caiman.de 08/2008

[art_1] Spanien: El Greco und Toledo
Grelle Ikonen vom Mystiker der Leinwand

Gegen Ende des Jahres 1582 erreichte Toledo, die Stadt im Herzen Kastiliens, die 1560 die Hauptstadtwürde an das Dorf Madrid hatte abgeben müssen, eine Botschaft König Philipps II. von Spanien. Sie enthielt die Antwort auf ein gemaltes "Bewerbungsschreiben".  Es war eine Absage: Seine Majestät Philipp II. hatte keinen Gefallen an dem monumentalen Gemälde "Martyrium des heiligen Mauritius" gefunden, so dass sein Autor nicht mit weiteren königlichen Aufträgen rechnen durfte. Der Name des ausländischen Malers, der diese enttäuschende Absage verkraften musste, war Domenikos Theotokopoulos, doch alle nannten ihn einfach nur "El Greco." Seine genaue Reaktion auf diese Abfuhr ist nicht überliefert. Ob er vielleicht vor Wut Pinsel und Palette gegen die Wand schleuderte? Jedenfalls hatte er sich sehr viel erhofft von diesem Auftrag zur Dekoration des Escorial-Palasts, doch nun waren seine Pläne von einer Malerkarriere am Königshof abrupt beendet worden.



Die Kirche Santo Tomé in Toledo.
Hier befindet sich El Grecos Hauptwerk "Begräbnis des Grafen Orgaz".


Rückblickend war dieser Misserfolg jedoch ein Glücksfall - sowohl für den glamourösen Maler als auch für die aristokratische Metropole Toledo, die damals mehr Einwohner besaß als heute. Denn selten hat es eine so enge Symbiose zwischen einem Künstler und seiner Wahlheimat gegeben wie im Fall von El Greco und Toledo. Geboren wurde der größte Maler Toledos allerdings als Kyriakos Theotokopoulos 1541 in Kandia (heute Heraklion) auf der Insel Kreta, als diese zum venezianischen Imperium gehörte.

Dort erhielt er eine Ausbildung als Ikonenmaler, bevor er spätestens 1567 nach Venedig auswanderte. In der Lagunenstadt wurde er Schüler von Tizian und Tintoretto und verwandelte sich unter deren Einfluss in einen Meister der Renaissance. Seinen ursprünglich byzantinischen Stil geprägt von flächiger Darstellung ohne Perspektive und düsteren Farben entwickelte er beeindruckt von der Farbenpracht der venezianischen Malerei weiter zu Darstellungen von räumlicher Tiefe, lichten Rot- und Gelbtönen und Kompositionen voller Dynamik. Doch obwohl er sich alsbald einen Namen machte (in Italien nannte er sich "Domenico"), wollte ihm der große Durchbruch in der Malermetropole Venedig nicht gelingen - zu genial und etabliert war die Konkurrenz: Tizian, Tintoretto, Veronese, Bassano. Vielleicht auch aus diesem Grund ging El Greco 1569 nach Rom, wo die Situation allerdings ähnlich war. Zwar erlangte er auch hier eine gewisse Berühmtheit - unter anderem durch eine prachtvolle "Verkündigung", doch die Fraktion der Nachahmer von Michelangelo und Raffael blieb tonangebend in der Residenzstadt des Papstes.

Dabei mangelte es dem Meister aus Kreta keineswegs an Selbstbewusstsein. El Greco schlug allen Ernstes vor, die Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle abzuschlagen, damit er selbst sie an dieser Stelle neu malen könne. Dieser Vorschlag löste einen Sturm der Entrüstung aus und wurde natürlich abgelehnt. Als der große Tizian in seinem Todesjahr 1576 ein Empfehlungsschreiben für El Greco an König Philipp II. sandte, der für die damals größte Baustelle Europas, den Escorial-Palast, zahlreiche Künstler zur Dekoration der über 1000 Räume seiner neuen Residenz suchte, wagte der griechische Maler mit 35 Jahren einen weiteren Neubeginn in Spanien.

