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[art_2] Peru: Ccochapamapas Kaffeebauern

Es ist Erntezeit, und das heißt Einsatz für die ganze Familie. Es ist heiß und schwül, die Wolken hängen dicht über den Bergen. Juancito biegt den Zweig herab, an dem die reifen, roten Kaffeefrüchte hängen, und er und vier seiner Kinde fangen an zu pflücken. Mosquitos umsurren sie und reizen sie bis aufs Blut. Maria reckt sich, reißt die Beeren ab und wirft sie in den Sack, den sie auf den Rücken gebunden hat. Wie auch ihre Geschwister ist die Neunjährige erst mittags dazu gestoßen, am Vormittag waren sie in der Schule. Gemeinsam mit ihrer Schwester Mariela schleppt sie den vollen Sack zu der Kaffeemühle, in der die Bohnen von dem Fruchtfleisch getrennt werden.

Dort stehen ihre älteren Geschwister Judith und Oscar, die sich bei der kräftezehrenden Arbeit, das Schwungrad zu drehen, abwechseln.

Auf einer Höhe von 1800 Meter wächst der beste Kaffee, so wie in dem Dörfchen Ccochapampa. 120 Familien leben hier vom Kaffee, fast alle haben sich vor sieben Jahren in einer Kooperative zusammen geschlossen, die den Kaffee an den fairen Handel verkauft. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Pro Sack verdienen die Kaffeebauern zwischen 10 und 15 US-Dollar mehr als früher. Was dieser Gewinn wirklich für das Dorf und seine Bewohner bedeutet, erzählt der Präsident der Kooperative, Lino Carpio Loisa: "Das meiste Geld fließt in die Ausbildung unserer Kinder. Wir haben jetzt eine eigene Schule, so dass die Kinder nicht mehr jeden Morgen zweieinhalb Stunden ins Tal nach Santa Maria laufen müssen. Und wir haben jetzt ein Telefon im Dorf, so dass wir im Notfall einen Arzt rufen können". Der Präsident ist zufrieden damit, wie sich das Dorf in den letzten Jahren entwickelt hat. Für die Zukunft hat er noch einiges vor. Ccochapampa soll ein Abwassersystem bekommen und eine Gesundheitsstation mit einem eigenen Arzt und einer Krankenschwester. Stolz führt Don Lino die Besucher weiter hoch in die Berge. Steil ragen die vom Urwald verhüllten Berge empor.

Tief unten fließt der mächtige Urubamba. Grüne Papageien fliegen krächzend auf. "Hier ist ein alter Inkatrail, der nach Machupicchu führt", erklärt er. Die Luft ist feucht und heiß, jeder Schritt auf dem unwegsamen Gelände fällt schwer.

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Don Fidel allerdings scheint das nicht zu bemerken. Im Eilschritt läuft der 62-jährige den steilen Pfad hinauf, beladen mit einem 25 Kilo schweren Kaffeesack. Jeden Morgen geht er eine Stunde lang hinab zu seiner Chacra und arbeitet in der Pflanzung, abends geht es zurück. Don Fidel ist fit und hart im Nehmen. Ganz alleine würde er die Arbeit allerdings nicht schaffen. Die Mitglieder der Kooperative helfen sich gegenseitig. Es ist das alte Prinzip der Ayllu, des gegenseitigen Helfens, das schon während der Herrschaft der Inka praktiziert wurde. Jeden Tag trifft sich die Gemeinschaft in einer anderen Pflanzung um dort gemeinsam zu ernten. Der, dem das Feld gehört, sorgt für die Verpflegung. Die Frauen der Familie stehen dann morgens um vier auf um für alle zu kochen.

Es wird Abend und Juancito und seine Kinder machen sich auf den Weg zurück zu ihrem Haus. Oscar trägt das Feuerholz auf dem Rücken den Berg hinauf. Obwohl es in Ccochpampa inzwischen Strom gibt, kochen alle noch mit Holz. Strom oder Gas wären zu teuer.

Juancitos Frau ist zu Besuch bei ihren Eltern, deshalb übernimmt die 16-jährige Judith alle Pflichten der Mutter. Sie füttert die Hühner und entfacht das Feuer in der Küchenhütte. Oscar bringt einen Eimer Wasser von dem einzigen Wasseranschluss des kleinen Hofes, während die jüngeren Schwestern Yucca und Kartoffeln schälen. Judith würde zu Ehren der Besucher gerne eines der Meerschweinchen schlachten, die im hinteren Teil der Küche umherwuseln. Dass die bei uns Haustiere und keine Nahrungsmittel sind, kann sie nur schwer nachvollziehen. "Die schmecken doch so gut", meint sie und brät dann doch ein Huhn.

Nach dem Essen sitzen alle noch ein wenig vor der Hütte zusammen, während über den Bergen der Vollmond aufgeht. Den ersten Schluck seines Bieres schüttet Juancito auf den Boden - für die Erdmutter, die Pachamama, auf das die Ernte gut werde. Wenn alles gut geht, dann kann Oscar im Herbst, wenn er mit der Schule fertig wird, Mechaniker und Judith Krankenschwester werden.

Die beiden ältesten Söhne der Familie studieren in Lima. "Dass mal eines meiner Kinder Anwalt werden würde, daran hätte ich niemals zu denken gewagt". Juancito lächelt und dabei werden die großen Zahnlücken des 48-jährigen sichtbar.

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Der nächste Tag ist ein Sonntag. Ein Ruhetag. Die Familie steht spät auf - um sechs. Dann wird die Wäsche per Hand gewaschen und geflickt, ein Brennholzvorrat für die Woche angelegt und nachmittags den Kindern beim Fußball spielen zugesehen. Ob sich Juancito und seine Familie denn in drei Monaten nach der Ernte für ein paar Tage erholen können? Der Familienvater winkt ab. Nach der Ernte müssen zwei der Hütten aus Adobeziegeln erneuert und außerdem die Kaffeepflanzen gestutzt werden.

Text: Katharina Nickoleit
Fotos: Christian Nusch

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Titel: Peru Kompakt
Autoren: Katharina Nickoleit, Kai Ferreira-Schmidt
276 Farbseiten
36 Karten, 120 Fotos und Abbildungen
ISBN 3-89662-339-7
Verlag: Reise Know-How