caiman.de 03/2009

[art_4] Spanien: Auf den Spuren der Ureinwohner (Rezension)
Ein archäologischer Reiseführer für die Kanaren

Der Autor Harald Braem eröffnet sein Werk mit der Bemerkung: "Die Guanchen: Tausend Fragen und keine richtige Antwort?" Und in der Tat geht einerseits eine geheimnisvolle Faszination von den Ureinwohnern der Kanarischen Inseln aus, andererseits gibt es nach wie vor wenig gesichertes Wissen über die Geschichte und das Alltagsleben der Guanchen. Braems Buch liefert einen wichtigen Beitrag zur teilweisen Schließung dieser Wissenslücke.

Auf den Spuren der Ureinwohner
Ein archäologischer Reiseführer für die Kanaren
von Harald Braem

Zech-Verlag
Santa Cruz de Tenerife
Tel./Fax: 0034-922302596
E-Mail: info@zech-verlag.com

www.zech-verlag.com

Er beginnt mit einem Vergleich verschiedener Thesen zum Ursprung der Besiedelung der Kanarischen Inseln: woher kamen die vorspanischen Eroberer? Dabei werden diese Thesen (u.a. der "Atlantismythos", die "Berbertheorie" und die abenteuerliche These, dass die ersten Siedler der Kanaren aus Amerika kamen, mit meist überzeugenden Argumenten, wenn auch etwas kurz) auf ihre Wahrscheinlichkeit überprüft. Zuletzt gibt Braem der atlantischen Westkulturtheorie den Vorzug und stützt sich dabei auch auf archäologische Argumente (z.B. Vergleich von Keramikfunden auf den Kanaren mit ähnlichen in Irland und Galizien). Besonders interessant ist in diesem Kontext ein möglicher Zusammenhang zwischen den kanarischen Steinkreisen (Tagoror) für Kult- und Versammlungszwecke und Stonehenge oder ähnlichen Kultstätten in Irland und Schottland.

Den zweiten Teil des Buchs widmet der Autor einer Analyse des Alltagslebens der Altkanarier (auf Teneriffa Guanchen genannt). Die Gewichtung und der Aussagewert der einzelnen Artikel dieses Abschnitts sind unterschiedlich. Während die Kapitel über Ernährung, Musik und Tanz der Guanchen eher oberflächlich und oft spekulativ bleiben (und auch aufgrund fehlender Datenquellen bleiben müssen), sind die Artikel über Bestattungsriten und Schrift bzw. Felsmalereien der Ureinwohner sehr detailliert und informativ. 

Der dritte und umfangreichste Teil des Buchs ist dem eigentlichen archäologischen Reiseführer vorbehalten. Hier bietet Harald Braem mit gutem Kartenmaterial illustrierte Wegweiser zu den wichtigsten archäologischen Fundstätten der Kanarischen Inseln, von denen viele noch weitgehend unbekannt sind. Zwar gibt es unter den präsentierten Naturdenkmälern und Kultstätten der Ureinwohner einige, die schon berühmt geworden sind: der phallische Roque de Idafe auf der Insel La Palma, die "Pyramiden" von Güimar auf Teneriffa, der Roque Bentaiga auf Gran Canaria oder der Bezirk des spektakulären Tafelbergs "La Fortaleza de Chipude" auf La Gomera. Aber es ist Braems besonderes Verdienst, auch verborgene archäologische Spuren, an denen Touristen oft achtlos vorbei laufen, ans Licht zu holen. 

Komplettiert wird dieses insgesamt sehr informative Werk mit einem kleinen "Guanchenlexikon" und einem nützlichen Glossar. Dabei werden auch die ursprünglichen Guanchennamen der Kanarischen Inseln sowie deren politische Gliederung vor der spanischen Eroberung berücksichtigt. Und das beste: obwohl fundiert und gut recherchiert, kommt das Buch von Braem nicht wissenschaftlich trocken, sondern unterhaltsam daher. Denn wie der Autor es selbst im Vorwort formuliert: "Es soll ja keine Arbeit sein, das Buch zu lesen, sondern Vergnügen bereiten..."  Und das tut es.

Text: Berthold Volberg

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