Toledo macht einen Ausländer zum Jahrhundert-Genie
Bereits in Rom hatte El Greco einige Intellektuelle kennen gelernt, die aus Toledo kamen und die ihn bei seinem Start in Spanien unterstützten. Deshalb ging er nicht nach Madrid, sondern in die alte Hauptstadt Toledo. Der vergoldete Hochaltar für das Toledaner Kloster Santo Domingo mit den Bildern der Himmelfahrt Marias und der Dreifaltigkeit im Zentrum war das erste Werk, das El Greco für seine neue Wahlheimat malte (1577, das Original befindet sich heute im Prado). Es wird dominiert von einer frappanten Farbenpracht, die zwar unter dem Einfluss von Tizian und Tintoretto entwickelt, aber von dem eigenwilligen Meister aus Kreta mit revolutionärer Radikalität fortgeführt wurde.

Die lichterfüllten, grellen Farben, aus denen die Gewänder der überirdischen Wesen bestehen, erinnern in ihrer Aufdringlichkeit fast an Pop-Art: das Purpur-Rosa und intensive Himmelblau der Engelsschleier und das Goldgelb des Gottesmantels. Wie ein riesiges Fragezeichen erscheint der bizarr gekrümmte, elfenbeinfarbene Körper des toten Erlösers in den Armen des Vaters, darüber der Heilige Geist in der üblichen Gestalt einer Taube, die aus dem Bild heraus zu fliegen scheint, einen Schweif aus blendendem Licht hinter sich her ziehend.


Source: wikimedia commons
http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/g/greco_el
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Das Jahr des ersten Toledaner Werks des ehemaligen Ikonenmalers Theotokopoulos geht als "Mystisches Jahr" in die Annalen Toledos ein, denn ebenfalls 1577 verfassten die beiden Karmeliter Theresa von Ávila und San Juan de la Cruz ihre Hauptwerke: Theresa vollendete die "Siete Moradas" und San Juan schrieb im Kerker der Inquisition in Toledo (!) den ersten Teil des "Cántico" und sein geniales Gedicht "Noche Oscura". Ob El Greco, wie manche Kunsthistoriker behaupten, die beiden größten Mystiker Spaniens in Toledo persönlich kennen gelernt hat, ist nicht bewiesen und darf bezweifelt werden. Aber es ist wahrscheinlich, dass er zumindest die Werke der überaus erfolgreichen Theresa gelesen hat und möglicherweise von ihrer kristallenen Seelenburg und ihren detailliert beschriebenen "Ekstasen" inspiriert wurde, vor allem in seiner letzten Schaffensphase ab ca. 1600.

Doch schon vorher sind die Hauptwerke des Griechen von einer einzigartigen mystischen Hingabe durchdrungen, die in Toledo auf fruchtbaren Boden fiel. Als er 1579 sein monumentales, für die Sakristei der Kathedrale komponiertes Gemälde "El Expolio" (Die Entkleidung Christi) übergab, schwankten die Reaktionen zwischen Begeisterung und völliger Ablehnung. Das Domkapitel, das den Auftrag für dieses Werk vergeben hatte, war entsetzt darüber, dass in dem Gemälde einige Personen (im Hintergrund) über Christus gestellt waren und einige Kleriker waren irritiert über die in ihren Augen seltsame Darstellung. Sie wollten ihm nur die Hälfte des vereinbarten Preises von 3500 Reales zahlen und drohten sogar, ihn vor der Inquisition wegen Ketzerei anzuklagen.

In der Tat musste dieses revolutionäre Bild die zeitgenössischen Betrachter beunruhigen: der Purpurmantel, den Christus hier trägt, ist nicht mit Purpur, sondern mit grellem Blutrot gemalt, so dass die Figur des Erlösers wie eine Flamme im Bildzentrum lodert, umgeben von düsteren, fast expressionistisch wirkenden Fratzen seiner Folterknechte. El Greco hat um Christus als Lichtgestalt, der seine Peiniger verdunkelt, einen Kreis von grausamen Gestalten inszeniert, die den Heilsbringer von allen Seiten umzingeln und bedrängen. Die Gewalt der Folterung, obwohl nicht direkt gezeigt, wird auf beängstigende Weise spürbar.


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In diesem Geniestreich stellt der Meister aus Kreta Jesus mit verklärtem Gesicht und als Verkörperung bedingungsloser christlicher Liebe und Aufopferung dar - verfolgt und gefoltert von den Abgesandten eines fanatischen Hasses. Dass diese zutiefst christliche Interpretation der Passion Christi von einer Kirche, die selbst mit den Folterknechten der Inquisition ihre "Herde" drangsalierte, kaum verstanden wurde, ist nicht weiter verwunderlich. Doch schließlich wurde der Streit zwischen Autor und Auftraggebern durch ein Schiedsgericht beigelegt, das den Wert dieses Gemäldes neu schätzen sollte. Der Vorsitzende der Kommission teilte die Begeisterung des Volks von Toledo und bezeichnete "El Expolio" als "eigentlich unbezahlbar". Der skandalöse Prozess um die Bezahlung des Passionsbilds bedeutete für El Greco die beste "Publicity" - sein Name wurde bekannt in ganz Spanien.

