caiman.de 05/2014

[kol_3] Helden Brasiliens: Hauptsache Pirata
Ein Treffen mit DJ Jaloo in São Paulo

Jaloo ist ein Phänomen – traumwandlerisch sicher verwandelt der DJ seine Remixe in echte Klassiker. Dabei kann man seine Musik für Lau aus dem Internet laden. Was will man mehr!(?)



Eigentlich habe er in seiner Jugend nie Musik gehört, erklärt Jaime de Souza Melo, kurz Jaloo. Aber wieso gehört er dann trotzdem heute zu den kreativsten Köpfen der brasilianischen Musikszene? "Ich hab immer Computer- und Videospiele gezockt, und das elektronische Piepsen fand ich echt stark." Als er dann Björk, Kate Bush und ähnlich abgefahrene Musik entdeckte, war es um Jaloo geschehen. "Das wollte ich halt selber herstellen."



Wieso eigentlich Jaloo? "Jaloo wegen JAime und meLO. Dann hab ich noch ein zweites O drangehängt, damit ich beim googlen als einziger auftauche." Clever ist er also auch noch. Dabei sitzt er bescheiden auf einer Mauer im Stadtzentrum von São Paulo. Um ihn herum düsen Dutzende Skater über den Beton. Seit rund zwei Jahren lebt der 27-jährige Jaloo in Brasiliens größter Stadt, dem wohl krassesten vorzustellenden Gegensatz zu seiner Heimat, einer Kleinstadt im Amazonasbundesstaat Pará. Aus Pará, besser gesagt aus dessen Hauptstadt Belém, hat er die Vorliebe für Stilmixe ohne Pardon mitgebracht.



Seit der Jahrtausendwende geht in Belém der Tecnobrega ab. Rezept: man nehme international erfolgreiche Schnulzen, dichtet einen noch schnulzigeren Text auf Portugiesisch dazu und unterlegt das Ganze mit wilden Synthie-Beats. Je roher sich die Produktion anhört, desto besser. "Nach Pirata muss es sich anhören, nach daheim gebasteltem Zeug."



Aber Jaloo will noch einen Schritt weiter gehen, fusioniert internationale Dance-Music mit "allem möglichen". Hauptsache richtig durcheinander.

Copyright? "Ich hab ja gar keinen Kontakt zu Rihanna, wie soll ich die also um Erlaubnis fragen?" Zudem habe er die Soundspuren leicht im Internet gefunden – das zeige doch, dass sie anscheinend nichts gegen Remixe von Diamonds habe. Auch die Mailadresse von Miley Cyrus habe er nicht – schade eigentlich, sie würde sicherlich Gefallen an Jaloos Wrecking Ball Version "Bai Bai" finden.



Das Zeug zum Klassiker hat auch seine Version von Caetano Velosos "Baby". Das dazu gehörige Video, in einem Park in der Ostzone São Paulos gedreht, scheint ihm zudem ziemlich viel Spaß gemacht zu haben. "Ich habe das Lied, das aus der kleinen blauen Box in meiner Hand kam, einfach um 100% beschleunigt. So hat die Fahrradtour eigentlich nur anderthalb Minuten gedauert. Danach hab ich alles auf 50%-Geschwindigkeit abgespielt – und fertig." Ideen muss man halt haben. "Ich mag solche Spielereien."



Derzeit fokussiert sich Jaloo auf seine exotisch anmutenden Bühnenshows. Daneben produziert er Künstler aus São Paulo, "solche, die es sich sonst nicht leisten könnten. Das ist irgendwie fast eine ehrenamtliche Arbeit von mir...." Er lacht.



Zum Abschluss des lockeren Talks posiert Jaloo noch für Fotos. "Die Geste mit den drei Fingern bedeutet V und L – Vida louca! Zwar ist mein Leben hier in São Paulo nicht ganz so glamourös, wie manche es sich vielleicht vorstellen mögen, aber ich habe Spaß." Wir auch!

Text + Fotos: Thomas Milz


Hier eine Kostprobe seiner Bühnenshow:



Wer mehr hören will:
https://soundcloud.com/jaloo


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