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[kol_1] Macht Laune: Ein Grüner Fleck auf der Stadtkarte
 
14 Millionen Einwohner, Verkehr, Hektik, Maradona: Dabei muss man nur mal ans andere Ende von Buenos Aires fahren, um all dem ganz fern zu sein.

Wer schon mal das Glück hatte, ein paar Tage in der Hauptstadt Argentiniens zu verweilen, der wird irgendwann auch mal genussvoll in sein Bett gefallen sein. Erschlagen von Eindrücken, von gutem Fleisch, von hübschen Frauen und vielleicht sogar etwas ermüdet vom viel zitierten Tango, den man vermeintlich an jeder Straßenecke spüren soll. Und so stellt sich die Frage, wo der gemeine Porteño denn überhaupt seine Ruhe finden soll. Zumindest jener, der innerhalb von Avenida General Paz und Riachuelo wohnt.


Okay werden da einige Kenner sagen. Ganz oben gibt es doch den Parque Norte, an dem auch die Ciudad Universitaria zu Hause ist. Viel Grün, doch leider auch die Einflugschneise des nationalen Flughafens Aeroparque. Weiter unten an der Küste gibt es dann noch die Plaza Holanda und nebenan an der Avenida Figueroa Alcorta, die Gustavo Cerati so hinreißend besingt, kann man mit der Liebsten schon mal einen kleinen Abstecher machen. Doch mit dieser Idee ist man dann nicht allein und so findet man sich auf engstem Raum mit Gleichverliebten wieder oder auch solchen, die es werden wollen oder vielleicht schon längst nicht mehr sind. Am Plaza San Martin gleich neben dem Retiro ist es mit der Ruhe auch nicht weit her. Man könnte also getrost das Handtuch werfen, wäre da nicht, ja wäre da nicht ein riesiger Park, der quasi vor der Haustüre auf seine Besucher wartet.

Ein Blick in eine handelsübliche Stadtkarte gibt Aufschluss. Denn auch hier sind die Parques in schlichtem Grün gehalten. Und ein besonders großes Grün ist direkt hinter dem modernen Puerto Madero eingezeichnet. Reserva Ecológica steht da. Besser bekannt als Reserva Ecológica Costanera Sur. Aber wer besucht das schon. Den berühmten, weil neu errichteten, Puerto Madero mit seinen teuren Geschäften, Restaurants, Büros - und nicht zu vergessen der Ablegestelle des Buquebus gen Uruguay - kennt jedes Kind. Den grünen Fleck dahinter kaum einer. Zu Unrecht, wie nicht nur die sportbegeisterten Jogger und Walker meinen mögen. Vor allem Vogelfreunde kommen hier auf ihre Kosten. Schließlich beheimatet der Park neben jeder Menge Gras und Bäumen auch die einzig wild lebenden Flamingos in der Stadt und sogar Fischreiher kann man regelmäßig beobachten. Wer Glück hat, sieht auch mal einen Papagei und wenn es im Gebüsch raschelt, dann kann das auch ein Biber gewesen sein.

Doch wem das herzlich egal ist, der fährt, ganz Buenos Aires unüblich, mit dem Rad zum, und später auch durch den Park. "Zum" deshalb, weil man unmittelbar an der Ecke Calabria und Padre Migone am kleinen Kiosko noch ein Choripan mitnehmen muss.



Eines der besten der Stadt, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht glauben kann. Anschließend geht es dann weiter "durch" den Park ans Ufer des braunen Rio de la Platas, um sich die laue Luft um die Nase wehen zu lassen. Und tatsächlich: Hier kann man ganz hervorragend abschalten. Kein Verkehr, kein Lärm, die Stadt ist weiter weg denn je. Und obwohl man die Hochhäuser des Puerto Madero noch zwischen dem hohen Gras vereinzelt sehen kann, hört man lediglich das Rauschen des Meeres - oder eben nichts außer dem Wind, der durch die Natur weht.



Natürlich kann man auf das Rad auch verzichten. Vor allem Pärchen sieht man durch den Park wandern, Arm in Arm, Hand in Hand oder sie sitzen Wange an Wange auf den Bänken am Ufer. Intimität wird jedoch groß geschrieben - allerdings ganz natürlich. Touristen verirren sich hierher kaum und auch die Einheimischen kommen, wenn überhaupt, am Wochenende. So ist es perfekter Ort, um ein klein wenig dem Trubel des Tango, dem Mythos Maradonas und dem hektischen Großstadtleben zu entfliehen und trotzdem nicht auf die Möglichkeit verzichten zu müssen, diese anstrengenden wie faszinierenden Facetten binnen weniger Minuten wieder genießen zu können.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

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