Vier neue Produktionen von (Fado-)Sängerinnen aus Portugal liegen auf dem Tisch, in Töne gegossenes Leid erwartet den Rezensenten (was ich durchaus mag). Aber zu meiner Überraschung ist der Anteil an "echten" Fados diesmal sehr klein. Die "Fadistas"
haben ihren Weg der Erneuerung und Erweiterung des Fado bzw. der portugiesischen Musik fortgesetzt und fischen in Bossa Nova, Pop, Tango, Rock und anderen Stilen. Sie haben die typische Musik ihrer Heimat im Laufe ihrer Karrieren nicht nur für neue Instrumente geöffnet, sondern auch für nicht-portugiesisches Liedgut, das sie mehr oder weniger mit portugiesischer Gitarre und dem typischen, verschliffenen Gesangsstil "fadoisieren", mit Ausnahme von
Auf Penas Album "Archivo Pittoresco" fließen die 13 mehr oder weniger düsteren Titel ineinander wie ein endloses Lamento in verschiedenen Sprachen. Auf Französisch geht es los, mit einem vertonten Gedicht des belgischen Surrealisten Louis Scutenaire. Es folgt der schamanenhafte Trip mit einem Text des Brasilianers Ronaldo Augusto, bevor ein kurzer Bruch uns ins maurische Spanien führt. Das Zusammentreffen der "Folkgitarre" mit der tiefen traurigen Stimme erinnert manchmal an den britischen Sänger Nikki Sudden. Der endlos ineinander fließende Strom kann mitunter langweilig werden, auch wenn noch Griechisch, Italienisch und Englisch für sprachliche Abwechslung sorgen und mexikanische oder brasilianische Einflüsse hörbar werden. Doch bei einem Titel wie "Ausencia", von der chilenischen Folkloresängerin Violetta Parra, horcht man dann wieder auf. Fado spielt kaum eine Rolle, klingt am ehesten in "Cantiga de amigo” an. Erst der Schlusstitel unterbricht klanglich ein wenig den Fluss, ein Fragment des Titelstücks der Serie "The Twilight Zone".
Mísia, die Mutter des "Fado novo" hat wie die meisten anderen Modernisierer an der zwölfsaitigen portugiesischen Gitarre festgehalten, als typischem Merkmal portugiesischer Musik, und sie sogar in andere Genres transferiert. Von ihr ist nun 25 Jahre nach ihrem Debut ein Best of-Album mit 40 Titeln erschienen: "Do primeiro Fado ao último Tango" ist ein Wunderhorn unterschiedlicher Einflüsse. Während sie für die erste CD vor allem Fados aus ihren bisher 12 Alben ausgewählt hat, viele davon mit Texten berühmter portugiesischer Dichter / Schriftsteller wie José Saramago oder Fernando Pessoa, überwiegen auf der zweiten, für mich spannenderen CD andere Musikgenres und internationale Coverversionen.
Ihr katalanisch-portugiesischer Familienhintergrund, Mísia lebte vor ihrer Karriere in Porto, Barcelona und Madrid, ermöglichen es ihr auf Spanisch zu singen, und somit einen Klassiker der lateinamerikanischen Musik, den jeder (ältere) Iberoamerikaner mitsingen kann, "Unicorno" von Sílvio Rodriguez, authentisch aber im neuen Gewand, zu interpretieren. Nach diesem fulminanten Beginn folgen u.a. Lieder von Vitorino, eine nicht so tolle Version von "As time goes by", dann "Hurt" von den
Nine Inch Nails, bei dem Mísia für ihre Verhältnisse wie eine Rockröhre klingt, aber an Johnny Cashs Version nicht heranreicht. Hier wäre eine Version mit portugiesischer Gitarre und evtl. auf Portugiesisch besser gewesen. Sie kooperiert mit portugiesischen Bands wie
Dead Combo und singt auf Französisch "Chanson d’Hélene", ein Lied, das schon von Romy Schneider bis Sophie Hunger viele Engel der Traurigkeit gesungen haben, mit einem
spoken part von Iggy Pop. Ein trauriges Lied von Amália darf nicht fehlen, bevor die Reise mit einer Ballade des mexikanischen Sängers und Komponisten Armando Manzanero, einem Tango aus dem Jahr 1944 und einem Cha Cha Cha in Lateinamerika endet.