Lieblingsbar am Fuße des gleichnamigen mittelalterlichen Klosters, von dem aus die Tauben die unachtsamen Kirchgänger, die zu nahe an der Mauer laufen, bekacken. Vom fröhlichen Wirt bekomme ich ein kaltes Bier, das ich mit nach draußen nehme.

Ein älterer Herr fragt, ob er sich mit auf die Parkbank setzen dürfe. Er ist 83 und erzählt, dass Hugo Chávez in Venezuela vielleicht eine Lösung sei gegen das imperialistische Gebaren, das Armut und Kriminalität mit sich brächten und dass die USA aus Vietnam nichts gelernt hätten. Er schaut ungläubig als ich ihm von einem jüngst erschienen Interview mit Henry Kissinger erzähle, demnach die USA aus dem Vietnamkrieg als Sieger hervorgegangen wären.



Wir verabreden uns für den nächsten Tag. Ich will schauen, ob ich eine spanische Version des Kissinger-Interviews im Netz finde. Im Krämerladen neben der Bar - es gibt einen Durchgang am Kicker, dessen Spieler in Barça und Real Madrid Trikots stecken, der Bar und Laden verbindet – erstehe ich Haarspray und Feuerzeug. Und sollte es helfen und sie mich nicht stechen, radel ich morgen wieder nach Sant Miquel.

Text + Fotos: Dirk Klaiber





[kol_4] Erlesen: Kleine Geschichte Venezuelas

Am 15. August 2007 stellte der venezolanische Präsident Hugo Chávez seine Pläne zu einer erneuten Reform der Verfassung vor. U.a. möchte er durch eine Änderung des Verfahrens der Präsidentenwahl eine – also seine – unbegrenzte Wiederwahl ermöglichen. Nach der bisherigen Regelung wäre dies bei der nächsten Wahl nicht erlaubt. Ist Hugo Chávez also doch nur einer der vielen machtbesessenen Caudillos der venezolanischen Geschichte von denen es im Buch von Michael Zeuske nur so wimmelt? So einfach liegen die Dinge nicht, verstehen und einordnen kann man die aktuellen Ereignisse erst, wenn man sich mit der Geschichte des Landes befasst und hierfür eignet sich die "Kleine Geschichte Venezuelas" sehr gut.

Michael Zeuske
Kleine Geschichte Venezuelas
ISBN-10: 3406547729
Verlag C.H. Beck
Mai 2007
207 Seiten
12,90 Euro

Die Geschichte des von Amerigo Vespucci auf den Namen "kleines Venedig" getauften Landes ist gekennzeichnet von (politischer) Gewalt, Gier und Machtbesessenheit: "Im Grunde könnte die Geschichte Venezuelas von ihren Anfängen bis zur venezolanischen Revolution [...] als 300- bis 400-jähriger Prozess der Zerstörung kommunaler indigener Siedlungsformen [...] beschrieben werden", schreibt Zeuske.

Von Beginn an setzten die Eroberer und dann die Siedler auf Ausbeutung aller Natur- und Bodenschätze sowie der indigenen Bevölkerung. Die Augsburger Welser, die von 1528 bis 1556 de facto die Macht über den damals erforschten Küstenstreifen besaßen, bilden da keine Ausnahme. Ihre Ideen einer umfassenden Erschließung des Gebietes wichen bald der Suche nach Gold und anderen Schätzen. Die sich durch Landnahme und -diebstahl herausbildenden Latifundien und der darauf erfolgte Anbau von Kakao, später Kaffee u.a. Exportgüter, bilden bis heute die Grundlage des Reichtums eines Großteils der Elite. Ab dem 19. Jahrhundert kamen die Renditen aus der Erdölgewinnung hinzu, die die einheimische Elite sich mit den ausländischen Mineralölgesellschaften teilte. Auch wenn das Volk wenig von diesen Gewinnen profitierte – die Idee des "sembrar petroleo", also die Gewinne für Bildung und Bedürfnisse des Volkes zu verwenden, fand nur wenig Anklang -, so konnten sich durch diese (einseitige) Industrialisierung zumindest eine Arbeiterschaft und eine kleine Mittelschicht ausbilden, die fortan an den politischen Prozessen partizipierten.

