caiman.de 07/2012

[kol_3] Grenzfall: Wine Palace pfui und hui
 
Mittwoch und Samstag waren meine großen Tage. Es waren die Tage mit Reiseteil bzw. Kleinanzeigen im Kölner Stadtanzeiger, dem Internet der 80er. Es war die Zeit von Quacken-Reisen und Schau ins Land. Die Zeit der Bustouren an die Spaßorte der Costa Brava: Lloret, Malgrat, Calella, Tosa.

Wir fuhren oft. Meist mit Quacken und der Busfahrerlegende Manni: So liebe Leute. Ihr seht hier, liebe Leute, das homosexuelle Pärchen hat mich, liebe Leute, tätlich angegriffen. Liebe Leute, das ist eine Verwarnung, ihr bekommt das jetzt alles mit, liebe Leute. Ich, liebe Leute, bin der Manni, euer Busfahrer. Liebe Leute, wollt ihr Frühstücksei?


Manni mochte uns nicht, weil wir nie etwas verzehrten. Und bei seinen Ansprachen lachten. Das änderte sich jedoch an dem Tag, als er in einer scharf angegangenen Rechtskurve, die komplette Ladung weichgekochter Eier in Bewegung setzte. Der Jupp neben mir reagierte mit einer Flugeinlage und rettete die komplette Palette ohne Verluste kurz bevor sie den mit Teppichboden bestückten Mittelgang in Eiermatsch verwandeln konnte. Seither mochte uns Manni: So liebe Leute, hallo, liebe Leute. Ach der Jupp ist wieder an Bord. Liebe Leute, der Jupp bekommt morgen früh ein gekochtes Ei, ja liebe Leute.

Eine Costa-Brava-Reise dauerte 10 Tage. Sie beinhaltete 2 Übernachtungen im Bus, 8 im Don Juan mit Frühstück. Das Frühstück passte nicht in unser Tageskonzept und die Mäuse in der Auslage unterstrichen dieses. Lieber brieten wir uns auf dem Campingkocher Tintenfisch und Rührei. Weshalb wir leider einmal das Hotel vorzeitig verlassen mussten. Höhepunkt des Tages war meist zwischen 11 Uhr und 13 Uhr der Besuch der Reinigungskräfte, die sich an den schlafenden Gestalten im Bett weder störten noch überrascht waren.

Vom Design des Logos bis zum kompletten Gebäudeoutfit passt das Wine Palace in genau diese Zeit und auch zu Quacken-Reisen. Und so habe ich den Tempel des Partytourismus, endlich (Jahre später) als gesitteter Costa Brava Tourist reisend, intuitiv gemieden. 1000 Mal bin ich in Figueras am Wine Palace vorbei gefahren ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Und dann...

Meine Suche nach einem Weißwein namens Basa, den wir in einem hervorragenden Lokal mehrfach verkostet hatten, blieb erfolglos. Weder spezielle Weinhandlungen, noch die großen Supermärkte hatten jemals von Basa gehört. Und so tranken wir uns durch reichlich fruchtige Verdejo-Wein-Empfehlungen, die aber allesamt nicht an Basa heranreichten.

Eines Tages jedoch suchte ich eher zufällig eine Werkstatt in der Nähe des Wine Palace auf. Und um die Wartezeit zu verkürzen, wagte ich es dann doch. Ich betrat den äußerlich so schäbig nach Tequilaverschnitt und 10-Liter-Eimer Sangría anmutenden Weinpalast. Und es war, als täte ich den Schritt in eine andere Welt, in der ich mich hätte über Stunden verlieren können. Ein unglaubliches Sortiment an Alkoholika. Auf der Suche nach Basa zog ich vorbei an den edelsten Weinen Spaniens, passierte Brandys und vertiefte mich kurz in die erlesene, 113 Sorten umfassende Rum-Auslage und wurde trotzdem schnell fündig: Basa in der letzten Reihe.

Liebe Leute, es hat sich, liebe Leute ausgequackt. Liebe Leute, jetzt müsst ihr ohne, liebe Leute, Quacken-Reisen zum Wine Palace. Liebe Leute, auch der Jupp bleibt ohne Frühstücksei. Liebe Leute, ich, der Manni, hab das homosexuelle Pärchen dann doch nicht aus dem Bus geschmissen. Also behaltet mich in guter Erinnerung. Euer Manni, liebe Leute.

Text + Fotos: Dirk Klaiber

[druckversion ed 07/2012] / [druckversion artikel] / [archiv: grenzfall]