caiman.de 07/2010

[kol_1] Grenzfall: Wenn der Fischbussard dem Piranha zu Leibe rückt
 
Los Llanos. Ein Trip in die Steppe Venezuelas, in der Fernglas und Kamera nur zur Ruhe kommen, weil die Temperatur zur Mittagszeit die Reisende in die Hängematte zwingt. Ein Trip, bei dem die Hitze sichtbar wird, während sich der eine an dem anderen labt, der Storch am Wels aus dem Tümpel, dessen Wasser in einer atemberaubenden Geschwindigkeit verdunstet, die Reisende an der bis zum Rand gefüllten Eis-Bierbox und der Kaiman am größten Räuber der Los-Llanos-Gewässer, dem Piranha.



Der Kaiman ist aber nicht der einzige, dem der Piranha an diesem Nachmittag mundet. Noch leicht benebelt, gerade erwacht aus den Tiefen des mittäglichen Schlafes, in dessen Verlauf sich eine Gruppe von Sittichen im Baum über der Hängematte positioniert hat, um sich mit den Früchten des schattenspendenden Riesen einzudecken und an Ort und Stelle zu verzehren und über den zierlichen Verarbeitungstrakt wieder auszuscheiden, bleibt von der Reisenden, notdürftig wieder reingewaschen, unbemerkt, dass das Einbaumpersonal bereits mit Schnur und Haken diversen Cariben, so der Name der hiesigen, maximal taschenbuchgroßen und damit fast kleinwüchsigen Piranhaart, zu Leibe gerückt war. Drei Stück haben sie aus dem Wasser gezogen und mit einem kleinen Stück Dörrast so präpariert, dass sie nicht unter gehen können, sondern für den Fischbussard gut sichtbar auf der spiegelglatten Wasseroberfläche treiben.



Erst jetzt, als sich der Bussard, den Leckerbissen fest im Visier, in die Lüfte erhebt und sich herabstürzend dem gepfählten Piranha nähert, erkennt die Reisende, immer noch mit dem Abkratzen diverser Reste „austretender“ Sittiche beschäftigt, die Situation, zückt schneller als der Bussard stürzt die Canon und schnappschusst, klack, klack, klack.



Des Abends, frisch geduscht, die SD-Karte geknutscht und einem unbezahlbaren Schatz gleich neben der Locke des Liebsten am Herzen tragend, verkostet die Reisende ihren ersten frittierten Piranha, den sie selbst aus dem Wasser gefischt, und himmelhoch jauchzend preist sie Los Llanos, die Steppe Venezuelas.



Fotos: Frank Sippach
Text: Dirk Klaiber

Tipp:
Detaillierte Informationen zu Reisen in Venezuela:
Posada Casa Vieja Mérida



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