caiman.de 02/2012

[kol_3] Grenzfall: Ich war das WEISS DAMM
 
Als Corona auf den deutschen Biermarkt drängte, Ende der 80er Jahre, hätte ich mir nie im Leben träumen lassen, dass das Reinheitsgebot fällt und die Regale gefüllt würden mit Blubberwasser, dass das Wort Bier im Namen tragen darf.

Dann kam das Brauereiensterben bzw. das Aufkaufen und Vereinheitlichen des Biergeschmacks. Zudem drängten einige Biere auf den landesweiten Markt und darüber hinaus. Trotzdem blieb eine gewisse Vielfalt regionaler Sorte erhalten. Es kann also von keiner Kriese gesprochen werden. An anderen Ländern wie Venezuela ging die Coronaisierung nicht spurlos vorbei und es ist heute durchaus schwierig ein gutes Bier zu bekommen, was noch in den Neuzigern immer, überall und 24 Stunden am Tag der Fall war.

Jetzt bahnt sich ein neuer Angriff auf das schmackhafte und bezahlbare Gold der einfachen Frau / des einfachen Mannes an. Neulich in einem Weinlokal im Prenzlauer Berg wird mir das Bier wie ein edler Rebentropfen angepriesen. Es konnte nach dieser Ansage gar nicht mehr schmecken. Aber selbst, wenn ich die Wortakrobatik zu Südhang des Hopfenanbauss und Spezialröstverfahren des Malzes ausblenden hätte können, es war widerlich. Furchtbar würzig, schwer wie ein Winzerwanz und teuer. Alles, was ich wollte, war nach hartem Tage, schnell ein paar kippen. Aber ich ließ zum ersten Mal in meinem Leben ein Bierglas halbvoll zurück, um in den nächsten Kiosk zu eilen.



Meisterköche und ihre Sommeliers sehen sich urplötzlich berufen, zu panschen oder noch schlimmer: Sie werden eingeladen bzw. geradezu hofiert von Brauereien, um den Braumeistern – ich mein ich hab schon ein paar angewidert und düstere Gedanken heckend in dunklen Ecken ausmachen können – in die Seite zu pfuschen.

Am übelsten wird den spanischen durchaus trinkbaren Bieren mitgespielt. Vor zwei Jahren dominierten sie die Supermarktauslagen und müssen sich nun den Platz teilen mit Gebräuen, die alle finanzielle Vorstellkraft sprengen: bis zu 4 Euro für eine Flasche extravagantes Bier – oder vielmehr gepunchtes auf Basis von Hopfen und Malz – im Supermarkt. Und dann das aufgeblasene Anpreisen, das auf Hochglanz veranschaulichte Prozedere des korrekten Einschenkens, Servierens und Degustierens.

So auch das durchaus gelungene Weizenbier namens WEISS DAMM, dass meine Schwester in dieser Ausgabe mit ihrem abgebrochenen Wasser-Sommelier-Ausbildungsgaumen mit dem Geschmack von Zitrusfrüchten in Verbindung bringt. Bei weitem schlimmer aber ist die DAMM eigenen Website zum WEISS: Es schmecke nach Banane, reifem Pfirsich, Orangenschale und Gewürznelken. Da schüttels mich!



Der Zeitpunkt für die Revolution, die den herkömmlichen Biermarkt Spaniens durcheinander wirbelt, scheint schlecht gewählt. Zielgruppe dürften Spaniens Prenzlauer-Berg-Stereotypen sein: jobmäßig gesettelt, ihre Kreativität auslebend, Spass am Geldausgeben für ökologisch gute Zutaten und vertraut mit den Namen größer Köchinnen und Köche. Genau diese Zielgruppe entflieht nun. Seit 2011 zählt Spanien wieder zum Auswanderland, wie schon das gesamte 20. Jahrhundert über bis Ende der 80er Jahre. Zum ersten Mal seit über 20 Jahren liegt die Auswanderzahl höher als die der Einwanderer.

Wird sich das WEISS DAMM mit dem recht stolzen Preis von knapp einem Euro für 0,33l halten? Die Klassiker wie Estrella, San Miguel oder Cruzcampo liegen bei 50-65 Cent. Und es drängen immer mehr Billigbiere in die Regale. Dank der Partnerschaft von DAMM mit der belgisch-brasilianischen InBev gibt es als Alternative für Liebhaber des Weizenbieres in den meisten katalanischen Supermärkten auch Franziskaner Weissbier. Der Preis ist nur geringfügig höher als der des WEISS DAMM bei mehr Inhalt – wie in Deutschland hat das Franziskaner 0,5l-Inhalt.

In der Redaktion hatten wir diskutiert, ob wir den Titel Ich war das WEISS DAMM für einen Nachruf aufsparen. Mit drei zu eins aber glauben wir an eine Chance für das katalanische Cerveza de Trigo. Bei reihenweise anderen Sorten – da sind sich die drei Text-Redaktionen einig – hätte das Ergebnis ein klares vier zu null gegen das jeweilige Gebräu geheißen. Aber dazu mehr in den folgenden Ausgaben.

Text +Fotos: Máximo Tigre Hausmeister

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