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caiman.de 11. ausgabe - köln, november 2000
spanien: bilbao

Guggenheim Bilbao

Bilbao: Schauplatz zahlreicher ETA-Anschläge und ebenso vieler Gegendemonstrationen ist auch Pilgerort für Kunstliebhaber und mehr noch für Frank O. Gehry-Jünger. Die Stadt ist Symbol für den industriellen Aufschwung des spanischen Nordens in den 60er Jahren.


fünftes guggenheim museum - bilbao

Die Industrieanlagen und die Hafenkräne entlang des Flusses Nervíon sehen heute allerdings eher nach Niedergang und fehlenden Investitionen aus. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt kommen die Kunstpilger vorbei an großen Tanks der petrochemischen Industrie, verfallenen Lagerhallen und Schrottplätzen.

Bis endlich die lang ersehnte, sagenumwobene "Metallblume" auf der anderen Seite am Flussrand auftaucht.

Kantig, verwinkelt, an eine zerknüllte Konservendose erinnernd, nimmt das Guggenheim Museum immer mehr Gestalt an.

Das Bauwerk wirkt fremdartig, unwirklich, doch gleichzeitig passt es sich in erster Linie aufgrund seiner silbrigen Oberfläche perfekt an das Industriegebiet mit dem angrenzenden Güterbahnhof an. Eine Autobahnbrücke scheint den Metallberg zu zerschneiden.


erbaut und bewacht seit 1997
Frank O. Gehry hat sie, genau wie die alten Bahngleise und den Fluss, genial in sein Museumskonzept integriert.

Ähnlich wie Frank Lloyd Wright, Architekt des spiralförmigen Guggenheim Museums New York, verstand Gehry es, einen Gegensatz zu den rechteckigen Glasquadern der Bürohochhäuser und den nüchternen weiß gehaltenen "modernen" Museumsbauten zu schaffen, einen Raum für Kunst, der gleichzeitig selbst zum Kunstwerk geworden ist – eine riesige Skulptur aus Titan.

Zur Konstruktion bediente Gehry sich des französischen Computerprogrammes CATIA, das ursprünglich für den Flugzeugbau entwickelt worden war. Die von ihm verwendeten riesigen Titanplatten schaffen beim Betrachter die Illusion von Metallfluten an Glasfronten und Steinwänden.

Trotz der unruhigen und asymmetrischen Oberflächen und Linien gelang Gehry eine ästhetische Einheit. Bisweilen wirkt das neue Gebäude am Nervíon inmitten der Schutthalden und der verrosteten Fischerkähne wie das gestrandete Heiligtum einer unbekannten versunkenen Stadt oder wie der futuristische Wohnkomplex eines düsteren Sience Fiction Films a la Blade Runner oder Brazil.

Der Erbauer selbst beschreibt sein Werk als metallene Blume, gestrandet am Flussufer.

Frank O. Gehry , geboren 1929 in Toronto, machte sich in den 60er Jahren einen Namen mit dem Bau von extravaganten Wohnhäusern in Los Angeles.

In den 80er Jahren dann fand sein Stil der aufgebrochenen Architektur aus Stahl, Glas, Wellblechteilen und Drahtgittern internationale Anerkennung.

ein meisterwerk aus titan

Bei den Ausschreibungen 1991 für das Guggenheim Museum Bilbao fiel die Wahl auf Gehry. Erwartet worden war die Schaffung eines Wahrzeichens vergleichbar mit dem der Oper in Sydney, der Kathedrale von Chartres oder dem Centre Pompidou in Paris.

Die Solomon R. Guggenheim Foundation und die baskische Verwaltung haben sich zum Glück für Gehrys Metall Blumen entschieden.

Inzwischen steht Bilbao nicht mehr nur für ETA, Pinchos, Schwerindustrie und Regen, sondern auch für Kunst und Gebäudekunst.

Neben den beiden Guggenheim Museen in New York, der Peggy Guggenheim Collection in Venedig und dem weniger bekannten Guggenheim Museum in Berlin ist Bilbao das fünfte Museum, in dem die Kunstwerke der Solomon R. Guggenheim Foundation gezeigt werden.

Nach sechsjähriger Bauzeit wurde es trotz ETA-Bombendrohungen im Oktober 1997 eröffnet.

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Tipps:

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 20 Uhr

Eintritt: 1200 Pesetas (7,21 Euro) für Erwachsene
600 Pesetas (3,61 Euro) für Studenten und Rentner

Ständige Ausstellung:
Pop Art: Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg, James Rosenquist, Andy Warhol

Europäische Avantgarde: Jean Arp, Marc Chagall, Robert Delaunay, Vasily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Fernand Léger, Joan Miró, Pablo Picasso, Piet Mondrian

Informelle Kunst: Eduardo Chillida; Asger Jorn, Yves Klein, Willem de Kooning, Jackson Pollock, Mark Rothko, Antoni Tapies

Malerei der 80er Jahre: Jean Michel Basquiat, Georg Baselitz, David Salle, Julian Schnabel.

Außerdem gibt es regelmäßig wechselnde Sonderausstellungen.

mehr Infos unter:
www.guggenheim-bilbao.es

Text: Kathrin Megerle
Fotos: Elke Klaiber



bisher erschienen zu spanien:
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