ed 09/2009 : caiman.de

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[art_1] Brasilien: Gen-Mais kommt!
Kontroverse auf den Feldern Paranas

Ein Maisfeld in der Nähe Goio-Erês, einer kleinen Stadt im Westen des Bundesstaates Parana, etwa 200 Kilometer vor der Grenze Argentiniens gelegen: Hier ist das Zentrum der landwirtschaftlichen Produktion Paranas. Parana gehört die landwirtschaftliche Produktion betreffend zu den drei größten Bundesstaaten Brasiliens.

Traditionell stand Parana für Kaffee-, Zuckerrohr und Baumwollproduktion, realisiert in kleinen Familienbetrieben. Doch seitdem die als "grüne Revolution" benannte Professionalisierung der Agrarproduktion, beginnend Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, auch hier Einzug gehalten hat, nimmt die großflächige Massenproduktion immer stärker zu.


Die grüne Revolution mit ihren großflächigen Monokulturen brachte auch die Ungezieferplagen mit sich und damit einhergehend den verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Mittlerweile ist Brasilien nicht nur in der Agrarproduktion Weltspitze, sondern auch im Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln.

Als Wunderwaffe gegen Plagen wie Raupen und Pilze gelten genveränderte Samen. Mit ihnen soll der Einsatz von Pflanzenschutzmittel reduziert werden. Viele Bauern sind begeistert, weil sie ihre Produktion steigern und ihre Kosten senken können.

Einer dieser Bauern ist der deutschstämmige Egon Reinaldo Welz. Seine Maiskolben sind groß und äußerlich perfekt im Gegensatz zu den kleinen und von Raupen zerfressenen konventionellen Maiskolben, die sein Nachbar auf der anderen Seite des Weges anpflanzt.

Die Raupen sind außer Kontrolle geraten. Da spritzt und spritzt man beim konventionellen Mais, aber man bekommt sie nicht unter Kontrolle. Die Raupe kommt und frisst sich in den Maiskolben hinein, durch die Blätter hindurch und geht ins Korn, das dann verfault. Da kann man nichts machen. Man verliert dadurch etwa 30% der Ernte, manchmal aber auch die komplette. Mit den Gen-Pflanzen ist es anders…

Stolz zeigt Welz seine Prachtmaiskolben. Natürlich müsse er die Gen-Samen teuer einkaufen.

Am Ende aber gewinnt man damit. Der andere muss sein Feld immer wieder spritzen? Viermal! Und das ist dann teurer als die Differenz des teureren Samens zum normalen. Und danach erntet man wesentlich mehr Körner… Da erwirtschaftet man am Ende mehr Geld. Es handelt sich so um die 20% bis 30% Steigerung. Für mich ist der Einsatz von Gen-Mais daher nur positiv. Es sagen zwar alle, dass es nicht gut für die Gesundheit sei, aber ich persönlich weiß nicht, ob dem so ist.

Auf dem Maisfeld von Bauer Welz ist ein Trupp der SEAB unterwegs, der Behörde für Landwirtschaft und Versorgung des Bundesstaates Parana. Ihre Aufgabe ist es zu untersuchen, in welchem Umkreis der Gen-Mais seine Pollen streut. Denn in dieser Region grenzen Genmaisfelder direkt an Felder mit konventionellem Mais.

Laut Gesetz muss ein Abstand von entweder 100 Metern zwischen Genmais und konventionellem Mais gehalten werden oder aber 20 Meter plus zehn Reihen von konventionellem Mais, der die umher fliegenden Pollen auffangen soll. Das Eindringen von Gen-Mais in konventionelle Pflanzungen soll damit verhindert werden.

Besonders Bauern, die konventionellen Mais anpflanzen und als "organico", also organischen Bio-Mais verkaufen, laufen Gefahr, ihre Absatzmärkte zu verlieren, sollten in ihren Produkten Spuren von gentechnisch manipuliertem Mais gefunden werden.

