caiman.de 11/2007

[kol_2] Macht Laune: No Te Va Gustar in München

"So, weiter jetzt, Kopf einziehen und durch die Türen, aber schnell." Es fängt bereits in der U-Bahn an, lustig zu werden. Ich hetze mich ab, um pünktlich zum Interviewtermin zu kommen, sitze endlich in der U-Bahn und bemerke, dass ich das Aufnahmegerät nicht dabei habe. Fürs Umkehren schon zu spät, also muss meine Freundin aushelfen und mir den treuen Sprachbegleiter zur Veranstaltung bringen. Leider gibt’s keinen Empfang in Münchner U-Bahnen, zumindest für mein mobiles Telefon nicht. Aber es hat ja noch Zeit - bin nur knapp vier Stunden zu spät. Also lausche ich lieber den Ansagen des Triebwagenführers, wie es inzwischen so schön heißt. "Ach Mütterchen, jetzt legen wir einen Zahn zu, rein in die Bahn und dann können wir auch weiter fahren." Kurze Pause. "So, heute ist die Caritas wieder im Einsatz. Nächster Halt…"



"Es wird Dir nicht gefallen." Ganz einfach. So suggeriert es zumindest der Name der Band No Te Va Gustar aus Uruguay, die hierzulande wenig bekannt ist. An das Pendant La Vela Puerca hat man sich ja schon vom Hörensagen gewöhnt. Nun also wieder etwas Neues aus dem kleinen Latinostaat, der vor Jahren auch mal eine Fußballmacht war. Wobei: so neu ist No Te Va Gustar gar nicht. Die acht Herrschaften haben ihre vierte Platte am Markt und füllen inzwischen Stadien mit bis zu 35.000 Zuschauern. Darüber hinaus haben sie schon mit den wichtigsten Größen aus der Rockszene Uruguays und Argentiniens gespielt. Nun sind sie zum dritten Mal auf Entdeckungsreise durch Europa.

Alle Hatz war umsonst, was aber gar nicht so unpässlich kommt. Die Band absolviert gerade ihren Soundcheck und ich habe noch ein paar Minuten Zeit, um auf meinen Sprachmemoboten zu warten. Dann sind die  Jungs fertig, ich stelle mich brav vor und, na klar, Uruguayer Herzlichkeit und Austausch der üblichen Floskeln. Aber sie freuen sich, dass mal wer vorbei kommt und sich mit ihnen in ihrer Sprache unterhält. Anders lässt sich auch nicht erklären, dass ich mich bald im ersten Stock wiederfinde, einen gefüllten Teller vor mir stehen habe und alle um den Tisch versammelt sind. Ich fühle mich wie bei einem Schulaufenthalt. Geschnatter, durcheinander, ich werde ausgefragt und nicht andersrum und die Stimmung ist locker. Nun ja, es sind ja auch noch zwei Stunden, bis die Jungs auf die Bühne müssen.



"Wir genießen es, hier in Deutschland vor kleinerem Publikum zu spielen", versichert mir Mauricio, der junge Saxophonist. Er scheint der Diplomat in der Band zu sein. Ruhig und besonnen und er zeigt Interesse an den Menschen. "Wirklich?", entfährt es mir. "Naja, immerhin können wir uns dann wieder auf zu Hause freuen, wo es total abgeht." Alle grinsen. Der Erfolg scheint ihnen zwar nicht zu Kopf gestiegen zu sein, aber dass er gut tut, das merkt man ihnen schon an. Es ist nicht alltäglich, dass Bands aus Lateinamerika in Übersee touren und dabei auch Erfolg haben. "Zumindest den Popularitätsgrad steigern wir hier allmählich. Und das freut uns sehr. Und gerade, weil nicht jeder unsere Texte versteht, ist das ein tolles Gefühl." Martín, der Trompeter, ist begeistert. Er spricht am meisten hier im Esszimmer, das inzwischen auch den erforderlichen Biernachschub beherbergt. Darüber, dass es gut sei, jeden Tag woanders zu sein, dass man den Überblick verloren habe, wo man überhaupt gerade auftreten solle und dass drei Monate Tourleben einem schon auf die Nerven gehen können. Sie mögen es, so anstrengend das auch sein mag, jeden Tag abends auf den berühmten Brettern zu stehen und ihren Rock, Latino-Reggae-Mischmasch an das begeisterungsfähige Volk bringen zu können. "Jeden Tag spielen, das ist das Beste. Was würden wir auch tun mit einem freien Tag? Du kannst ja doch nichts damit anfangen", bringt es Leo, der Sound-Ingenieur, auf den Punkt.

