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Blutrausch oder wie die Laus in den Campari kam

Wir schreiben das Jahr 1518. Ein gewisser Manuel López de Villavicencio verschleppt aus Mexiko eine ganz besondere Tierart nach Europa. Als Folge dieser Tat werden Millionen unschuldiger Kreaturen ausgebeutet und bluten. Die amerikanische Koschenille-Schildlaus avanciert, zumindest für einige Zeit, neben Gold und Silber zum gewinnträchtigsten und wichtigsten Importprodukt aus der Neuen Welt.

Über 150.000 Tierchen müssen für 1 Kilogramm roten Farbstoff zerquetscht werden. Spanien wird einen Reichtum erlangen als hätten sie höchst selbst das El Dorado entdeckt.
Zumindest die Purpurschnecken werden aufgeatmet haben; Jahrhunderte lang, seit den Phöniziern, mussten für ein einziges Gramm des leuchtendroten Farbstoffes 8000 Schnecken ihr Leben lassen.

Da sich in den Drüsen dieser bedauernswerten Geschöpfe nur ein winziger Tropfen der Flüssigkeit befindet, aus der, nach wochenlangen recht unappetitlichen Prozeduren (Einkochen in Urin und Selektion der verdorbenen Fleischteile) nur ein sechzehntel Tröpfchen Farbe entsteht, war Purpurrot den hohen Würdenträgern, also Senatoren und Kaisern vorbehalten. Die Färberei stand sogar unter staatlicher Aufsicht, damit mit dieser kostbaren Farbe kein Unfug getrieben wurde.

Im 16. Jahrhundert erlangte die europäische Tuchindustrie an Bedeutung. Man war daher schon lange auf der Suche nach einer günstigeren Methode, das selbe strahlende Rot auf einfachere Weise zu gewinnen. Und nicht zuletzt deshalb erhofften sich die so genannten Entdecker auf ihren Fahrten auf bisher unbekannte Pflanzen zum Einfärben von spanischen Textilien zu stoßen.

Die bis dato bekannte Alternative, das Karminrot mit gemeuchelten Artverwandten, den Schildläusen, zu gewinnen, ergab nur einen billigen, wenig überzeugenden Abklatsch des Purpur: Das Blut der europäischen Kermes-Schildläuse ist eher wässrig-rot und hat keine Leuchtkraft. Zudem zügelten diese Insekten geschickter Weise ihre Vermehrungsfreude, so dass sich ihre Zucht als recht unproduktiv herausstellte.

Die Entdeckung der fortpflanzungsfreudigen Koschenille-Läuse, die sich von Kakteen ernähren und die vor dem Zermahlen nur getrocknet werden müssen, wurde entsprechend gefeiert. Schon bald ließen sich der hohe Klerus, Kaiser und Könige ihre Purpurmäntel mit dem Erzeugnis der südamerikanischen Krabbler einfärben. Maler verzierten ihre Miniaturgemälde, künstliche Blumen und Lebensmittel, denn das pompöse Barockzeitalter wollte bunt und prächtig gestaltet werden.

Die Farbe Rot war einfach unverzichtbar, im wahrsten Sinne des Wortes als Zeichen des Blutes (man denke nur an die vielen biblischen Gemälde), Symbol des Krieges, des Feuers, der Hölle, der Macht, der Kraft und der Liebe.

Die Barbarei nahm kein Ende. Noch Jahrhunderte später wurden preußische Uniformen mit dem Blut der geopferten Läuse gefärbt. Und bis heute verzichten nur wenige Hersteller von Lippenstiften auf die lebendige Färbung der tierischen Körpersäfte. Sie haftet ja so gut!

Da die mexikanischen Läuse -gemeinsam mit diversen Silberfuhren- des öfteren von Holländern oder Engländern gekapert wurden, bauten die Spanier alsbald auf den Kanarischen Inseln die Opuntia-Kakteen an, die Nahrungsgrundlage der Koschenille-Läuse. Dort sind noch heute verwilderte Lausgärten zu finden.

Dem massiven Läuseleid ein vorläufiges Ende setze erst die moderne Technik, die im 19.Jahrhundert Anillinfarben entwickelte und den begehrten Farbstoff auf chemische Art und Weise herzustellen vermochte.

Dennoch bleiben die Spuren des Läusemassakers allgegenwärtig: Campari beispielsweise wäre ein langweilig wässriges Getränk und würde nicht so leuchtendrot erstrahlen ohne das Opfer der Koschenille-Läuse.

Text + Fotos: Alexandra Geiser







 
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