Zwischen 1586 und 1588 malte El Greco sein Hauptwerk, das ihn endgültig unsterblich machen würde: das "Begräbnis des Grafen von Orgaz". Dieses Bild, das vom Pfarrer der Kirche Santo Tomé in Auftrag gegeben worden war, besaß herausragende Maße: fast fünf Meter hoch und drei Meter sechzig breit. Die pompöse Komposition wird dominiert vom Kontrast zwischen "irdischer" und "himmlischer" Ebene.

Während die auf der Erde stattfindende Szene der Grablegung des Grafen vor allem in den Farben Schwarz (die Gewänder der spanischen Granden und die Rüstung des Grafen) und Weiß (die Gesichter und Halskrausen der Adligen) gehalten ist, entfesselt El Greco in den himmlischen Sphären in der oberen Bildhälfte ein unwirklich leuchtendes Farbspektrum mit verfremdeten Formen.


Source: wikimedia commons / Petrusbarbygere
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In der unteren, irdischen Bildhälfte sind Formen und Konturen konkret und klar umrissen, alle Details (z.B. die Stickereien auf dem prächtigen Bischofsmantel des Augustinus) sind deutlich zu erkennen. Im Szenarium des Himmels erscheinen zwar einige konventionelle Symbole wie die Schlüssel des Petrus, doch insgesamt wabert dort ein von merkwürdig grellen Farben illuminierter Lichtnebel, der viele Gesichter und Gestalten sowie Engelsköpfe nur erahnen lässt. Lediglich einzelne Figuren treten klar aus dem Lichtnebel hervor, doch auch sie sind mit verfremdeten Farben gemalt. Die Haut Johannes des Täufers schimmert grünlich, Christus ist umstrahlt von einem poppigen Gelb und Mantel und Schleier der Jungfrau Maria zeigen die beiden Farben, die zu einem Markenzeichen von El Greco werden sollten: ein verwaschenes, verklärtes Blau und Rot. Im Mittelpunkt des Monumentalbildes präsentiert der Meister das gewagteste Element: den Seelenflug. Ein Engel mit goldfarbenem Gewand und weit ausgebreiteten Flügeln trägt eine von innen strahlende, transparente Hülle aus Licht - die Seele des verstorbenen Grafen - zum Himmel empor. Kein Künstler hatte es vor ihm gewagt, dieses tiefste Glaubensgeheimnis vom Übergang der Seele in die Ewigkeit so direkt darzustellen. Dieses Werk El Grecos gehört zu den zehn wichtigsten Bildern der Kunstgeschichte und es gibt bis heute Besucher, die nur wegen dieses Gemäldes nach Toledo kommen. So hatte es sein Schöpfer - ebenso unbescheiden wie zutreffend - selbst prophezeit, indem er nach Vollendung des "Conde Orgaz" sagte, dass erst künftige Generationen seinen Wert erkennen und in ihm eines der größten Genies der Malkunst sehen würden.

Realistische Porträts und mystische Visionen
Obwohl die bekanntesten Bilder des ehemaligen Ikonenmalers visionäre religiöse Darstellungen von monumentaler Größe und voller Pathos sind, hat er auch zahlreiche kleinformatige Porträts gemalt, die ganz ohne Stilmittel der Verfremdung auskommen und bis ins kleinste Detail so realistisch wirken, wie man es später nur noch von Velázquez kennt. Ein gutes Beispiel ist das Porträt von Antonio Covarrubias (gemalt 1601), einem Kanoniker der Kathedrale von Toledo.

Aristokratisch gekleidet, voll stolzer Grandeza, aber auch mit weißem Haar und schon altersmüdem Blick, aus dem eine gewisse Schicksalsergebenheit spricht, präsentiert sich dieser Kleriker fast wie eine Symbolfigur für die Lage des spanischen Imperiums, das in stolzer Realitätsferne seinem eigenen Niedergang zusah.


