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Kuba - Kubas grüner Westen - die Provinz Pinar del Rio (Teil II)

Die Geschichte von San Diego de los Baños reicht bis ins Jahr 1632 zurück, als ein kranker Sklave einen Schluck aus einer Quelle nahm und sich die Nachricht von seiner Genesung wie ein Lauffeuer verbreitete. Hier suche ich mir eine Privatunterkunft.

Da es im Ort keine Bank gibt, mache ich dem Vermieter klar, dass ich für zwei Übernachtungen nur US-$ 15 bezahlen könne. Er lässt sich aber nur auf US-$ 25 runterhandeln. Er käme dann einfach Montag hinten auf dem Moto mit nach Pinar del Rio und wir könnten gemeinsam zur Bank gehen. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen! Kubaner sind halt im Lösen von komplizierten Sachen geübt und finden für alles eine Lösung! Wir fahren also auf dem kleinen Mofa am nächsten Tag in die Provinzhauptstadt und bilden damit ein typisch kubanisches Transportmodell, denn hier sitzen auf jedem Mofa und Fahrrad mindestens zwei Leute. In Pinar angekommen, stellt sich dann heraus, warum er so scharf war, mitzukommen: seine Geliebte wartet bereits auf ihn. Ich hatte ihm also unwissentlich zu einer guten Ausrede verholfen, sich zu einem Stelldichein von seiner Familie abzusetzen!

Beim Schlendern durch die Straßen der Provinzstadt spricht mich Juan Carlos an: „Hallo, bist du der Journalist, der einen Reiseführer schreibt?“ Und schon habe ich für die nächsten sechs Tage einen exzellenten Führer gefunden.

Von Pinar aus besuchen wir die Tabakdörfer San Luis und San Juan y Martínez im Weltklasse-Tabakanbaugebiet Vueltabajo.

Schon auf dem Weg dorthin springen einem die malerischen, mit Palmwedeln gedeckten Tabak-Trockenhäuser ins Auge. Vor einigen Jahren ging ein neuer Stern am kubanischen Tabakhimmel auf und einer der besten Zigarrenmarken der Welt wurde der Name Robaina verliehen, benannt nach dem Hausherren einer nahe gelegenen Plantage. „Robaina ist mittlerweile bekannter als Fidel Castro,“ erzählt uns der Führer, der uns auch den Ernteprozess erklärt: „Anfang Oktober beginnen wir mit der Aussaat im Gewächshaus und nach 30 Tagen kommen die Sprösslinge dann auf die Felder. Bei guter Pflege erreichen sie ihre maximale Größe von zwei Metern. Allerdings sind sie sehr sensibel und ihr Anbau erfordert Fachkenntnis, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nicht umsonst lautet ein kubanisches Sprichwort: `Den Tabak kann man nicht einfach pflanzen, man muss ihn heiraten.` Wenn die Wachstumsphase gelaufen ist, kann Anfang Januar mit der Ernte begonnen werden und die Blätter kommen für zwei Monate in die Trockenscheunen, wo sie jeden Tag fachmännisch begutachtet werden.“ Genauso anspruchsvoll ist auch der Fertigungsprozess in der Fabrik. Geschickte Hände formen die Blätter zu Kunstwerken, welche die Herzen der exklusiven Rauchzirkel höher schlagen lassen. Insgesamt sind von der Aussaat bis zur fertigen Zigarre mehr als 160 manuelle Arbeitsschritte erforderlich! Die besten dieser Filigrankünstler schaffen etwa 120 Zigarren pro Tag.

