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[art_1] Spanien: Wo Barock rockt
Zu Besuch in der grandiosen Kirche San Juan de Dios in Granada
 
Der heilige Johann von Gott (San Juan de Dios) lebte von 1495 bis 1550 und widmete zumindest seine zweite Lebenshälfte ganz dem Dienst am Nächsten. Geboren wurde er in Portugal, kam aber schon mit 12 Jahren nach Toledo. Zunächst kämpfte er in seiner Jugend als Soldat für Kaiser Karl V. Später zog er nach Granada, wo er die theologischen Schriften von Juan de Ávila las und fortan sehr von dessen Gedanken beeinflusst wurde.

Er verschrieb sich absoluter Armut, vernichtete seine Bücher und wanderte von einem Moment zum anderen nackt durch die Stadt. Er wurde verhaftet, für verrückt erklärt und eingesperrt. Nach seiner Entlassung aus dem Kerker unternahm er als Pilger eine Wallfahrt zum Kloster Guadalupe in der Extremadura. Dieses Erlebnis prägte ihn sehr, sodass er sein Leben radikal änderte, sich fortan der Krankenpflege widmete und ein Hospital für Kranke und Sterbende in Granada gründete. Daraus entstand der Orden der Hospitalarier und weitere Krankenhäuser in anderen andalusischen Städten wurden gegründet. Passend für einen Mann, der sich als Idealist ganz der Nächstenliebe verschrieben hatte, starb San Juan de Dios durch Ertrinken beim Versuch, einen jungen Mann aus dem Fluss Genil zu retten. Schon 1690 wurde San Juan de Dios heilig gesprochen und seit 1757 ruhen seine Gebeine in der in jenem Jahr vollendeten Kirche in Granada, die zu den spektakulärsten Barockbauten Europas gehört.

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Eine gewaltige Grabstätte, wenn auch deutlich zu prunkvoll geraten für einen Bettelmönch, der Armut und Demut zu seinen wichtigsten Idealen zählte. Schon von außen wirkt dieser Kirchenbau, der in knapp sechs Jahrzehnten zwischen 1700 und 1757 vollendet wurde, durchaus imposant mit seiner monumentalen Doppelturm-Fassade und der großen Kuppel. Im Zentrum der Hauptfassade erhebt sich eine steinerne Statue des jugendlich wirkenden Heiligen, der in der rechten Hand ein goldenes Banner und in der linken ein Modell seiner Kirche hält.

Von der Popularität dieses "Heiligen der Hospitäler" und seiner Beliebtheit bei der Bevölkerung Granadas zeugt ein großer Blumenstrauß zu seinen Füßen. Inzwischen vertrocknet, wird er sicher bald durch einen neuen ersetzt und man wundert sich, wie man diese Blumengabe dort in Schwindel erregender Höhe anbringen konnte.

Links von der Heiligenstatue entdeckt man die interessante Skulptur eine Engels, der in einem Umhang Brote trägt, um sie an die Armen zu verteilen.

Die meisten Reliefs der Fassade sind Werke des Bildhauers Miguel de Pereda. Die beiden Glockentürme rechts und links sind reich mit Schnörkeln und barocken Girlanden aus Stein verziert. Die 50 Meter hohe Kuppel besteht ähnlich wie die Figueroa-Barockkirchen in Sevilla zum größten Teil aus Ziegeln und ist mit bunt glasierten Dachschindeln bedeckt, vorwiegend in weiß und grün, den Farben Andalusiens.

Man ist also schon beeindruckt von der Außenbesichtigung dieses Tempels. Aber sobald man den Innenraum betritt, ist kein Wort groß genug, um all die Großartigkeit ringsumher zu beschreiben.

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Der erste Eindruck: hier scheint ALLES aus Gold zu sein: nicht nur die sieben (!) Hochaltäre, sondern auch die Kanzeln, die Bilderrahmen, die Gesimse und Fresken. Obwohl die Kirche wie so viele in Andalusien nur kleine und sehr wenige Fenster hat, wird sie von strahlender Helligkeit erfüllt. Hier ersetzt Goldglanz das Sonnenlicht. Der Effekt wird noch geschickt verstärkt durch Hunderte von kleinsten Spiegeln, die in die vergoldeten Altäre integriert wurden und die Strahlkraft des begehrtesten aller Metalle multiplizieren.

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Besonders interessant für Besucher: man kann quasi in den Hauptaltar hinein klettern. – Treppen führen auf seiner Rückseite nach oben, so dass man die schöne Inmaculada mit blauem Mantel auch aus der Nähe betrachten kann und zudem eine eindrucksvolle Aussicht auf das ganze Kirchenschiff von oben erhält. Hier hat man auch einen wunderbaren Blick in die Kuppel mit den Fresken des Barockmalers Sarabia, der auch die Heiligenporträts neben dem Reliquiar gemalt hat. Diese prunkvoll dekorierte, goldene "Knochenkammer" birgt 180 Reliquien und befindet sich auf derselben Höhe wie das Zentrum des Hauptaltars.

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San Juan de Dios ist ganz großes Barocktheater nach allen Regeln der Kunst. In dem ganzen Tempel gibt es keinen Quadratzentimeter ohne Dekoration – das barocke Prinzip des "Horror Vacui" wurde hier im künstlerischen Gesamtkonzept sehr konsequent umgesetzt.

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Zu den wichtigsten Kunstschätzen dieser Kirche gehören neben dem grandiosen Goldgebirge des ca. 20 Meter hohen Hauptaltars die Madonnenstatuen und Heiligenskulpturen von Bernardo und Diego de Mora, Pedro de Mena, und die Gemälde der Barockmeister Conrado Giaquinto und Carlos Maratta sowie die außergewöhnlich verschnörkelte Kanzel, die natürlich auch üppig vergoldet wurde. Übrigens war es König Philipp V., der das Gold für die Altäre von San Juan de Dios stiftete.

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Kritiker mögen nun einwenden, von diesem Gold hätte man vielleicht ein halbes Dutzend Krankenhäuser bauen können. Aber Kranke und Krankenhäuser kommen und gehen. Gold hingegen strahlt ewig und dieser Barocktempel wird noch in Jahrhunderten das Auge zukünftiger Generationen erfreuen und an den Namen des Heiligen erinnern, dem er gewidmet wurde: an Johannes von Gott, einen Krankenpfleger, dessen Programm radikale Nächstenliebe war.

Text + Fotos: Berthold Volberg

Tipps und Links:
Und noch ein Tipp zum Schluss: Den schönsten Blick auf Kuppel und Türme von San Juan de Dios hat man von der Dachterrasse des Hotels Colón schräg gegenüber. Man muss kein Gast sein, einfach im Aufzug ganz nach oben fahren, am besten kurz vor Sonnenuntergang in der Azotea-Bar einen Cocktail trinken und den Blick auf Granada und seine schönste Barockkirche genießen.

Link 1: La Basilica de la Inmaculada y San Juan
Link 2: Fachada Basilica San Juan de Dios

Adresse: C/ San Juan de Dios 19 (Eingang rechts neben der Hauptfassade).
Es sind Audio-Guides verfügbar. 
Eintritt: 4 Euro
Montags bis Samstags: 10.00 bis 13.00 und 16:00 bis 19:00
Sonntags: 16.00 bis 19.00

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