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[art_3] Brasilien: Der "Velho Chico" in Not (Teil 1)

Brasilien trocknet aus. Zwar hat das Land die größten Süßwasserreserven der Welt, hauptsächlich im Amazonasgebiet. Im bevölkerungsreichen Südosten wird die Lage jedoch kritisch, in São Paulo beginnt bereits die Rationierung. Und in Rio de Janeiro und Minas Gerais könnte es bald schon genauso kommen.

Auch in der Amazonasregion selbst weitet sich die Trockenheit aus. Zwanzig Prozent des ursprünglichen Regenwaldes ist bereits abgeholzt, weitere zwanzig Prozent sind akut bedroht. Die Natur sei "am tipping point", dort, wo das System kippt und es kein Zurück mehr gibt, glaubt der Wissenschaftler Antonio Nobre vom staatlichen Klimadienst INPE.

Nun hat es auch den einst mächtigen São Francisco Fluss erwischt, der weite Teile des trockenen Nordostens durchfliest. Der "Velho Chico", der größte 100% brasilianische Strom des Landes, ist zum ersten Mal seit Menschengedenken an seiner Quelle ausgetrocknet. Dabei sollte der Fluss eigentlich bald den Nordosten mit Wasser versorgen. Doch daraus wird wohl vorerst nichts.


Wir stehen am Ufer des "Velho Chico" in der Kleinstadt Ilha do Ouro. Hier trennt der Fluss den Bundesstaat Sergipe vom auf der anderen Seite gelegenen Alagoas. "Er sieht immer noch mächtig aus, aber wenn Du mit dem Boot rüber fahren willst, wird es knifflig." Der Fischer, der seit Monaten schon nichts mehr gefangen hat, berichtet über die verschwundenen Untiefen des Flusses. Früher sei er an manchen Stellen 15 oder 20 Meter tief gewesen. "Heute setzen sogar die leichten Boote oft auf, mehr als 1,5 Meter Tiefe gibt es da nicht."

Der Fluss stirbt, glauben die hier lebenden Fischer. Dünger und Pflanzenschutzmittel haben viele Fische getötet, zudem wird das Abwasser von tausenden Städten ungeklärt in den Fluss geleitet. Auch die zahlreichen Staustufen, durch die Energie gewonnen wird, haben die Wassermenge reduziert. Die saisonalen Überschwemmungen, wichtig für die umliegende Landwirtschaft, gibt es schon lange nicht mehr.

Die meisten Fischer beziehen heute Sozialhilfe. Vom Fischen kann niemand mehr leben, zu wenig Fische gibt es in den trüben Fluten. Dabei sollte die chronische Trockenheit des Nordostens eigentlich mit Hilfe des Flusses bekämpft werden. Derzeit baut die Regierung zwei Kanäle, die Flusswasser hoch in den staubtrockenen Norden bringen sollen. Doch trotz Milliardeninvestitionen kommt das Projekt nicht voran.


So muss die umliegende Bevölkerung mit Wasserwagen versorgt werden. Am Rande des Flusses parken diese, Pumpen saugen das Flusswasser in die Tanks. Experten sprechen bereits von der schlimmsten Dürre der letzten 70 Jahre. Ob es nach Besserung aussieht? Regen ist auf jeden Fall erst einmal nicht in Sicht.

Text + Fotos: Thomas Milz

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