Erst Ende 2008 wurde die Anpflanzung von Gen-Mais von Regierungsseite erlaubt und nun steht die erste große "offizielle" Gen-Mais-Ernte kurz vor der Aberntung. Man schätzt, dass derzeit 30% des gesamten angepflanzten Mais bereits Gen-Mais ist und für die nächste Ernte erwartet man 50% oder sogar mehr.


Die Regierung des Bundesstaates Parana ist diejenige, die in Brasilien am härtesten gegen die Zulassung von genmanipulierten Pflanzen gekämpft hat. Lieber wolle man die familiäre Landwirtschaft fördern und den wachsenden Einfluss der internationalen Samen-Multis wie Monsanto, Syngenta und Bayer zurückdrängen. Doch bundesstaatliche Verordnungen aus der Hauptstadt Brasilia hoben stets die Landesverordnungen der Regierung von Parana wieder auf.

Jetzt hoffen die Beamten vom SEAB Beweise dafür zu finden, dass die Bestimmungen zur Isolierung der Gen-Maispflanzungen in der Praxis nicht funktionieren. Es ist wohl ihre einzige Chance im Kampf gegen die Ausbreitung der Gen-Pflanzen zu punkten. Alleine steht die Regierung dabei nicht. Lisa Gunn, Direktorin der Verbraucherschutzvereinigung IDEC aus São Paulo: Es besteht das Risiko, dass konventionelle Mais-Pflanzungen "kontaminiert" werden. Das beunruhigt zum Beispiel Bauern, die nicht mit Gen-Mais arbeiten. Wenn Du Nachbar eines Gen-Maisfeldes bist oder sogar die gleichen Einrichtungen (wie Infrastruktur und Equipment) benutzt, kann es zur Vermischung kommen. Und damit kannst Du Probleme beim Verkauf deines eigentlich genfreien Produktes bekommen.

Auch Larissa Packer, Rechtsanwältin der NGO Terra de Direitos aus Curitiba, ist kritisch, was die Anpflanzung von Genmais angeht: Die Felder eines Produzenten von organischen Produkten wurden von gentechnisch verändertem Mais kontaminiert. Durch den Wind oder auf eine andere Art und Weise gelangte der Pollen über die Felder und dadurch kam es unfreiwillig zu einer Kontaminierung der Umwelt. Im brasilianischen Biosicherheits-Gesetz gibt es den Paragraphen 20, der die Verantwortlichen für eine Kontaminierung der Umwelt und von Dritten belangt. D.h. wir können sowohl den Besitzer dieser Technologie rechtlich belangen als auch die CTNBio, das Organ, das für die Freigabe dieser Technologie ohne die entsprechenden wissenschaftlichen Studien verantwortlich ist.

Der Mais wurde freigegeben ohne eine adäquate Analyse seiner Bio-Sicherheit, zudem auf der Basis weniger Studien und ohne Normen, die die Segregation zwischen den Anpflanzungen garantiert - also die Koexistenz zwischen den verschiedenen Anbauformen.

Die von der Regierung festgelegten Abstände zwischen Gen-Maisfeldern und Anpflanzungen von konventionellem Mais seien in der Realität vollkommen unzureichend, so Packer: Der Maispollen hat einen Verbreitungsradius von 1000 Metern oder sogar noch mehr. In manchen Ländern werden 8000 Meter Abstand verlangt. Denn der Pollen kann weit getragen werden, auch durch natürliche Agenten. Selbst die Gen-Samen produzierenden Multis haben darauf hingewiesen, dass es die Gefahr der Kontaminierung im Bereich von 500 Metern gibt, aber die CTNBio hat sich auf einen Abstand von 100 Metern festgelegt oder halt von 20 Metern plus 10 Schutzreihen. Jetzt müssen wir feststellen, dass es zu Kontaminierungen jenseits dieser Schutzgrenze kommt. Und manchmal haben die Bauern, die die neue Technologie anwenden, diese Schutzgrenze erst überhaupt nicht gepflanzt. Es existiert keinerlei Kontrolle seitens des Landwirtschaftsministeriums über die Einhaltung des Sicherheitsabstandes.


