caiman.de 12/2014

[kol_1] Helden Brasiliens: Das Feld der Ehre
Besuch in Campo Bahia

Irgendwie kennt man das Bild. Selbst wenn man, so wie ich, zum ersten Mal an der Fähre steht, die einen von Santa Cruz Cabrália hinüber nach Santo André bringt.
 
Immerhin sind Deutschlands Fußballgiganten ja ständig mit dieser Fähre gefahren. Selbst den Fährmann, der einen mit lockeren Sprüchen unterhält, hab ich schon im Fernsehen gesehen.



Die Küstenstraße, die über 25 Kilometer von Porto Seguro hier raus führt, ist immer noch mit schwarz-rot-gold-bemalten Laternenmasten gesäumt. Hier und da weht am Wegesrand noch eine deutsche Fahne.
 
Auch in Santo André, dem 700-Einwohner-Dorf, in dem das deutsche Quartier Campo Bahia liegt, findet man noch viele Spuren der Weltmeister. Angefangen bei den Schaulustigen, die den Eingang des WM-Quartiers fotografieren



Das Campo Bahia ist mittlerweile für das zahlungskräftige Urlaubspublikum geöffnet. Rund 500 Euro muss man für eine Nacht in der Luxus-Herberge berappen. Dafür schläft man dann in denselben Betten wie Deutschlands Helden.
 
Abends erwartet einen zudem die WM-Bar am Pool, über deren Monitoren immer noch die während der WM von den Spielern getwitterten Fotos laufen. Oder man geht die 20 Meter hinunter zum Strand, wo einen die Atlantikwellen begrüßen.



Der Strand ist meist leer, keine Schweinsteigers und Neuers geben Autogramme, kein „Joggi“ Löw rennt durch den Sand. Es ist Ruhe eingekehrt, jetzt in der Nebensaison. Ab Mitte Dezember sollen dann die Weihnachtsgäste kommen, die anschließend im Februar von den Carnavals-Touristen abgelöst werden. Im Moment jedoch habe ich den Strand für mich.
 
Im Dorf selber zucken die meisten mit den Schultern, wenn ich sie nach dem Erbe, das die Deutschen zurück gelassen haben, frage. Oder man bekommt den Dorfbolzplatz gezeigt, der früher ein Sandplatz war.



Zwar haben die Deutschen versprochen, einen erstklassigen Rasenplatz als Geschenk zu hinterlassen, doch der Platz ist unbespielbar, derart schlecht wurde der Rasen verlegt. Lieber kicken die Kids auf dem kleinen Sandplatz nebenan. Der Dorfverein stöhnt, man sei dank des unbespielbaren Trainingsplatzes mittlerweile abgestiegen. Man zürnt. Ich schweige betreten.



Auch das Schulprojekt, das die Deutschen finanzieren wollten, käme nicht voran, so hört man im Ort. In der Schule nachgefragt, erfahre ich, dass man wohl erst im Januar 2015 mit dem Projekt starten könne. Noch sei man dabei, das Projekt gemeinsam mit den Deutschen auszuarbeiten.
 
Hier und da ein Daumen hoch, „tudo bem?“. Ja, alles „tudo bem“. Wir sind jetzt Weltmeister, und zumindest in den nächsten vier Jahren bleiben wir das auch. Und Santo André wird auf Ewigkeit als das Quartier der Weltmeister in Erinnerung bleiben, dem ersten europäischen Team, das in der Neuen Welt diesen Titel holen konnte.



Ich treibe im Meer, die Zehenspitzen Richtung Wolken zeigend. Sanft zieht die Küstenlinie durch mein Blickfeld. In Deutschland läuft gerade „Die Mannschaft“ an, die DFB-Doku zur WM. Und zum Campo Bahia. Man friert bestimmt in der Schlange vor dem Kino, denke ich. Sei es drum, ich tauche noch ein wenig durch die Wellen. Spaß muss sein.

Text + Fotos: Thomas Milz

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