caiman.de 11/2011

[kol_1] Grenzfall: Botschafter der guten Laune
Redaktionssitzung auf der ersten Rum Messe in Deutschland
 
1986 änderte sich mein Leben von Grund auf und ich hatte doppelt Glück: Im Schüler-Auswahlverfahren für ein USA-Auslandsjahr-Stipendium wurde ich nicht berücksichtigt. Gerade wieder zurück vom entscheidenden Wochenende, überraschte uns Besuch aus Guatemala und drei Wochen später saß ich im Flieger: Köln – Amsterdam – Miami – Guatemala-Stadt, Zone 10. Von Minus 20°C auf Plus 25°C. Silvester unter Orangenbäumen, erster Sonnenbrand und ein bis dahin gänzlich unbekanntes Getränk in der Hand: Cuba Libre!

Ein halbes Jahr später befand sich im Rückreisegepäck neben der guatemaltekischen Edelmarke Rón de Zacapa 23 años und dem mischbaren Flor de Caña aus Nicaragua, frisch gepresster Limettensaft. Letzterer war in Zeiten, da das Wort Globalisierung in Deutschland noch nicht geschöpft worden war, kaum mit Gold aufzuwiegen, da teuer oder gar nicht zu bekommen.

Der Flor de Caña machte mit Cola und Limón gemischt am Abend der Rückkehr die Runde und war im Nu in verzückten Kehlen verschwunden.

Die Suche nach Nachschub entpuppte sich aber als herbe Enttäuschung. Fieser teurer Barcardi, ganz fieser Rumverschnitt und adjektivloser Strohrum standen in den Regalen diverser Supermärkte – eine schmackhafte Cuba Libre wollte so nicht gelingen.

Es nutzte nichts, ich musste wieder rüber. Kaum gelandet, nahm mich meine Gastmutter Rosalinda mahnend zur Seite: „Keine Cubita bevor es dunkelt!“ Und während ich in Gedanken schon den 18 Uhr entgegen fieberte, die in der Nähe des Äquators Tag ein Tag aus das Hereinbrechen der Nacht besiegeln, schaute Rosalinda suchend gen Himmel: „Schnell, mix uns eine, es scheint sich eine Wolke vor die Sonne zu schieben.“ – Das war mein Anfang vom Ende hinsichtlich des Begriffs konsequent.

Zum Mixen an der Hausbar stand ein sieben Jahre alter Flor de Caña bereit. Auf Reisen hatten wir praktischerweise einen Gordito, eine halbe Gallone (entspricht 2 Litern) der guatemaltekischen Hausmarke Botrán, im Gepäck. Gingen wir aus, so bestellten wir, wie eben üblich, eine Flasche Rum, zu der Coca-Cola, Eis und halbierte Limetten nach Bedarf gereicht wurden.

Zurück in Köln war bereits der gesamte Freundeskreis dem Rum-Fieber verfallen, was nicht zuletzt der Wirkung in Form von spürbarer Zunahme der Lebensfreude und dem nicht enden wollenden ausgelassenen Tanzwahn zuzuschreiben ist. Stoff besorgten wir uns durch eigenes Reisen, durch reisende Bekannte und reisende Bekannte von Bekannten und durch Order bei selbsternannten Importeuren.

1994 trippte ich durch das nördliche Südamerika und verliebte mich prompt in die bestechende Rumvielfalt Venezuelas, hauptsächlich vertreten durch diverse Rons der Empresas Santa Teresa, Cazique und Pampero. Meine Reisekollegin mit dem wunderbaren Namen „Unbefleckte Empfängnis“ war ganz erstaunt, dass ich diese Marken nicht kannte, da sie in Spanien in jeder Bar ausgeschenkt würden. Sie meinte, venezolanische Rums seien gerade in Mode, aber die dominikanischen liefen ihnen schon bald den Rang ab. – Noch im gleichen Jahr besuchte ich sie in ihrer Strandbar und trank abwechselnd Cuba Libre mit Cazique oder Brugal (de la Dominicana).

Zwischendurch als Tipp für deutsche Wirtinnen und Barbärchen die spanische Variante der Cuba Libre: Longdrinkglas mit Eiswürfeln füllen, die den Größenverhältnissen ideal angepasst sind, so dass 4 Eiswürfel genau übereinander ins Glas passen. Eine halbe Limette ausgepresst dazu und dann Rum bis 1-2 Fingerbreit unter den Rand eingießen. Zum Glas eine kleine Flasche Coca-Cola servieren. – Ja, dann macht ihn halt teurer! Sieht doch jeder ein, dass im Rum-Entwicklungsland Deutschland, die spanische Variante nicht für 4 Euro übern Tisch gehen kann.

