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[art_4] Kuba: Wie kann er nur so geduldig sein?
Deutsches Temperament und kubanische Coolness

"Nein, ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr auf diese Probleme, es ist ständig das Gleiche, so ein Mist" denke ich mir, als ich merke, dass es keinen Sinn hat, mit dem Parkwächter zu diskutieren. Ein so schöner Tag in Santa Clara, Wochenende, wir haben frei. Yariel, ein Kubaner und ich wollten ihn im Freizeitpark verbringen. Aber wir dürfen einfach nicht zusammen rein. Der Grund: Ich bin Ausländerin, mein Begleiter ist Kubaner.

Das ist in Kuba ganz normal: Nur wenn ein kubanischer Bürger mit einem Ausländer verheiratet ist, dürfen sie zusammen weggehen, in einem Hotel übernachten oder zusammen in manchen Diskos eintreten. Alleine das ist schon kurios - aber dass man zusammen nicht in einen Park eintreten darf, das war mir wirklich neu.

Diskriminierung von Herkunft – in Kuba ganz normal. Gewöhnt habe ich mich ja schon daran, dass die Ausländer ständig andere Preise als die Kubaner zahlen, in Kinos, Museen oder Hotels – vielleicht ist das sogar noch gerechtfertigt, schaut man sich die kubanischen Löhne an.

Immerhin müsste er sich doch noch viel mehr ärgern: Darüber, dass er in seinem eigenen Land keinen Zutritt in die Hotels für Touristen hat. Er aber bleibt gelassen und geduldig. Ich bewundere ihn dafür, denn ich bin völlig anders: Ich kann einfach nicht eine dreiviertel Stunde vor der Bank stehen, um Geld abzuholen oder in einem Geschäft so lange warten, bis die Kassiererinnen ihren Kaffeeklatsch beendet haben.

Immer wird behauptet, die Kubaner seien sehr temperamentvoll, die Deutschen hingegen unterkühlt. Das stimmt keineswegs. Jedenfalls nicht bei mir – während ich wegen dem „Parkvorfall“ innerlich koche, lässt sich der Kubaner Yariel nichts anmerken.

Dabei müsste er sich doch noch mehr ärgern: Darüber, dass er in seinem eigenen Land keinen Zutritt in einige Hotels hat, weil dort nur wir Ausländer rein- und rausspazieren dürfen; darüber, dass er eine Erlaubnis braucht, um auf eine der kleinen, vor Kuba gelagerten Inseln zu gelangen (Fluchtmöglichkeit…) und darüber, dass er ohne offizielle schriftliche Erlaubnis nicht mal mit seiner langjährigen Freundin zusammen wohnen darf. Die Kubaner bleiben gelassen, in fast jeder Situation. In Deutschland würden nicht mal Rentner eine Dreiviertelstunde vor der Bank anstehen, um Geld abzuholen oder höflich in einem Geschäft darauf warten, dass die Verkäuferin vom Kaffeeklatsch wieder kommt.

"Damit, dass du dich aufregst, änderst du auch nichts", sagt mein kubanischer Begleiter zu mir. Das ist zwar richtig, aber es fällt uns Deutschen doch schon manchmal schwer, zu akzeptieren, dass an einer Situation nichts zu ändern ist. Einfach schlucken, nur nicht rebellieren. Wo sind all die Menschen, die früher „Revolution“ gerufen haben?

Vieles ist anders in Kuba – vor allem die Männer – sehr selbstbewusst, sehr offensiv. Als deutsche Frau, die darauf nicht vorbereitet ist, musste ich mich erst mal an den Brauch gewöhnen, dass mir fast überall Männer mit „kss kss“ hinterher pfeifen. Nach einigen Wochen darauf eingestellt, erwartet mich die nächste Stufe: Im Vorbeigehen sagen sie dir "piropos", also Komplimente.

Und dann auch noch das: Ein Kubaner geht direkt auf mich zu, stellt sich vor mich und macht mir einen spontanen Heiratsantrag. „Ich kenne den doch gar nicht“ schießt es mir in den Kopf. Cool bleiben, bestimmt nur eine Verwechslung. Aber nein, erst nach Wochen durchschaue ich das System – dazu beobachtete ich die Kubanerinnen. Die Männer wollen einfach nur Beachtung finden, und sei es nur ein Lächeln – meist reicht das schon und man kann vergnügt weitergehen.

Ist allerdings ein Mann dabei und begleitet die Frau, halten sich die anderen Männer zurück. Praktisch also, wenn man das einmal weiß.

In vielen Situationen, behaupte ich, sind die kubanischen Männer aber charmante Gentlemen und machen (fast) alles für einen – vor allem, wenn man als Ausländerin nach einiger Zeit etwas Gelassenheit und Geduld gelernt hat:

Sie erklären, wie man am besten Salsa tanzen sollte (naja, vielleicht ist erklären zu viel gesagt...), sie holen Wasser aus dem Brunnen der Nachbarin, wenn mal wieder die Wasserleitung abgestellt wurde und wärmen es auf der Herdplatte sogar auf – weil die Kubaner wissen, dass wir Ausländer nicht gerne ganz kalt duschen.

Übrigens kommt es nicht wirklich oft vor, dass ein Kubaner selber kocht und danach das Geschirr auch noch selber abspült. Das macht meist seine Frau oder seine Mama, vor dem Hintergrund, dass in der Machogesellschaft Kuba die Hausarbeit generell als Frauensache eingestuft wird.

Was also sind nun die "typisch" kubanischen Eigenschaften, die vor allem Frauen so anziehen?

Sicherlich ist es interessant, so wie früher bei Papa umsorgt zu werden; sich zu fühlen, wie als Tanzschülerin von Patrick Swayze, weil die meisten Kubaner wirklich Tanzblut in sich tragen; als Besucher recht unkompliziert und offen in die Familie und den Freundeskreis aufgenommen zu werden und jemanden zu sehen, der auch in armen Zeiten fast immer ein Lächeln auf den Lippen hat.

Sicherlich faszinieren jeden ganz andere Eigenschaften: Vielleicht ist es auch die Fähigkeit einiger Kubaner, die es beherrschen, nicht nur die Zeitung aus dem Briefkasten, sondern die Kokosnüsse von den himmelhohen Palmen zu holen. Das Schöne an interkulturellen Freundschaften und Beziehungen ist sicherlich, der gegenseitige Austausch. Jeder hat seine Stärken – und die können auch mal ganz anders als angenommen sein.

Text + Fotos: Sarah Lindner