logo caiman
caiman.de archiv
 
peru

Die poetische Avantgarde Lateinamerikas: César Vallejo

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutet für die Poesie Lateinamerikas einen fundamentalen Einschnitt. Neue Formen der lyrischen Metrik, die Innovation der poetischen Sprache und die Einführung auf sozialer Realität basierender Themen läuten eine neue Epoche in der Ästhetik der Lateinamerikanischen Poesie ein. Die Avantgarde entsteht und lässt die klassische Poesie hinter sich, die größtenteils von der spanischen und europäischen Metrik beeinflusst war.


Litografie von
Pablo Picasso, 1938
Namen wie Vicente Huidrobo, José Luis Borges, Pablo Neruda, Juan Gris vertreten die neue poetische und literarische Bewegung. Unter ihnen aber existiert einer, bereit zu linguistischen Verwegenheiten, der als die revolutionärste und bedeutendste Figur der Poesie Lateinamerikas gilt: der Peruaner Cesár Vallejo.

Vallejos Werk ist außergewöhnlich. Er bricht mit den klassischen Normen der alltäglichen Poesie in Bezug auf die Grammatik, Syntax und Kohärenz des poetischen Inhalts. Und so wird selbst für Muttersprachler die Erschließung der Botschaft, die der Autor zu übermitteln versucht, schwer.

Im März 1892 wird der „Cholo“ Vallejo als Sohn einer Kinder reichen und armen Familie indianisch-spanischer Herkunft im Anden-Hochland von Santiago de Chuco (Nord-Ost Perus) geboren. Er studiert an der Universität zu Trujillo bis er 1917 nach Lima übersiedelt. Ein Jahr später veröffentlicht er sein erstes Buch, Los Heraldos Negros (Die schwarzen Boten, 1918), ein typisches Werk des Post-Modernismus (Anfangsphase seines gesamten poetischen Werks). Hier erfährt man zum ersten mal seine emotionale Kraft unter einem traurigen und pessimistischen Zustand; ein typisches Merkmal seines gesamten literarischen Schaffens.

Die existentielle Dialektik zwischen dem Mensch und seiner Umgebung beschäftigt und quält Vallejo so sehr, dass er schließlich gezwungen ist, einen Kompromiss zu finden:

Es gibt im Leben so schwere Schläge ... ich kann es nicht verstehen!
Schläge wie Gottes Zorn. Als ob vor ihnen alles,
das Treibgut jedes Leids,
in den Brunnen der Seele schwemmte ... Ich kann es nicht verstehen!

Aufgrund seiner Herkunft ein echter Mestize, schafft es Vallejo, wie wenige zuvor, die Seele der peruanischen Denkweise zu vermitteln. Sie ist voller Sehnsucht, verbunden mit der typischen familiären Atmosphäre.

Was konnte in dieser Zeit, meine aus Bambus und Capulí
Andinische und süße Rita, tun.
Jetzt, wenn Byzanz mich erstickt, und das Blut schläft,
wie wäßriger Cognac, in mir.


Vallejos Grab auf dem
Friedhof von Montparnasse
in Paris.

Politisch verfolgt, wird Vallejo 1920 drei Monaten lang in Gefängnis gesteckt. Diese Erfahrung prägt sein Leben und Werk, wie in Trilce (1922) zu erkennen ist.

Die Veröffentlichung dieses Buches führt zu einer Erneuerung der poetischen Sprache Hispanoamerikas. Vallejo entwickelt in Trilce einen persönlichen Stil, der auf neuen syntaktischen und lexikalischen Konstruktionen, recht komplizierten Wortspielen und Themen wie Leiden, Verzweiflung, Einsamkeit und Gottverlassenheit basiert.

Er selbst gibt diese poetische "Widerspenstigkeit" zu, als er erklärt: "Das Buch ist in einer tiefen Leere geboren worden. Ich bin dafür verantwortlich, ich übernehme durch seine Ästhetik die ganze Verantwortung dafür,... Ich will frei sein, dadurch lasse ich mich opfern. Um frei zu sein, fühle ich mich oft in schreckliche Lächerlichkeit eingehüllt, wie ein Kind, wenn ihm beim Essen der Löffel an die Nase stößt".

In Jahr 1923 emigriert Vallejo nach Paris, wo er bis zu seinem Tod 1938 residiert. Sein Aufenthalt ist von Armut und Unsicherheit eines illegalen, intellektuellen Südamerikaners geprägt. Er arbeitet als Journalist; doch seine poetische Schöpfung stagniert. In großer Einasamkeit stirbt er in einem Pariser Krankenhauses. Er, der schon prophezeite...

Ich werde in Paris sterben im Regen,
an einem Tag, den ich jetzt schon zu kennen scheine.
Ich werde in Paris sterben und laufe nicht weg.
Vielleicht an einem Donnerstag, wie heute, im Herbst.

Nach seinem Tod erscheint sein gesamtes in Europa verfasstes Werk unter dem Titel Poemas Humanos (Menschliche Gedichte, 1939) und España, aparta de mí este cáliz (Spanien, nimm diesen Kelch von mir, 1939).

Historische Ereignisse, wie der spanische Bürgerkrieg und Vallejos Kampf für soziale Gerechtigkeit, sind überwiegend Themen dieser letzten schöpferischen Etappe.

Aufgrund seines frühen Todes und dem anspruchsvollen Inhalt seiner Werke bleibt der Peruaner lange Zeit unverstanden. Erst in den 50er Jahren entdeckt die literarische Welt das Talent Vallejos. Heute gilt er als eine der ursprünglichsten Stimmen Hispanoamerikas und Vorbild für zeitgenössische Dichter der spanischen Sprache.

Text + Fotos: Juan Carlos Castro Diaz

Weitere Artikel zu Peru findet ihr im Archiv.







 
Archiv
nach




© caiman.de - impressum - disclaimer - datenschutz pa´rriba