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[art_2] Bolivien: Nach La Paz zum Schutze des TIPNIS-Parks - Teil 1
Tieflandindianer auf Protestmarsch gegen Asphaltierung
 
In Bolivien erreicht man viel durch Wandern. Wandern und Blockieren, um genau zu sein. Straßen werden gesperrt, um Unmut kund zu tun. Oder ein Marsch in Gang gesetzt, aus Protest, versteht sich. Wir stoßen auf die Marschkolonne der Tieflandindios kurz vor Coroico, dem historischen Städtchen am Ende der Todesstraße, die sich von La Paz über den Cumbre-Pass hinab in die Yungas stürzt.

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Die Indios sind in der entgegengesetzten Richtung unterwegs und streben dem bolivianischen Regierungssitz La Paz entgegen. In Coroico, auf 1.200 Höhenmetern, geht es den an gemäßigtes Klima gewöhnten Indios noch gut. Seit fast zwei Monaten sind sie schon unterwegs, um ihre Botschaft vor den Präsidentenpalast zu tragen. Sie kämpfen gegen den Bau einer Fernstraße durch das Indiogebiet TIPNIS, tief im bolivianischen Urwald gelegen. Hier will Präsident Evo Morales mit brasilianischen Krediten eine Asphaltpiste bauen lassen, als Teil des kontinentalen Interoceanica-Projektes, welches den Atlantik mit dem Pazifik verbinden soll.

Nützen würde die Straße besonders den Agrarfirmen Zentralbrasiliens, die endlich ihre Produkte auf direktem Wege an den Pazifik und von dort aus nach Asien, besonders China, transportieren könnten. Nützen würde sie wohl auch den Cocaleros, den Kokabauern, deren Anführer Morales immer noch ist. Ihnen soll er neues Anbauland für ihre Kokapflanzen versprochen haben, und neues Land gibt es im bolivianischen Tiefland nur noch in dem bisher nahezu unberührten TIPNIS-Park. Vor gut 20 Jahren marschierte schon einmal ein Trupp Indios hinauf nach La Paz, wo sie durch ihren spektakulären Protest die Besitzrechte für den Park erhielten.

Damals stand Morales noch auf der Seite der Demonstranten. Jetzt stellt er sich gegen sie. Hartnäckig weigert sich der Präsident, zu den Indios hinab zu kommen und zu diskutieren. Also kommen sie halt zu ihm. Unterwegs wurden sie Ende September von 500 Polizisten angegriffen. Doch die Bevölkerung der umliegenden Dörfer eilte den Indios zur Hilfe. Noch immer tragen einige Verbände, die von den Wunden jener Konfrontation zeugen. Die Indios sind schlecht zu sprechen auf die Regierung.

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In Zweierreihen marschieren sie stumm den Berg hinauf, Richtung Cumbre, dem 4.650 Meter hoch gelegenen Pass. Frauen und Kinder werden auf Autos verteilt, zu schwierig ist der Aufstieg. In den Nebelwänden der Anden halten die Kokablätter die Marschierer bei Kräften, und wer trotzdem schlapp macht, dem eilen Sanitäter mit Sauerstoffflaschen zur Hilfe.

Nach zwei Tagen Aufstieg erreicht der 2.000 Indios starke Zug schließlich den Cumbre-Pass, wo Vertreter der Hochlandindios ihre Brüder aus dem Tiefland begrüßen. Eine Szene, die es so schon lange nicht mehr gab. Jetzt trennt sie nur noch ein Tagesmarsch vom 30 Kilometer entfernten La Paz, dessen Lichter man bei Nacht von hier oben aus bereits sehen kann.

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Am nächsten Morgen halten die Indios dort Einzug. Es wird ein Triumph. Hunderttausende Bewohner begrüßen sie mit Blumen, Fahnen und Sprechchören. El TIPNIS no se toca, Hände weg von TIPNIS, skandieren sie. Man zieht durch die gesamte Stadt, bis man schließlich das Zentrum erreicht. Vor dem Präsidentenpalast wird eine Mahnwache installiert. Dabei kommt es zu Zusammenstößen mit der Polizei.

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Präsident Morales ist nun angeblich bereit, die Indios zu empfangen, doch nun schalten diese zunächst auf stur. Schließlich kommt man doch noch zueinander.

Tagelang wird verhandelt, zäh gerungen. Wir machen uns derweil auf den Weg Richtung TIPNIS, wollen vor Ort sehen, was dort Sache ist. Als wir den Park fast schon erreicht haben, ereilt uns die Nachricht, dass Präsident Morales das Straßenbauprojekt gestoppt und TIPNIS auf ewig für unantastbar erklärt hat. Die Marschierer haben gesiegt!

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Wir ziehen weiter Richtung TIPNIS und was uns dort erwarten wird, erfahrt Ihr in der nächsten caiman-Ausgabe.

Text + Fotos : Thomas Milz

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