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Dieses beeindruckende Bild hat Ähnlichkeit mit El Grecos berühmtem Selbstporträt, das er wahrscheinlich um 1595 gemalt hat, und in dem er sich selbst auch mit aristokratischer Haltung, aber sehr melancholischem Blick darstellt. Hier dokumentiert El Greco auch, dass er zwei typisch spanische Eigenschaften offenbar verinnerlicht hat: Stolz gegenüber den Menschen und Demut vor Gott.

Seinen Sohn Jorge Manuel, ebenfalls ein Maler, hat der Meister mit heiterem Gesichtsausdruck beim Akt des Malens porträtiert. Dabei trägt er keine Arbeitskleidung, sondern die eleganten, schwarz glänzenden Festtagsgewänder und die typische weiße Halskrause eines Granden - auch dies ein Ausdruck des Selbstbewusstseins der Familie des eingewanderten Griechen. Das Porträt seines Sohns befindet sich heute im Museo de Bellas Artes von Sevilla.


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Seine schöne Lebensgefährtin Jerónima de las Cuevas hat El Greco oft als Jungfrau Maria in seinen Werken verewigt, so z.B. in einem intimen Bildnis der Mater Dolorosa, geschaffen zwischen 1590 und 1595 (heute im Museum von Straßburg). Ganz ohne bunten Pomp kommt dieses Gemälde aus. Ergreifend in ihrer Einfachheit und still in sich gekehrten Trauer ist diese in schlichtem Blau und Weiß gekleidete Madonna, der die Frau El Grecos ihr wunderschönes Gesicht gibt.

Im Jahr 1606 malt er das vielleicht berühmteste seiner vielen Christus-Porträts. Auch dies ein unpathetisches, stilles Andachtsbild: der Erlöser wirkt in seiner Haltung von statischer Majestät byzantinisch beeinflusst, auch der Gestus seiner segnenden rechten Hand erinnert an die Pantokrator-Darstellung byzantinischer Ikonen. Die Farben sind nicht grell, sondern wirken wie ausgewaschen, scheinen von innen zu leuchten und sollen Verklärung suggerieren. Doch alles wird überstrahlt vom dunklen, hypnotisierenden Blick dieses Christus, den eine sakrale Aura umgibt, die so intensiv ist, dass nicht wenige Besucher der Sakristei der Kathedrale von Toledo sich niederknien.

In seinen Heiligenporträts (allein den heiligen Franziskus malte er 25 Mal) und seinen Apostelserien verband El Greco oft realistische Personendarstellung mit ekstatischer Emotionalität, z.B. bei dem Petrus-Gemälde mit dem tränenerfüllten Blick. Vor allem seine späten, nach 1600 gemalten Heiligenbilder sind mehr "Gefühlsexplosion" als Personendarstellung. El Greco scheint zu schwelgen in surrealistischen Visionen, malt die Gestalten immer langgestreckter und bizarr verformt, insbesondere die Hände unnatürlich vergrößert, Figuren die aussehen wie Flammen des Heiligen Geistes, Engel wie Schmetterlinge mit riesigen, bunt schillernden Flügeln, die Körper verklärt wie Lichtquellen. Farben und Formen wirken verfremdet wie in einem Fiebertraum, manche Details wirken wie unter Drogeneinfluss gemalt - kein Wunder, dass die eifrig Drogen konsumierende 68er Generation El Greco mit Begeisterung wieder entdeckte. Aber es gab auch Kunsthistoriker, die sein Spätwerk als "ekstatische Entgleisungen" ablehnten oder über eine Geisteskrankheit als Ursache solch bizarrer Maltechnik spekulierten. So bezeichnet Carl Justi, der Velázquez-Experte, El Greco als "...einen Geisterseher...ein pathologisches Problem, für das ein Arzt zuständig war."

Ob er wirklich der große "Mystiker der Leinwand", der Prophet mit Pinsel und Palette war, für den ihn manche halten? Im realen Leben gab er sich keineswegs weltfremd, sondern liebte den Genuss und ein luxuriöses Leben, für das er sich auch in Schulden stürzte, wie mehrere Quellen berichten. Als Mensch wollte er sich vor allem in der noblen Gesellschaft seiner geliebten Stadt Toledo einen privilegierten Platz erobern.


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Toledo als sakrale Seelenlandschaft El Grecos
Heute präsentiert sich Toledo als Museum seiner selbst und als Bollwerk einer ultrakonservativen spanischen Kirche. Damals dagegen war es eine sehr lebendige Stadt und Ausgangspunkt religiöser Reformen und vom Volk getragener, engagierter mystischer Bewegungen. Es herrschte Aufbruchstimmung und eine echte Begeisterung für sakrale Meditation, wie sie auch El Greco immer wieder in seinen Bildern zum Ausdruck bringt.

