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caiman.de 12. ausgabe - dezember 2000
helden brasiliens


Das nationale Unheil

Sabão Crá-Crá, Sabão Crá-Crá
Não deixa os cabelos do saco "enrolar”
(Kernseife Crá-Crá, Kernseife Crá-Crá
Lass die Sackhaare sich nicht kringeln)


Es waren Texte wie dieser, die die Kinder des Landes in überschäumende Begeisterung versetzten und die Erwachsenen in tiefste Verlegenheit stürzten. Sie schrieben brasilianische Musikgeschichte, verkauften ihr erstes und zugleich auch letztes Album millionenfach, und sie verschwanden genau so schnell wie sie gekommen waren: Die "Mamonas Assassinas".

die anarchie
und ihr logo

Sabão Cé-Cré, Sabão Cré-Cré
Não deixa os cabelos do saco de pé
(Kernseife Cré-Cré, Kernseife Cré-Cré
Lass die Sackhaare nicht stehen)


Ein Gymnasium in Guarulhos, einer kleinen Stadt an der Peripherie von São Paulo. Die Rock-Cover-Band Utopia steht auf der Bühne: Bento ist der Gitarrist, der einzige Japaner mit Rastazöpfen und zudem noch Meister im Jo-Jo-Spielen. An den Tasten steht Júlio, ein Trekkie der Enterprise-Generation. Samuel, der Bassist, träumt seit seiner Kindheit davon, fliegen zu können. Und Sérgio, der Schlagzeuger, ist bekannt für wilde Sätze: "Ich vernasche alles, sogar Frauen - nur weiße Soßen mag ich nicht."

Das Publikum fordert ein Lied von Guns n`Roses. Aber keiner in der Band kennt den Text. Da meldet sich ein Junge aus dem Publikum, Dinho, und steigt auf die Bühne. Doch auch er kennt den Text nicht. Seine Show aber bringt den Saal zum Kochen, Utopia engagiert ihn als Frontmann und Dinho avanciert alsbald zu Brasiliens männlichem Sex-Symbol Nummer 1.

Sabão Cri-Cri, Sabão Cri-Cri
Não deixa os cabelos do saco cair
(Kernseife Cri-Cri, Kernseife Cri-Cri
Lass die Sackhaare nicht runterfallen)



Die Band tourt durch den Großraum São Paulo, erregt Aufsehen mit ihrer anstößigen Bühnenshow und tauft sich "Mamonas Assassinas", wobei sie nicht an die kleinen kastanienähnlichen Früchte dachten. "Eigentlich wollten wir uns Beatles nennen, aber dann fanden wir heraus, dass dieser Name schon existierte, und so blieb uns nur noch Mamonas Assassinas - Killerbrüste." erzählt Dinho.

Am 28.04.1995 unterzeichneten sie einen Fetzen Papier, welcher die Geschichte der brasilianischen Musik entscheidend verändern sollte: der Musikverlag EMI-Odeon nahm die "Mamonas" unter Vertrag und veröffentlichte kurz darauf die gleichnamige Platte; ein Album voller Persiflagen auf brasilianische Pagode- und Rockbands.

Nicht einmal der Sänger Belchior wurde verschont. Doch dieser nahm es locker:
"Als ich die Platte zum ersten mal hörte, musste ich lachen. Sie führen eine Tradition des schlechten Geschmacks weiter und verbinden Humor mit der für die Rockmusik typischen Rebellion. Aber niemand wird in den Liedern der "Mamonas" nach Ewigkeit suchen."

Und Marcelo Frommer, Gitarrist der ebenfalls auf die Schippe genommenem Band Titãs:
"Sie machen alles auf der Basis von Stereotypen, imitieren Brega-Musik (Herz-Schmerz-Musik) und Pagode. Im Prinzip halte ich dies für schlechten Geschmack. Aber mit der Zeit kommt es mir eher wie eine gesunde Schnulze vor."



Sabão Cró-Cró, Sabão Cró-Cró
Não deixa os cabelos do saco dar nó
(Kernseife Cró-Cró, Kernseife Cró-Cró
Lass die Sackhaare sich nicht verknoten)

Sie treten in der Fernsehshow "Jô Soares Onze e Meia" auf und verkaufen in kürzester Zeit Millionen von Platten.
Brasilien war gespalten – auf der einen Seite die Fans, die sich köstlich amüsierten, auf der anderen die, die sich angewidert abwanden. Und es schien, als ob der Alptraum kein Ende nehmen sollte:" Ich weiß nicht, wie lange sie uns noch ertragen werden, aber wir haben noch genug Blödsinn für einige 15 Alben." teilte Dinho der entsetzten Öffentlichkeit mit.

cover des
ersten und
einzigen albums

Ein Freund hat mir einmal gesagt: "Das Land hätte keine zweite Platte von ihnen überlebt. Sie waren ein nationales Unheil, auf Crashkurs mit der Gesellschaft."

Aber es sollte ganz anders kommen. Nicht die Band, sondern ihr Flugzeug ging am 02.03.1996 auf Crashkurs mit den Bergen der Serra de Cantareira in São Paulo.

Einer Legende zufolge lauteten ihre letzten Worte:

"Hey, der Pilot hat schon die Lichthupe betätigt, aber die Wand ist nicht aus dem Weg gegangen!"


Sabão Cru-Cru, Sabão Cru-Cru
Não deixa os cabelos do saco
Enrolar con os do cu
(Kernseife Cru-Cru, Kernseife Cru-Cru
Lass die Sackhaare sich nicht verknoten
Mit denen aus dem A...sch

pa`rriba


Text und Bildersammlung: Tom Milz


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