Auch Bauer Welz hält gerade einmal einen schmalen Abstand zu den konventionellen Maisfeldern seines Nachbarn. Aber Sorgen macht er sich deswegen nicht, und die kontroverse Diskussion um die Gen-Pflanze geht an ihm vorbei. Er ist von den Genpflanzen überzeugt - anders als Paranas Gouverneur Roberto Requião, der verbissen gegen die neue Technologie zu Felde zieht.

Der ist ja nun mal kein Landwirt und daher ist es einfach für ihn so etwas zu sagen. Aber wer hier draußen in der Landwirtschaft arbeitet und mit den Problemen vor Ort zu kämpfen hat, der weiß, dass die Genpflanzen uns ein wenig helfen können.

Text und Fotos: Thomas Milz

Interview mit Marcelo Silva, Agronom der SEAB (Behörde für Landwirtschaft und Versorgung) des Bundesstaates Parana, der die Kontrollen hinsichtlich Biosicherheit leitet.

Caiman: Hat Brasilien die Produktion von Genpflanzen überhaupt noch unter Kontrolle?
Silva: Brasilien hatte noch nie die Kontrolle über diesen Bereich. Von Anfang an, als es mit Gen-Soja losging, dienten die Dekrete der Regierung dazu, eine unkontrollierte Situation in den Griff zu bekommen. Aber Alternativen aufzuzeigen und eine zukünftige Kontrolle zu garantieren, das passiert nicht. Innerhalb des letzten Jahres wurden 12 neue Gen-Samen freigegeben, 6 für Mais, 5 für Baumwolle und einer für Soja. Was sollen wir angesichts einer solchen Herausforderung tun, wenn es eine derart breite Freigabe gibt, sowohl für die Produktion, den Handel, den Im- und Export, sowohl für den tierischen und menschlichen Verzehr? Das ist sehr schwierig.


Eine Trennung des konventionellen und des Gen-Mais, wie das Gesetz es vorsieht, ist in der Praxis also recht schwierig?
Die Freigabe eines Gen-Maises ist sehr komplex. Sicherlich ist die Herausforderung der Trennung der Produkte in den Silos und auf den Feldern sehr groß. Und zudem die Koexistenz von konventionellem und genbehandeltem Mais zu sichern, ohne dass es zu Vermischungen kommt, ist eine riesig große Herausforderung. Wie realisiert man das auf Millionen Hektar? Letztlich wurden die Bauern dazu gebracht, eine Technologie auszuprobieren, obwohl sie nicht darüber aufgeklärt wurden, wie schwierig es ist, die Ernten zu trennen. Sie werden ihre Entscheidung auf der Basis von Kosten und Produktivität treffen, auf der Basis der Produktionskosten. Die Kooperativen, die die Ernte übernehmen, werden mit Sicherheit keine Trennung der unterschiedlichen Ernten vornehmen.

Wieso trennen die Kooperativen denn die Ernten nicht?
Ich denke, dass es keine Entscheidung ist nach dem Motto: wir trennen (die Ernten) jetzt einfach nicht. Die logistische Struktur der Landwirtschaft in unserem Land ist bereits ausgereizt. Hier in unserem Bundesland müssen wir schon Soja, Bohnen, Weizen und Mais trennen. Die Ankunft der Gen-Soja hat unsere Struktur an den Rand des Belastbaren gebracht. Beim Mais gibt es sowieso schon zwei Qualitätsstufen: den hochwertigen und den minderwertigen. Und wenn jetzt eine neue Gen-Mais-Sorte hinzukommt, muss ich meine Strukturen verdoppeln, brauche also 4 Silos, um den hoch- und minderwertigen plus den Gen-Mais zu trennen. Diese Herausforderung wurde überhaupt nicht bedacht. In der Realität wird es so sein, dass der Gen-Mais zu 100% mit dem konventionellen vermischt sein wird.

