caiman.de 09/2010

[kol_2] Pancho: Bohnenmus, Übergepäck, kein Fisch
 
Was für ein herrlicher Morgen. Noch im Dämmerzustand, kurz vor dem eigentlichen Erwachen, vereinen sich die Geschmäcker feinsten in Sojasauce und Sesamöl marinierten Lachses und wilder, leicht bitter-scharfer Rauke. Die Kreation stammt von einer Freundin aus El Salvador, gute Köchin, prächtige Wangen. In El Salvador wird allein schon der Ruccula mit Gold aufgewogen. Ein winziger Bund, vielleicht 50 Gramm, kosten geschlagene fünf Euro.

Vorübergehend beheimatet in Dresden zieh ich los um diesen wunderbaren Tag zum Salvadoreña-Gedenktag zu erheben. Mein Mut allerdings verlässt mich zwei Stunden später, nachdem ich die mega angesagte Neustadt von links nach rechts und von oben nach unten durchstreift habe und kein einziges appetitliches Lachssteak, geschweige denn überhaupt eine Fischtheke, in mein Blickfeld geraten war. Ohne Fisch keine Fotos, ohne Fotos kein Rezept. Sorry!

Aus Venezuela kann ich was berichten. Nix Aufregendes. Wir waren ein paar Tage unten auf Los Roques. Müsst ihr unbedingt mal hin, falls ihr das Nichtstun am Strand genauso schätzt wie der alte Pancho. Vier Tage waren wir dort und zum Abflug trifft man sich unter einem Bretterverschlag.


Der einzige anwesende Offizielle hat ne recht kreative Anordnung von Orgelpfeifen. Hat vielleicht im Schlaf etwas zu viel mit den Zähnen geknirscht. Dann 12 Minuten vor Abflug trifft weiteres Bodenpersonal ein: Eine Dame mit einer Personenwaage unter dem Arm. Kaum hat sie sich am Straßenrand niedergelassen, winkt sie die ersten Wartenden heran, notiert Daten aus dem Passport und weist mit strengem Nicken an, Koffer für Koffer auf der Waage zu platzieren. 15 Kilo Übergepäck. 5x15 Bolívares Fuertes, umgerechnet 15x1 Euro, kassiert sie beim ersten Reisenden dafür.



Nach 11 Minuten sind alle acht Reisenden eingecheckt und begeben sich aufs Rollfeld. Nett, beschaulich, tiefe Schlaglöcher und der gezahnte Offizielle, der sich an einer Kokosnusspalme zu schaffen macht.


Der Hunger verursacht bereits Übelkeit und Atemnot. Nun sind wir wieder in der sächsischen Landeshauptstadt. Noch mal rüber übern Martin-Luther-Platz und auf dem direkten Weg zum lateinamerikanischen Delikatessen-Laden auf dem Bischofsweg. Der Laden ist komplett leer gekauft, einzig eine Dose frijolítos fritos einer mexikanischen Lebensmittelkette steht angestaubt im Regal. Im Kühlschrank greife ich noch zwei Bohemia – das muss Jahrzehnte her sein, dass ich freiwillig mexikanisches Bier verkostet habe. Ich würfele eine Zwiebel und brate sie leicht an, gebe Salz und das schwarze Bohnenmus dazu und drehe und wende es so lange in der Pfanne bis ich daraus eine feste Rolle formen kann. Dazu hacke ich 25 frische Jalapeños und träume von ner Wohnung mit Fischtheke.

Text + Fotos: Dirk Klaiber

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