l
caiman.de 5. ausgabe - köln, 01. mai. 2000
brasilien feiert seinen 500. geburtstag

Ein Land von Milch und Honig





willkommens-
grüße vom zuckerhut

Am Nachmittag des 22.April 1500 setzten plötzlich und für die damals bekannte Welt völlig unerwartet heftige Geburtswehen ein. Der Meeresboden erhob sich, durchbrach den bis dahin einzigen Ozean und teilte ihn in Atlantik und Pazifik. Eine riesige Landmasse stieg höher und höher gen Himmel, wild und ungezähmt; Berge und Täler, Urwälder und Flüsse, weiße Strände und unzählige Kokospalmen gebärend. Und die Sonne fiel zum ersten mal auf das reichste Land der Welt. 500 Jahre sind seit diesem denkwürdigen Augenblick vergangen, jetzt ist die Zeit der großen Feier gekommen.


Die Kenntnis über den genauen Zeitpunkt der Geburt verdanken wir einigen tollkühnen portugiesischen Seefahrern, die von ihrem Weg nach Indien abgekommen, nicht mehr wie einst durch die Kraft des Windes, sondern durch die der einzig wahren

...
die portugiesen blieben.

Religion und der Abenteuerlust angetrieben, zufällig Augenzeugen der Niederkunft wurden. Von der langen Reise gezeichnet, entschlossen sie sich kurzerhand, an Land zu gehen. Dort trafen sie auf nackte Wilde, denen sofort und unmissverständlich erklärt wurde, dass die Seefahrer als einzige Augenzeugen, für die sie sich nun mal hielten, nun kraft Gesetz und göttlichen Willens die Eigentümer des neu entstandenen Grund und Bodens seien.

Die Wilden ließen – wohl auch in naiv-unschuldiger Unkenntnis der genauen Rechtslage – sämtliche Einspruchsfristen gegen diese kühn vorgetragene These verstreichen und mussten sich deshalb – sicherlich auch zu recht – damit begnügen, die nächsten 500 Jahre im tiefsten Urwald zu hausen, wo sie bis heute in tiefer Selbstversunkenheit in ausgehöhlten Baumstämmen über die moskitoverseuchten Flüsse des Amazonas paddeln und in Hütten ohne Kabelanschluss leise vor sich hin summend ihre Hängematten aufhängen und dem Kannibalismus frönen.

allmählich kehren sie aus dem urwald zurück in die tadt.

Die Seefahrer jedoch, denen das Land immer besser gefiel, dachten gar nicht mehr daran, nach Indien zu segeln und Gewürze zu pflücken. So bauten sie sich Hütten am Strand und lebten von dem, was die in Afrika angeworbenen Fremdarbeiter auf den Plantagen und in den tiefen Bergwerksminen so alles zu Stande und zu Tage brachten. Mit einem lauten Aufschrei erklärten sie sich für unabhängig und vermischten sich mit wilden nackten Frauen und schwarzen Gastarbeiterinnen.

500 Jahre später nun genießen dort, in diesem jungen und fernen Land die von ständigen Sehnsuchtsanfällen heimgesuchten Menschen ihr leichtes Leben, treten gegen runde Lederkugeln,

die rettung: xuxa+faustão

wackeln zu Tönen, die die schwarzen Fremdarbeiter den mit Tierfellen bespannten Mülltonnen entlocken, wild und unkontrolliert mit allen Körperteilen, telefonieren mobil und schicken sich Scheidungsbriefe per email, liegen nur in dünne Zahnseide gekleidet im Sand und schauen dabei den ganzen Tag Xuxa und Faustão im TV.

Darüber, dass es in diesem Land Milch und Honig vom Himmel regnet, beschweren sich nur einige Wenige, die sich aus Protest gegen das vollkommen "übersüßte" Land in ihre Favelas zurückgezogen haben, um in Ruhe Rap-Musik zu hören.

"Brasilien ist eine föderative Republik voller Bäume..." (Oswald de Andrade)
pa`rriba


für nähere infos kontaktiert:
tom@caiman.de (Thomas Milz)

l