caiman.de 06/2012

[kol_1] Hopfiges: Águila / ohnegleichen, immer gleich / aber Bier?
 
1913 ward in Baranquilla das Bier Águila geboren und sein unverwechselbarer Geschmack ließ es zum Stolz aller Kolumbianer werden. (Zitat auf der Flasche)

81 Jahre später: Denke ich zurück an meine Reise durch Kolumbien in Verbindung mit Águila, so sind mir vor allem zwei Szenen in Erinnerung geblieben.

1. In Cartagena de Indias hat ein deutscher Reisender im Águila-Koks-Liebeskummer-Rausch sämtliche Waschbecken der Gemeinschaftstoilette unseres Hostals zertrümmert.

Am nächsten Morgen war nur noch von dem Nazi aus Deutschland die Rede. Abends sind wir dann rüber in die Stierkampfarena zum Festival de Caribe. Auf den Werbeplakaten lockte ein ausladendes vibrierendes Hinterteil die Massen herbei. Mit eben diesem tanzte ich in Reihe acht gerade zu El General als unsere Freundin aus Spanien plötzlich fauchend mit dem Zerkratzen der Gesichter und dem Aufschlitzen ihrer eigenen Pulsadern drohte. Am nächsten Morgen erkundigte ich mich, ob statt des Nazis aus Deutschland möglicherweise Nelly El Elefante aus Valencia für das Massaker in der Toilette verantwortlich gewesen sei.

2. In Bogotá landeten wir mit sechs Stunden Verspätung und die Nacht war bereits herein gebrochen. Die im aktuellen Lonely Planet gepriesenen Hotels gab es entweder nicht mehr oder aber der Taxifahrer konnte sie nicht finden. Letztendlich landeten wir in einer Absteige gegenüber dem Museo de Oro. Zum Hotel gehörte eine Bar mit Bordellbereich. Auf der Suche nach Bier wurde uns schnell bewusst, dass wir an einen Montagabend – lediglich Pärchen erhalten Einlass in was auch immer – auf der Straße – wir wurden zwei Mal innerhalb von fünf Minuten mit einem Messer bedroht – nichts verloren hatten. Also zurück und in den Puff. Semiglücklich tranken wir recht zügig. Nach 20 Minuten beschlossen wir, einen Sixpack Águlia mit nach oben in unsere Gemächer zu nehmen. Dort entstand eines meiner Lieblingsfotos. Eine Art Bodenbelag war noch bruchstückhaft vorhanden. Überall Kakerlaken. Dazwischen unsere beiden letzten Dosen Águila. Leider ist das Foto in einer der zahlreichen Umzugskisten gelandet, die bei Marco im Keller stehen. Lustigerweise ist Marco der beste Freund von Nelly El Elefante.



99 Jahr später: Im Lidl in Katalonien grinst aufdringlich fies ein Águila vom oberen Regal herab. Das schrille Etikett weckt prompt die oben geschilderten Erinnerungen. Im Gegensatz zu meinen Synapsen erinnern sich die Geschmacksnerven nicht mehr an die Águliaverkostung zu Jugendzeiten. Also lasse ich mich darauf ein. Erstes Plus: Auch in Übersee hat die Brauerei den Kronkorken zum Aufdrehen beibehalten. Zweites Plus: Der Verschluss ist nicht oxidiert. Drittes Plus: Águilas Design ist und bleibt trashig und sticht so aus der Masse hervor. Viertes Plus: Hoher Völkerverständigungsfaktor, denn in Kolumbien ist Águila allgegenwärtig.

Doch dann wird es finster: der Geruch ist malzig und süß. Der erste Schluck hinterlässt den Eindruck von Blubberwasser. Auch beim zweiten und dritten stehen die Attribute leicht und wässrig im Vordergrund. Gar entsteht der Eindruck, dass es sich ohne die minimale Bitternote um eine Art Roh-Limo-Verkostung handeln könnte. Also einer Limo, der die Geschmacksrichtung Zitrone oder Orange noch nicht beigemischt wurde.

Konsequenter Weise opfere ich also den restlichen Inhalt der Mutter caimán und bete, dass sich der erste Teil des Slogan sin igual y siempre igual (ohnegleichen und immer gleich) bewahrheiten wird.

Bewertung Águila:

1. Hang over Faktor
(4 = kein Kopfschmerz):
2. Wohlfühlfaktor (Hängematte)
(4 = Sauwohl):
3. Etikett/Layout/Flaschenform
(4 = zum Reinbeißen):
4. Tageszeit Unabhängigkeit
(4 = 26 Stunden am Tag):
5. Völkerverständigung
(4 = Verhandlungssicher):

Text + Fotos: Dirk Klaiber

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