Erster Schritt auf dem Weg in Deutschland Rum Salon fähig zu machen, war der Eroberungszug gemeiner Kaufladenregale durch Havanna Club. Doch ehrlich gesagt, nur in aller größter Not griffen wir zu und bereuten es meist dennoch. Heute ist Havanna Club 4 años in Bars immer noch der meistausgeschenkte Rum. – Was ein Wunder, dass hierzulande Cocktails, in denen minderwertige Zutaten kaum noch herauszuschmecken sind, besser laufen als eine ehrliche Cubita. Weitere Schritte folgten wie der Internethandel oder die Eröffnung des Rum Kontors in Köln, dem ersten gut sortierten Spezialgeschäft für Rum und Rumähnliches.

Im Oktober 2011 schlage ich Berlins Stadtmagazin Zitty auf und lese: erste Rum Messe Deutschlands oder German Rum Festival. Na, was für eine Überraschung! Und passt vom Datum her perfekt zur Redaktionssitzung.



Mein Eindruck der Messe: Chaotisch. Viel Edelstoff, wie der französischer Destillerien, die die Karibik nach exzellenten Jahrgängen durchforsten und diese in Frankreich dann reifen lassen. Daneben die Spaßfraktion von Captain Morgan, die in Anlehnung an Jägermeister, die Kiddskehlen als Zielschlunte auserkoren hat, mit Massenausschank im Piratenkarnevalskostüm von der Stange und Mädels in Netzstrümpfen. Dann Cocktail-Beschwörer wie beispielsweise die Mount-Gay (Barbados)-Crew (deutsch), die ihr Produkt mit der Zugabe von Zimt, Quittengelee, Salbei, Ginger-Bier etc. aufzuwerten versucht. Oder die Lounge von Pampero (Venezuela) gemeinsam mit Rón de Zacapa (Guatemala), die dem Genuss von Rum jegliches Karibik-Feeling entziehen und in ihrer Präsentation mit feinstem Whiskey oder Cognac gleichziehen möchten.

Zwischen der nicht auszumachenden Struktur in der Anordnung der einzelnen Stände tauchen Tänzer und Trommler auf, die aus dem Nichts heraus die kühlen Hallen mit einem Hauch unbeschwert beschwingter Palmenromantik füllen sollen. Mmmmh ...



Und dann endlich ein einziger Stand. Ein Stand, der leicht modifiziert in all den Ländern stehen könnte, die mit Eisboxen bewaffnet Strandtage begehen und sich zum Plantschen mit Cuba-Libre-Plastikbechern rüsten. Ein Stand der guten Laune, ein Stand der mit der Botschaft des Landes harmoniert: Ein Stand von Brugal aus der Dominikanischen Republik, die ehrlich und einfach Cuba Libre mixen und die caiman-Redaktion glücklich machen.



Fazit: This is a start. And I belive in starts (*The Commitments). The German Rum-Festival soll ab sofort jährlich gefeiert werden. Und das hat positive Auswirkung auf den deutschen Rum-Markt: Brugal, von Jim-Beam in Deutschland vertreten, ist seit 2010 bereits in einigen Supermärkten erhältlich. Neben dem Rum-Kontor in Köln gibt es nun auch weitere Anbieter diverser oder gar unzähliger Sorten wie den Initiator der Berlin Rum Messe, die Rum Company. Für das nächste Rum-Festival würde ich mir wünschen, dass ein wenig mehr Cuba-Libre-Spaß aus der Karibik ins kühle Berliner Oktoberwetter gelangt. Vielleicht könnte es eine räumliche Trennung von edlem Ernsthaften und lecker Gutlaunigem geben. Auffällig wenig Publikum aus Lateinamerika war auf der Messe auszumachen. Und so wirkte die Tanzeinlage der Tänzerin und des Tänzers von den Antillen wie das Pflicht-Abendprogramm im ****All inclusive Hotel in Punta Cana.

Nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall wieder mit dabei und verfolgen gespannt den Siegeszug der legalen Superdroge Cuba Libre auf ihrem Weg von den Alpen bis zum Wattenmeer.

Text + Fotos: Maria Josefa Hausmeister

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