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[art_4] Peru: Incahuasi - Kaffee aus der Höhe
 
Im Schatten der Schneeberge Südperus wächst der beste Kaffee des Landes. Ihn anzubauen grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit. Gelingen kann das nur Dank der Rückbesinnung auf alte Traditionen und mit Hilfe des Fairen Handels.

Knatternd durchbricht Dante Palomino mit seiner völlig verstaubten Enduro die Stille. Drei Stunden war er mit dem Motorrad unterwegs; aber er gönnt sich keine Pause, sondern läuft den Berg hinauf zum Kaffeefeld des ältesten Mitglieds der Kaffeekooperative Incahuasi. Eigentlich dürfte hier gar kein Kaffee wachsen. Die Abhänge sind zu steil, die Erde zu steinig, es regnet viel zu selten und überhaupt liegt die ganze Region südlich von Andahuaylas viel zu hoch. Doch trotz alldem wächst hier Kaffee, und zwar nicht irgendeiner, sondern der Beste, der in ganz Peru zu finden ist. Denn je höher der Kaffee angebaut wird, desto besser ist er. Und höher als hier auf 2.200 Metern kann man den Kaffeebusch nicht anpflanzen, denn er verträgt keinen Frost.

Dante ist Agraringenieur und hilft den Bauern, sich auf die Traditionen ihrer Vorfahren, der Inka, zu besinnen, so dass sie hier trotz der ungünstigen Bedingungen Kaffee anbauen können. "Alles, was wir tun, machen wir nach dem System der Minka. Das heißt, wir helfen einander, wenn jemand eine Arbeit zu verrichten hat, die er alleine nicht schaffen kann", erklärt Dante. Die Minka stammt aus der Zeit der Inka. Das ganze Dorf kam zusammen, um das Haus einer einzelnen Familie zu errichten oder Terrassen in den steilen Berghängen anzulegen, so dass dort Felder entstehen konnten. Und genauso ist es auch heute wieder. "Ohne die Minka könnte ich keinen Kaffee anbauen", meint der 90-jährige Eugenio Sanestore. Er und seine 75-jährige Frau Lucia arbeiten trotz ihres hohen Alters nach wie vor in ihrer Kaffeepflanzung. Ernten und Jäten, das geht noch, aber die Mauern in Stand halten, welche die Terrassen ihrer Felder befestigen, das schaffen sie einfach nicht mehr. Und das müssen sie auch nicht, denn die Dorfgemeinschaft hilft ihnen bei dieser schweren Arbeit. "So ist das bei uns, einer unterstützt den anderen. Die beiden waren früher, als meine Großeltern Hilfe brauchten, auch für sie da, und heute ist es eben umgekehrt", erklärt Ruben Muriel, der vorbei gekommen ist, um ein paar heruntergefallene Steine wieder in die Mauer einzusetzen.

Dante Palomino schaut ihm dabei zu und gibt Tipps. Auf einem geländegängigen Motorrad fährt er ständig von einem Dorf zum andern und berät die Bauern, wie sie ihren Kaffee besser anbauen können. In den Kaffeedörfern wirkt er mit seiner Enduro ein bisschen wie ein Besucher von einem anderen Stern. Denn bei den Mitgliedern von Incahuasi scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben. Die Menschen hier sprechen kaum Spanisch, sondern Quetchua, die Sprache ihrer Vorfahren. Um den Bauch tragen sie handgefertigte Tücher, in die uralte Muster gewebt sind Es gibt keinen Strom, kein fließend Wasser und die Häuser werden wie vor 500 Jahren aus getrockneten Lehmziegeln und ohne Glasfenster gebaut. Die Straße in diese abgelegene Region wurde erst vor einem Jahr fertig gestellt. Der Weg hier hin ist weit. Von Andahuaylas, das gut 20 Busstunden von der Hauptstadt Lima entfernt liegt, sind es acht Stunden über eine holprige Straße, die sich in Serpentinen zwei Pässe von über 4.000 Metern hinauf und wieder hinunter windet. "Früher sind wir mit Maultieren durch die Berge gewandert, um unseren Kaffee an eine benachbarte Kooperative zu verkaufen. Sieben Tage waren wir unterwegs, zwei schneebedeckte Pässe mussten wir überwinden", erinnert sich Dante Palomino.