Das Highlight der Provinz Pinar del Río ist das Viñales-Tal, ohne Zweifel eine der schönsten Landschaften der Welt. Aus den rot gefärbten Talböden steigen grün bewachsene Kegelfelsen - Mogotes genannt - empor. In der Landschaft zerstreute Trockenschuppen und Bauernhäuser im traditionellen Bohío-Stil verleihen der Szenerie eine rustikale Atmosphäre. Bei Sonnenaufgang steigt der Nebel auf und die Felsen werden langsam sichtbar, ein wahrhaft Atem beraubendes Ambiente, und Juan erfreut mich dazu mit einer Anekdote:

„Der Maler Domingo Ramos präsentierte in den 40er Jahren auf einem Kongress in New York ein Gemälde vom Tal. Niemand wollte ihm glauben, dass es eine derart schöne Landschaft gäbe und man stempelte es als ein Fantasiegemälde ab. Doch auf der Tagung war auch ein kubanischer Landsmann, der Viñales mit eigenen Augen gesehen hatte und dem nun, von den Erinnerungen ergriffen, die Tränen kamen. Jetzt besann man sich eines Besseren und beschloss die wissenschaftliche Erkundung des Tales.“

Inzwischen schrauben wir uns schnaufend die Hügel hinauf bis zur Dorfgemeinschaft Los Aquáticos, die 1943 von Antoñica Izquierdo gegründet wurde. Diese pries die heilende Kraft des Wassers und verzeichnete beeindruckende Erfolge bei ihren Heilzeremonien. Nachdem sich ihre Fähigkeiten herumgesprochen hatten, wurde sie von zahlreichen Bauern, die sich keine Medikamente leisten konnten, aufgesucht.

Auch heute noch werden Zeremonien mit dem nassen Element durchgeführt.

Beim Abstieg leuchtet einem schon von weitem das Mural de la Prehistoria entgegen, eine bemalte Felswand. „Das ganze Gemälde ist 120 Meter hoch und 180 Meter breit. Es wurde 1961 gemalt und soll die Evolutionsgeschichte bis zur Menschheit darstellen. Zu seiner Erstellung wurden mehr als 6000 Liter Farbe benötigt“, erzählt mir Juan. Und weiter geht es zum nahe gelegenen Ort El Moncada, wo sich ein 1999 zu Ehren der Malagones errichtetes Denkmal befindet. Dies war eine Gruppe von 12 Bauern, welche die erste Bürgermiliz Kubas bildeten und in nur 18 Tagen den Anführer einer konterrevolutionären Bande, der mit seinen Überfällen die umliegenden Ortschaften unsicher machte, überwältigen konnte.

Eine knapp 20 Meter hohe Büste des Anführers der Malagones thront auf dem Gedenkplatz und blickt, das Gewehr erhoben, auf die umliegende Bergwelt. Stolz erzählt mir der Wächter, auf den steinernen Hünen deutend: „Raúl Castro sagte ihm vor einigen Jahren: wenn du 90 Jahre alt wirst, komme ich persönlich vorbei und wir schlachten dir zu Ehren einen Ochsen. Letztes Jahr war es soweit, Raúl war da und es gab eine riesige fiesta.“

Gleich um die Ecke liegt eine Höhle, die Cueva de Santo Tomás, deren Gangsystem sich über acht Ebenen erstreckt und mit insgesamt 45 Kilometer Länge die größte in ganz Lateinamerika darstellt. Im Inneren kann man eine Unmenge verschiedendster Stalagmitenformen und sogar einige Pflanzen, die fernab von jeglicher Lichtquelle wachsen, bestaunen. Auch die Korkpalme, ein lebendes Fossil, wächst seit über 250 Millionen Jahren in dieser Gegend.

Erst spät kommen wir zurück nach Viñales und freuen uns auf unseren traumhaft inmitten der Kegelberge gelegenen Campismo. Am nächsten Tag müssen wir wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt in Pinar del Rio.

