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[kol_1] Amor: Kuba. Sorgenkind des Lebens.

Kuba ist eine Insel im Zustand des Wartens. Auf die Stunde Null. Irgendwann wird einer sterben, und dann wird möglicherweise alles anders. Vielleicht nicht besser, aber bis dahin kann man einfach nichts planen. Und die Zeiten sind übel. Also muss man sie totschlagen.

Und das ist streng genommen eine Kunst, die dem alten Europa ca. um 1914 abhanden kam, als – (es klingt beinahe paradox:) notgedrungen – die Zigarette erfunden wurde. O tempora o mores! Nicht so auf Kuba. Hier weiß man noch, was es heißt, die Zeit genussvoll in Rauch aufgehen zu lassen. Es ist ein Ritual, etwas originär Sakrales, der Welt Enthobenes. Denn es geht darum, dass das Rauchen, wird es ernst genommen, eigentlich nicht mehr zum Leben gehört, sondern Stillstand in horizontaler Lage bedeutet, wie es noch die Bewohner des Zauberbergs zu praktizieren verstanden. Damals sinnierte dort ein mittelmäßiger Held: "Selbst die Polarforscher statten sich reichlich mit Rauchvorrat aus für ihre Strapazen, und das hat mich immer sympathisch berührt, wenn ich es las. Denn es kann einem sehr schlecht gehen, – nehmen wir einmal an, es ginge mir miserabel; aber solange ich noch meine Zigarre hätte, hielt ich´s aus, das weiß ich, sie brächte mich drüber weg."

Arbeit macht unter diesen Umständen keinen rechten Sinn und ist dem ungetrübten Genuss von Maria Mancini oder Cohiba auch etwas im Wege. Warum nutzlos einer trüben Wirklichkeit ins Auge blicken, statt sich ab und an eine bräunliche Schöne ins Gesicht zu stecken? Verwegen-romantische Assoziationen von Montecristo, Guantanamera, Romeo y Julieta … doch auch Reloba oder Bauzá wohnt ein kleiner Zauber inne. (Sie machen, US-$ 1 das Stück, die Insel wahrscheinlich erst regierbar.) Ausbruch ins Paradies. Kopftorpedo. Lebenswichtig.

Mitten im Zweiten Weltkrieg, als die Deutschen London bombardiert hatten, erhielt Winston Churchill von der dort ansässigen Firma Dunhill einen dringenden Telefonanruf: "Ihre Zigarren sind in Sicherheit, Sir."

Noch ist Kuba nicht verloren. Man raucht. Man wartet.

Text + Foto: Felix Hinz

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