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[kol_2] Macht Laune: Kurzangebunden durch die Maquiné Höhle

"Sieht tief aus..." Der Touristenführer leuchtet mit seiner Taschenlampe in die Wasserpfütze. Dabei hat er die Augen hinter den dicken Brillengläsern derart weit aufgerissen, als ob er gerade einen Horrorfilm sehen würde. Und beinahe flüsternd fügt er hinzu: "...isses aber nicht."

Die Bewohner des Bundesstaates Minas Gerais haben in Rest-Brasilien den durchaus zweifelhaften Ruf, nicht besonders gesprächig zu sein. Aber das ist hier nicht das Problem. Er scheint vielmehr darauf bedacht zu sein, seine Wörter möglichst sparsam einzusetzen. Wer weiß, vielleicht hat er ja vor kurzem erst eine wissenschaftliche Studie darüber gelesen, wie viele Wörter ein Mensch durchschnittlich in seinem Leben von sich gibt.

Und da kam ihm plötzlich der Gedanke, jeden Tag einen Haufen Wörter einzusparen, um damit automatisch seine Lebenserwartung nach oben zu schrauben.

"Er hat diese Führung wohl schon tausendmal gemacht, und jetzt ist es ihm ein Graus, vollständige Sätze von sich zu geben", versucht sich einer unserer Gruppe an des Rätsels Lösung. Und als ob er es gehört hätte, klopft sich unser Touri-Führer auf den kleinen Bauch. "Warm hier, und hohe Luftfeuchtigkeit – durch die Höhle wandern hält in Form!"

Wir folgen ihm durch die sieben zum Teil riesigen Höhlenkammern, die zusammen eine Ausdehnung von über 200 Metern haben und durch weitere 440 Meter Gänge miteinander verbunden sind. Die elektrische und teils bunte Beleuchtung beschwört ein irreales Szenarium herauf, übertrieben prächtig und doch manchmal furchteinflößend. "Zurzeit wenig Wasser!" Der Boden ist vollkommen glatt, was höchste Aufmerksamkeit erfordert, will man nicht ausrutschen. Ab und zu tun sich kleine Öffnungen im Boden auf, in die unser Führer mit seiner Taschenlampen hineinleuchtet. "Wasser fließt hier ab," erklärt er lächelnd. "Kinder sind schon reingeklettert, aber nicht bis zum Boden. Zu eng!"

Er lächelt uns an. "Sieht wie kleines Loch aus... isses aber nicht!"

Wir sind die einzigen Touristen in der Höhle, und wir nutzen diese privilegierte Situation aus, um das Echo mit allerlei sinnlosem Geschrei auszutesten. "Schwiegermutter mit Bart", erklärt der Führer und leuchtet auf eine kopfförmige Steinformation an der Decke. "Sogar Gott bestraft Schwiegermütter!" Er lacht über seinen eigenen Witz. Um uns herum wimmelt es nur so von Stalagmiten und Stalaktiten, die durch das durch das Gestein sickernde Wasser gebildet wurden.

Wir kommen in die Hauptkammer der Höhle. Das Tropftstein-Spektakel verschlägt einem den Atem. Die Maquiné-Höhle gilt als eine der schönsten der Welt.

Wer das Glück hat, sie zu besuchen, versteht warum: "Meinerseits muss ich gestehen, dass meine Augen niemals etwas ähnlich Schönes und Großartiges im Reich von Natur und Kunst erblickt haben." Mit solchen Worten preiste der Däne Peter Wilhelm Lund die Pracht der Höhle.

Der Wissenschaftler betrat sie 1836 während seiner Expedition zur Kartografisierung der Höhlen von Minas Gerais. Angeblich soll er sogar in der Höhle genächtigt haben. "Lunds Bett", der Führer deutet auf eine kleine Einbuchtung in der Höhlenwand, die wie geschaffen für eine geruhsame Nachtruhe erscheint.

Die Maquiné-Höhle wurde 11 Jahre vor Lunds Ankunft von Joaquim Maria do Maquiné, dem Eigentümer der umliegenden Ländereien, entdeckt. Aber erst durch die wissenschaftlichen Publikationen des studierfreudigen Dänen wurde sie bekannt. Lund und sein aus europäischen Wissenschaftlern bestehendes Team registrierten insgesamt 106 Höhlen entlang des Rio das Velhas in Minas Gerais.

Es war der zum Flusssystem des Rio das Velhas gehörende Ribeirão do Onça, der die Kammern der Höhle erschuf.

Eine Arbeit von Jahrtausenden und Jahrmillionen, und bis zum heutigen Tag weiß man nicht, wieweit die Höhle in das Gestein hinein reicht. "Geht bis Brasília ... vielleicht", spaßt unser Führer. Weitergehen ist jedoch strengstens untersagt. "Gase! Explosionsgefahr!! Erstickungstod!!!"

Wir kehren um. Eine Menge zerbrochene und verschmutzte Formationen entlang des Weges. "Berühren verboten", warnt unser Führer. Aber mehr als 100 Jahre Tourismus haben ihre Spuren hinterlassen. "Brechen was ab, nehmens mit," beschwert er sich. "Wenig Hirn!"

Er dreht sich um und geht dem Ausgang entgegen, einer kleinen Öffnung im Fels. Deshalb wurde die Höhle erst vor 180 Jahren entdeckt. Von außen sieht das Ganze aus wie nichts weiter als ein kleines Loch im Fels. Isses aber nicht!

Info
Die Maquiné-Höhle liegt in der Nähe der Stadt Cordisburgo in Minas Gerais. Zu erreichen ist sie über die Bundesstraße BR 40, zwischen Belo Horizonte und Brasília, etwa 120 Kilometer von Belo Horizonte entfernt.

Text + Fotos: Thomas Milz