Mittlerweile hab ich das dritte Bier intus und längst macht sich ein Kommen und Gehen in der jugendherbergsähnlichen Unterkunft bemerkbar. Die einen müssen noch duschen, die anderen spielen auf dem Gang Fußball mit einer kleinen Golfkugel und manche bleiben sitzen, weil sie noch Hunger haben oder sich vom mit reichlich Alkohol gefüllten Kühlschrank nicht lösen können oder wollen. Mein Sprachaufzeichner ist längst in Vergessenheit geraten. Wir sprechen über die Unterschiede von Auftritten in Uruguay, Argentinien, Spanien und Deutschland.



"In Uruguay haben wir eine noch junge Rockszene", wird mir vom Keyboarder Marcel erklärt. "In Argentinien ist das anders. Da gibt es die Szene schon sehr lange und es gibt zig gute Bands." Ganz konkret heißt das, in Uruguay geht es ruhiger zu, das Publikum ist höchstens mit Mate und Bombilla bewaffnet, aber ansonsten entspannt. In Argentinien elektrisieren Konzerte guter Bands im wahrsten Sinne des Wortes. Da wird gehüpft, getanzt, mitgesungen. Manchmal auch einen kleinen Tick rücksichtsloser. Das ist die Kehrseite der Medaille. "In Spanien ist das Publikum zurückhaltender, aber nicht besonders zugänglich. Hier in Deutschland ist das ganz anders. Es ist wirklich lustig hier zu spielen, weil die Leute offen sind und Interesse an neuen Dingen haben." Und das aus dem Munde von Bandleader Emiliano, kurz Emi. Er ist der letzte Übriggebliebene des Trios, das 1994 begann, um ein wenig Rockmusik zu machen und aus dem alsbald die achtköpfige Band No Te Va Gustar wurde. 2006 war ein schwieriges Jahr. Zwei des Ursprungstrios verließen nach erfolgreicher Produktion der vierten Scheibe Todo Es Tan Inflamable die Band, Songschreiber Mateo Moreno und Schlagzeuger Pablo Abdalá.

Die Band stand am Scheideweg und kurz davor, sich aufzulösen. Aber man raufte sich zusammen. Gerade auch, weil das jüngste Album ein großer Erfolg in Uruguay und Argentinien wurde.

Sie kamen zu dem Entschluss, dass man jetzt zwar neue Wege gehen müsse, aber dass man Lust habe, eine weitere Entwicklung in Kauf zu nehmen. Nun sind sie also zum dritten und sicher nicht zum letzten Mal in Deutschland.

Schließlich durfte ich dann noch den Manager Nicolas kennen lernen. Ein netter Typ. Wir unterhielten uns ein wenig über Rockmusik aus Uruguay, als ich plötzlich auch noch von einer Dame des Centro Argentino in München umarmt wurde. Sie hatte mich irrtümlich mit jemandem von der Band verwechselt. Nun ja, kann passieren. In jedem Falle wurde ich zum Weihnachtsmarkt eingeladen. Da gibt’s dann zwar kein Asado, weil es zu kalt ist, aber hoffentlich ein wenig Wein.

Ach ja, gespielt haben die Jungs natürlich auch noch. Zwar nur vor 150 Leuten, aber die sind in zwei Stunden wenigstens voll mitgegangen. Ich meine, eher mitgetanzt und das dauerhaft. Denn bei dieser Musik bleibt einem auch nichts anderes übrig.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

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