Doch vor drei Jahren schlossen sich 310 Bauern aus insgesamt 10 Dörfern zu einer eigenen Kaffeekooperative zusammen. Von Anfang an hatten sie die Möglichkeit, ihren Kaffee an den Fairen Handel zu verkaufen, und von da an sollte alles einfacher werden. "Wir erwarben einen Lastwagen, der die Kaffeesäcke über die neue Straße in den Dörfern abholt. Das war ein großer Fortschritt", erzählt Dante. Auch sein Gehalt und sein Motorrad werden mit der Prämie des Fairen Handels bezahlt. Die Maultiere wurden trotzdem nicht arbeitslos: Noch immer schleppen sie ihre 60 Kilo schwere Last auf alten Inkapfaden von den entlegenen Gehöften bis in die Dörfer, die an der neuen Straße liegen. Benedicto Alania ist gerade mit Churi über die Berge gekommen und lädt die Kaffeesäcke ab. Er schüttet die Bohnen auf einer betonierten Fläche aus und verteilt sie in der Sonne, so dass sie die Feuchtigkeit verlieren, die sie womöglich während des Transportes gezogen haben. "Diese Anlage gehört uns", sagt er sichtlich zufrieden. "Wir haben sie mit unserer Prämie gebaut."

Die Mauer ist repariert und Dante und Ruben wenden sich dem nächsten Problem zu: Wasser. "Das hier ist eine Wüstengegend, es regnet hier so gut wie nie", erklärt Dante. "Weil es auch kein Grundwasser gibt, sind wir auf die Gletscherbäche angewiesen." Der Agraringenieur erklärt Ruben, wie das Schlauchsystem vom Bach zu dem Feld verlegt werden muss. "Es ist wichtig, dass Du nicht zuviel Wasser abzweigst, sonst haben die Nachbarn, die unterhalb wohnen, nicht genug", mahnt er und dreht den rotierenden Wasserhahn noch ein bisschen weiter zu. "Das reicht, um einen leichten Regen zu simulieren", meint er und geht zu der Trockenanlage hinüber, um auch dort nach dem Rechten zu schauen. "Wie sieht es aus, hast Du auf Deinem Weg hierher auf den Gletscher geachtet?", fragt er Benedicto. Sorgenvoll wiegt er den Kopf, als er hört, dass die Schneedecke des Chukisapra schon wieder um ein paar Meter zurückgegangen ist. "Wenn das so weiter geht, dann werden wir in ein paar Jahren kein Wasser mehr haben." Es gibt nichts, was er dagegen tun könnte und so schiebt er den Gedanken beiseite.

Lucia hat eine herzhafte Mahlzeit aufgetischt: Quinoasuppe, Kartoffeln, Spiegelei und Huhn.  Es ist Tradition, dass diejenigen, die Hilfe von den Nachbarn bekommen, sich um die Verpflegung kümmern. "Ohne die Minka, ohne die Hilfe unserer Dorfgemeinschaft, könnten wir nicht überleben", sagt sie. "Aber ohne den Fairen Handel ginge es genauso wenig." Das alte Paar profitiert nicht nur davon, dass sein Kaffee nicht mehr auf Maultiere verladen durch die Berge transportiert werden muss oder von der Hilfe des Agraringenieurs. "Im letzten Jahr wurde Eugenio krank und die Kooperative hat uns Geld für die Medikamente gegeben", erinnert sich Lucia dankbar.

Dante trinkt noch einen Kaffee und schwingt sich wieder auf sein Motorrad und macht sich auf den Weg zum nächsten Kaffeedorf, wo er sich die jungen Schösslinge anschauen will. Benedictos Maultier scheut, als er an ihm vorbei knattert. So einen Lärm ist es nicht gewohnt. Und dann versinkt das Dorf wieder in der Stille der schroffen Berge.

Tipp: Katharina Nickoleit hat zusammen mit Kai Ferreira Schmidt einen Reiseführer über Peru verfasst, den Ihr im Reise Know-How Verlag erhaltet.

Weitere Informationen über die Autorin findet ihr unter:
www.katharina-nickoleit.de

Titel: Peru Kompakt
Autoren: Katharina Nickoleit, Kai Ferreira Schmidt
288 Seiten
ISBN 978-3-89662-336-2
Verlag: Reise Know-How
4. Auflage 2010

Text + Fotos: Katharina Nickoleit

Linktipp:
TransFair - Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der "Dritten Welt" e.V.

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