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[kol_2] Macht Laune: Maria de Buenos Aires
Eine Operita von Astor Piazollas

Wenn man in die Oper geht, dann erwartet man...? Ja, was eigentlich? Und noch dazu, wenn der Schöpfer dieser Operita kein geringerer ist als der Begründer des Tango Nuevo - mit Namen Astor Piazolla? Zumindest ein Feuerwerk an guter Musik, ein bisschen Tango, Melancholie, Liebe, Verdruss und etwas poetischen Lunfardo, den die Porteños so liebevoll sprechen. Zugegeben: von allem war ein bisschen was dabei bei der von Anja Nicklich neu inszenierten María im Dortmunder Opernhaus, das am 5. Mai Premiere feierte. Aber irgendwie war es doch ungleich verteilt: Tango und Liebe zu wenig, Melancholie und poetisch aufgeplusterte Sprache beinahe schon unerträglich viel. Zumindest für deutsche Ohren.


Gut, Horacio Ferrer ist für die poetisch-metaphorische Sprache berüchtigt. Die klingt im Original auch hervorragend. Doch vollends darauf einlassen konnte man sich nicht, gerade wenn man den Begriff Lunfardo zwar richtig schreiben kann, ihn aber nicht beherrscht. Die Übersetzungstafeln waren zudem viel zu dürftig übersetzt oder sprangen von einem zum anderen Textblock entweder zu schnell oder zu langsam. Zwar mag sich der Operita-Inhalt auch über das Auge erschließen, aber dem Hispanophilen wurde es nicht gerade leicht gemacht. Der schwenkte nämlich zwischen Hinhören und Mitlesen im wahrsten Sinne des Wortes hin und her. Die Geschichte der Operita ist schnell erzählt. Maria, überdrüssig des Lebens auf dem Lande, verfällt ganz den Verlockungen der Metropole am Rio de la Plata; sie gibt sich den Männern hin wie dem Tango, gerät an die falschen Leute, prostituiert sich und zerbricht schließlich daran. Piazolla allerdings lässt sie gleich mehrmals sterben und wieder auferstehen. Der Erzähler (Andreas Wolfram) leitet uns durch Marias Leben. Er ist sowohl Analyst als auch Straßensänger oder Ladrón. Was der aufmerksame Leser dem Programmheft entnehmen kann, offenbart sich dem unwissenden Operngänger erst nach dem Stück beim Blick auf das selbige: Maria und ihr Schatten, die wieder zueinander finden müssen, nachdem sie durch die verführerische Stadt entzweit wurden. Der Schatten Marias, hervorragend in Szene gesetzt von der Brasilianerin Gilda Robello, beginnt sich zu wehren, während der Geist (Justo Moret Ruiz) die alten Zeiten einer heilen Welt beschwört.


Der Zuschauer wird mitgenommen auf Marias (Marta Lastowska) Reise. Er begleitet sie bei ihrer Ankunft in Buenos Aires, den Blicken in eine rosige Vergangenheit, Marias Wiedergeburt und schließlich ihrer Auferstehung. Man muss das alles nicht verstehen, aber Piazolla verstand es sehr wohl, dieses gesellschaftskritische Stück mit seinem "jazzigen" neuen Tango zu untermauern und ein besonderes Flair zu zaubern. Und dieses geht auch nicht verloren. Zu gut zeigt sich das Dortmunder Ballett auf der Bühne mit martialischen Choreografien und ständig wandelbarem Kostüm. Und zu gut präsentiert sich auch die Rumpfbesetzung der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Günther Wallner, die eine eindrucksvolle Umsetzung der Tango-Oper offenbart. Einziger Schwachpunkt, den man gerne verzeihen würde (und der offenbar schon bei vielen Rezensionen verziehen, weil nicht gehört oder gesehen wurde), hätte dieses Instrument nicht auch eine Rolle im Stück: das akustisch fehlende Bandoneon. María liebt dieses Instrument (verkörpert durch Arsen Azatyan), das fest verbunden ist mit dem Tango. Man hätte es so gerne mal gehört. Allerdings, und das ist das gute daran, tat es dem Gesamteindruck keinen Abbruch, zumal das Akkordeon den Part bestens übernahm.


Alles in allem kann man die Operita empfehlen. Sie bereitet einen kurzweiligen Abend mit hervorragender Musik und tollem Ballett vor einem kargen, aber sehr effektvollen Bühnenbild. Und mit eineinhalb Stunden auch für den unerfahrenen Opernfreund machbar. Den alteingesessenen Opernfans sei gesagt, dass es sich nicht um eine klassische Oper handelt, sondern vielmehr um eine künstliche Tango-Flair-Kreation. Gerade weil Nicklich sich ziemlich frei verschiedener Stilelemente bedient, schafft sie für den Interessierten ein durchaus gelungenes Tango-Event, wie man es neudeutsch ausdrücken könnte. Und wer weiß, vielleicht lassen sich ja gerade durch diese Aufführung manche zu weiteren Opernbesuchen animieren.

Text: Andreas Dauerer
Fotos: Thomas Jauk (Pressestelle Opernhaus - Theater Dortmund)

Die letzten beiden Aufführungen finden am 07. und 13. Juni statt.
Weitere Informationen und Kartenbestellung im Internet unter: http://www.theaterdo.de