Die Führungsschichten Venezuelas hatten kein echtes Nationalgefühl und somit kaum Interesse an der Entwicklung ihrer "Nation", so Zeuske. Denn selbst das gegenseitige Morden durch Kriege und Attentate zwischen den diversen Caudillos zum Zweck der Machterlangung, das der Autor mit Daten und Namen gespickt sehr detailliert schildert, hatte meistens nur die Vermehrung des eigenen Vermögens zum Ziel. Ein schönes Beispiel dafür ist der Beginn der Eisenbahn im Land. Nicht ein nationales Schienennetz wurde errichtet, sondern viele kleine Netze um regionale Wirtschaftszentren. Krönung des Ganzen: man benutzte verschiedene Spurweiten, so dass niemals eine Chance auf ein nationales Netz bestand.

Der Autor entzaubert in diesem Zusammenhang auch die Mythen um Simón Bolívar (ohne seine Leistung zu schmälern) und um die in das 16. Jahrhundert rückprojizierte Gründung der venezolanischen Nation, auf die sich ja auch Chávez gerne beruft. Und er schildert den Aufstieg des Militärs und seiner Angehörigen zum entscheidenden Machtfaktor, auch eine der Voraussetzungen für die heutige Rolle von Hugo Chávez.

Im 20. Jahrhundert setzt sich der Machtkampf innerhalb der Eliten und des Militärs fort, und selbst der politische Pakt von Punto Fijo (1958) zwischen den Parteien, dem Militär und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, konnte den ökonomischen Verfall trotz (oder wegen?) des großen Reichtums nur bremsen, nicht stoppen. In den 1980er Jahren war Venezuela bankrott und die Bevölkerung verarmt, während die Reichen in Miami shoppen gingen. Da war der Aufstieg eines populistischen und charismatischen Führers nur eine Frage der Zeit.

Was Chávez an aus unserer Sicht undemokratischen Maßnahmen ergreift (evtl. dauernde Wiederwahl, Zensur) wird durch die Lektüre diese Buches nicht besser, aber verständlicher. Für einen Venezolaner stellt es ohnehin nur eine Kontinuität dessen dar, was seit Jahrhunderten an der Spitze des Staates abläuft, sehr zum Ärger der Eliten diesmal aber nicht durch einen der Ihren. Zeuskes Buch macht den Leser mit der Geschichte derjenigen bekannt, die sich als Alternative zu Chávez anbieten, und da bleibt die Frage, ob die Rückkehr zu nicht lern- und reformwilligen, kurzsichtigen, geld- und machtgierigen Eliten, die sich einen Dreck um ihr Land und ihr Volk scheren, eine gute Alternative wäre.

Chávez Versuch, das Land gegen die Eliten zu reformieren, wird allerdings nur positiv enden, wenn er in der Lage ist, seine Macht in nicht all zu weiter Ferne auch wieder abzugeben. Aber das ist eine Frage, die auch Gabriel García Marquez nicht zu beantworten vermochte: „Während er mir sein Leben erzählte, sollte ich eine Persönlichkeit kennen lernen, die nicht das Geringste mit dem Bild des Despoten Chávez gemein hatte, wie es die Medien vermittelten. Neben mir saß ein anderer Chávez. Welcher von beiden war der echte? [...] mit dem ich mich auf einer gemeinsamen Reise so angenehm unterhalten hatte: Der eine, dem sein unverwüstliches Glück die Chance präsentiert hatte, sein Land zu retten; der andere ein Traumtänzer, der sehr wohl einmal als ein weiterer Despot in die Geschichte eingehen könnte.“ ("Die zwei Gesichter des Hugo Chávez", in: Le Monde Diplomatique Nr. 6216, 11.8.2000).

Für eine "Kleine Geschichte" sind die Seiten des Buches oft sehr mit Daten und Fakten gefüllt, eine Straffung hätte hier und da gut getan. Aber da dieses Buch nur ein Extrakt zweier kommender, größerer Werke über Venezuela ist, verkürzt es uns auf sinnvolle Weise die Zeit des Wartens.

Text: Torsten Eßer
Foto: amazon.de






.