Gegen Nachmittag finden wir einen Fahrer und handeln einen Preis aus. Er beginnt sogleich zu drängen: „Wir müssen los, schnell.“ Diese völlig untypische Eile überrascht uns, doch bald wird uns der Grund klar: er hat kein Licht! Umsomehr heizt er über die Straße und biegt mit halsbrecherischem Tempo in die Kurven ein, um noch im Hellen nach Pinar del Rio zu kommen. Unsere besorgten Blicke kommentiert er mit den Worten: „Keine Angst, ich kenne die Strecke im Schlaf.“ - „Das mag schon sein,“ entgegne ich, „aber trotzdem kannst Du nicht sehen, ob dir in der Kurve was entgegenkommt.“ Als wir schließlich erleichtert ankommen, gebe ich ihm noch die weitverbreiteten Abschiedsworte „Que dios te bendiga!“ auf den Weg. Bei dem Fahrstil hat er Gottes Segen wirklich nötig!

Der Reiseleiter von Cubatur dagegen, der mich mit sicherem Umfahren jedes einzelnen Schlagloches zum Tauchzentrum Maria La Gorda fährt, pflegt jedenfalls einen gesitteten Fahrstil. Und obwohl der Weg weit und nicht einfach ist, lohnt sich die Strecke sehr! In La Fé (der Glaube) ungefähr 50 Kilometer vor dem Ziel endet nämlich die Carretera Central und wird auf einer Piste fortgesetzt, die einem nicht geländegängigen Fahrzeug einiges abverlangen. Ab hier muß man wirklich einen festen Glauben in Fahrzeug und Fahrkünste haben! Maria La Gorda - das heißt übersetzt „Maria die Dicke“ und hier rankt sich nun eine weitere Legende um das Gebiet: Die mit Piraten Handel treibende, beleibte Venezolanerin Maria wurde eines Tages von den Seeräubern in nicht allzu freundlicher Absicht entführt und soll ihnen, um ihr Leben zu retten, ausnahmlos alles, was sie hatte, angeboten haben. Tatsächlich wurde sie irgendwann wieder freigelassen und eröffnete einen lukrativeren Gewerbezweig, nämlich ein Bordell, das die vorbeiziehenden Schiffe versorgen sollte.

Die zahlreichen Piratenüberfälle in der Gegend hinterließen eine der höchsten Wrackdichten Kubas und die Meeresgründe zählen zu den potentiell größten Schatzgebieten der Insel. Kein Wunder, dass Fidel Castro Programme ins Leben gerufen hat, um diese Wracks zu untersuchen und die versunkenen Reichtümer zu bergen. Die chronische Devisenknappheit könnte dadurch gelindert werden. Die Touristen dagegen dürfte eher der Naturreichtum interessieren: Mit seinem schneeweißen Sand und dem in verschiedenen Blautönen schimmernden Meer befindet sich hier nicht nur einer der Traumstrände Kubas, sondern außerdem eines der besten Tauchgebiete Mittelamerikas.

Nach etlichen Kuba-Aufenthalten und nach einer intensiven dreimonatigen Recherchereise muß ich sagen, daß der Westen für mich wegen seiner nicht nur landschaftlichen Vielseitigkeit eindeutig der schönste Teil der Insel ist. Auch Kuba-Anfängern kann man die Provinz Pinar del Rio empfehlen, denn neben den zahlreichen Naturschönheiten hat sie sich nach der Revolution von einer der ärmsten zur reichsten Provinz entwickelt und dementsprechend ist die touristische Infrastruktur relativ gut entwickelt.

Viele weitere wichtige Tipps für Individualreisende (auch zu Privatunterkünften und -restaurants überall auf der Insel) findet man auf 640 Seiten in dem Reiseführer "Kuba - selbst entdecken" von Dirk Krüger und Birgit Carls, kürzlich erschienen im Regenbogen-Verlag (www.regenbogen-verlag.ch) und zudem erhältlich bei amazon.de. Wer auf eigene Faust unterwegs ist, das Land wirklich verstehen und seinen Geldbeutel auch mal entlasten will, kommt um dieses Buch nur schwer herum.


Text und Fotos: Dirk Krüger

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