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caiman.de 5. ausgabe - köln, 01. mai. 2000
von humboldt bis venezuela joe

Auf Anacondasuche

Aus dem Nichts ertönt ein Ruf: "Anaconda Joe!" – und wie vom Mosquito gebissen stürmt er los und wirft sich kopfüber in den schlammigen Uferteil des kleinen Tümpels. Ramón Pérez unser lokaler Begleiter grinst und schüttelt den Kopf:

Mit Abstand beobachtet man das Treiben

"E(s)te Joe" sagt er, das "s" verschluckend, und jagt unserem deutschen Guide hinterher. Für uns sind nach kurzer Zeit einige Bewegungen auszumachen, die nicht von unseren beiden Begleitern herrühren. Da ein Kopf! Wütendes Fauchen und Umsichschnappen – Joe erklärt ruhig aber bestimmt, dass wir einige Schritte zurückweichen sollen, da die Anaconda, einmal gereizt, durchaus im Stande sei, sich zu wehren und dabei blitzartig einige Meter vorschnelle.

Ramón kann den Schwanz lokalisieren und zu zweit ziehen sie den 100 Kilo Würger aufs Trockene.

In Freiheit führt Anas Weg ins Wasser

"Tranquilate guapa" -Beruhige dich Hübsche- fordern sie die riesige Würgeschlange auf, schreiten aber selbst mit rasender Geschwindigkeit zum zweiten Programmpunkt:
Hay que lavarla!" - und die schlammige Anaconda wird einer Ganzkörperwäsche unerzogen. Hierzu stülpt Ramón der Schlange mit äußerster Vorsicht eine Schlinge über den Kopf, und die Beiden dirigieren ihren Fang Richtung Wasserloch.
Nach einem knappen Bad kommen wir an die Reihe: kurze Inspektion und Ana 1 hat ihre Freiheit wieder.

Unsere Fänger widmen ihre Aufmerksamkeit bereits dem nächsten Exemplar. Ana 2 ist mit 5,5 Metern zwar kaum einen halben Meter länger als Ana 1, wiegt aber gut 200 Kilo. Sie sei einfach nur dicker, habe "mehr Fett" als ihre Kollegin, glaubt Ramón. Dass sie gerade gespeist habe, schließt er aus, mindestens vier Wochen seien vergangen seit der letzten Nahrungsaufnahme, also gebt gut acht!

Ramón hat alle Hände voll zu tun

Doch die Schlange ist wesentlich träger als die erste, und wir dürfen mit anpacken.
Nach weiteren fünf Minuten ist der einseitige Spass vorbei, und Ana schleicht eher gemächlich als erregt Richtung Wasserloch.

...dass der Schrecken der Llanos, den selbst der Caiman fürchten muss, einen seelischen Knacks erlitten habe, mag keiner von uns glauben.

Ana 2: 5,5 Meter, 200 Kilo...

Es ist nicht leicht, die größte Schlange der Welt aufzuspüren. Wir haben der Anaconda-Suche nur eineinhalb Tage eingeräumt und hatten Glück, bzw. eine Stimme aus dem Off, die uns schließlich den entscheidenden Tipp gab. Es war uns jedoch nicht möglich, mehr über die Symbiose zwischen "Stimme" und "Joe" zu erfahren.


...und unheimlich träge
Hierzu bleibt nur noch zu sagen, dass Joe nach dem Anacondafang einige Momente allein, abseits der Anderen, hinter seinem Wagen verbrachte, Selbstgespräche führte und jeden zweiten Schluck seines kalten Bieres mit der Erde, vielleicht mit der mysteriösen Stimme, teilte.
pa`rriba


für nähere infos kontaktiert:
frank@caiman.de (frank ulmer)



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