Wenige Jahre vor seinem Tod malt El Greco 1610 ein sensationelles Landschaftsbild, das sogar die Liebhaber der Moderne, die seine typischen religiösen Bilder meist ablehnen, tief beeindruckt hat: "Vista de Toledo" (deutscher Titel: "Toledo im Gewitter"). In einer Epoche, in der kaum ein Kunde ein reines Landschaftsgemälde kaufte, hat El Greco dieses mit impressionistischer Maltechnik ausgeführte Werk offenbar nur für sich selbst gemalt. Es scheint wie ein gemalter Dank an seine Wahlheimat Toledo für all die Inspirationen, die ihm hier geschenkt wurden. Und doch ist dieses Gemälde kaum als normales Landschaftsbild oder Stadtporträt zu betrachten, sondern strahlt eine metaphysische Bedeutung, eine religiöse Botschaft aus. "Toledo im Gewitter"  ist gemalt wie ein apokalyptischer Fiebertraum. Man könnte es als "ekstatisches Landschaftsbild" bezeichnen. Die Fronten der Finsternis und des Lichts prallen überall in diesem beunruhigenden Stadtpanorama aufeinander, scheinen sich in ständiger Bewegung zu verschieben, wie bei einem realen Gewittersturm, dessen Blitzschläge plötzlich einzelne Elemente grell beleuchten, um sie im nächsten Moment wieder in tiefes Dunkel fallen zu lassen. Das reale Toledo ist zu erkennen: die tiefe Schlucht des Tajo, die Alcántara-Brücke, der Hügel des Alcázars und der hoch aufragende Turm der Kathedrale. Aber die Formen sind hin zum Symbolischen verfremdet, die Farben unnatürlich, es dominieren ein fast zum Schwefelgelb hin tendierendes, flammendes Grün und kalte Blautöne, zwischen Grau und dem Violett der Sturmwolken changierend.

Kaum jemand kann bestreiten, dass dieses "Toledo im Gewitter" weniger eine reale Stadtansicht, sondern vielmehr eine Seelenlandschaft darstellt, in der die apokalyptische Schlacht zwischen Gut und Böse, zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis ausgetragen wird. Die stolzen Gebäude dieser Traumstadt heben sich seltsam illuminiert vom düsteren Hintergrund ab.


Source: wikimedia commons / Shakko

Doch es scheint weniger ein Blitzschlag, der sie in grelles Licht taucht. Kathedrale, Alcázar und die anderen Bauwerke scheinen vielmehr von innen zu leuchten.

El Greco hat hier Toledo als die Stadt Gottes des Augustinus, als das "himmlische Jerusalem" der Apokalypse auf die Leinwand gebannt. Sein Stil, den er erst in Toledo fand, ist absolut einzigartig, weder der Renaissance noch dem Barock eindeutig zuzuordnen. Der von ihm meisterhaft porträtierte Mönch und Dichter Hortensio Paravicino schrieb in einem Sonett über El Greco: "Kreta gab ihm das Leben und die Pinsel - Toledo gab ihm wahre Heimat, wo er mit dem Tode die Ewigkeiten erlangte."

Text + Foto 1: Berthold Volberg
Fotos 2-8: wikimedia commons (jedes Foto hieraus kopiert)

File Histories:
El Greco: El entierro del Conde Orgaz (Iglesia de Santo Tomé, Toledo):
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El Greco (1541-1614), Entierro del Conde de Orgaz, Tolède. {{PD-art}} El Greco Category:El Greco)

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El Greco (1541-1614), Antonio Covarrubias {{PD-art}} El Greco Category:El Greco)

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({{Information |Description=Retrato de Jorge Manuel Theotocópuli
|Source=http://www.juntadeandalucia.es/cultura/museos/GENERICO/S2_3_1_1nolupa.jsp?idpieza=877&pagina=1
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20:17, 26 March 2006 1,024?1,145 (235 KB) Nixdorf (Talk | contribs)
(''View of Toledo'' by El Greco a famous painting in Mannierism style.)

Links:
Gemäldefotos von El Greco im Netz:
Fray Hortensio Félix Paravicino
El Expolio del Greco Catedral de Toledo
La Trinidad
Blick auf Toledo
Gemäldesammlung

Artikel:
El Greco (sp)

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