Hat der Konsument denn eine Wahl, wenn er keine genmanipulierten Produkte kaufen will?
Der Konsument hat heutzutage keine Wahl mehr. Aufgrund der fehlenden Kontrollmechanismen bekommt er keine ausreichenden Informationen. Ich denke, dass dies eine globale Herausforderung ist; und hier in Brasilien ist der Mangel an Informationen über Gen-Produkte Realität. Selbst in unserem Bundesstaat, in dem wir zwar nicht generell gegen Gen-Produkte sind, aber gegen den bisher gesehenen unkontrollierten Umgang mit ihnen. Das hier ist die "Chronik einer angekündigten Kontaminierung".

Kurzfristig scheinen die Gen-Pflanzen aber viele Vorteile zu haben. Weniger oder überhaupt keine Pflanzenschutzmittel werden mehr verwendet…
Aber wie sieht es langfristig aus? Was ist mit der Koexistenz? Und was ist mit der Resistenz bei Plagen? Nun, die Genpflanzen sollen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Das ist ein Mythos! Heute haben wir Informationen über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in dieser Region. Berichte belegen, dass beim Gen-Soja zwischen 2005 und der letzten Ernte 2008 40% mehr Glyphosat benutzt wurde. Es ist offensichtlich, dass dies durch den Anbau von Gen-Soja provoziert wurde. Und das geschieht ausgerechnet bei den Herbiziden, denn hier war das Argument: lasst uns diese toxischen Mittel verbannen, diesen toxischen Müll. Der Einsatz von Paraquat zum Beispiel ist in zahlreichen Ländern eingeschränkt. Wir haben in unserer Region einen Anstieg von 480% im Handel mit Paraquat, um das Buva-Kraut (Südamerikanisches Berufskraut) zu kontrollieren. Paraquat ist - und das kann jede Kooperative bestätigen - der Bodyguard für die RR-Technologie.

[Glyphosat ist die Hauptkomponente eines Totalherbizids, das Monsanto unter dem Namen Roundup (RR) vertreibt und das gegen Unkraut eingesetzt wird. Seine Giftigkeit für Tier und Mensch ist umstritten.]

[Paraquat ist ein Bipyridinium-Herbizid, das als Kontaktherbizid gegen breitblättrige Unkräuter eingesetzt wird. In Deutschland ist sein Einsatz seit 2007 ausgesetzt.]


Was wäre denn eine Alternative für den Einsatz von Genpflanzen?
Wir verteidigen eine familiär geprägte und diversifizierte Landwirtschaft, die eine integrierte Anpflanzung zur Schädlingsbekämpfung berücksichtigt, wodurch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert wird und Alternativen geschaffen werden. Ein Beispiel ist der Anbau von Sesam. Ich will nicht sagen, dass man jetzt nur Sesam anbauen soll. Aber Sesam bringt mehr Erlöse als der Anbau von Mais, und man kann ihn in der Wintersaison anbauen. Und Sesam ist extrem resistent gegen die Raupen. Der Anbau von Sesam auf Feldern im Rotationsprinzip unterbricht den Lebenszyklus der Raupen.

Was sagen Sie denn den Bauern, die Gen-Pflanzen anbauen und damit zufrieden sind?
Wenn man einen solchen Landwirt fragt, wird er positiv über die Gen-Pflanzen sprechen. Geh ich zu seinem Nachbarn, wird der schon nicht mehr bloß positiv darüber reden. Und dessen Nachbar sagt dann: ich will keine Genpflanzen anbauen. Es existiert also ein Mosaik von Meinungen, und das muss man sich ansehen und einen Konsens finden.

Interview: Thomas Milz

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