caiman.de 04/2011

[kol_3] Macht Laune: La Nada
 
Ich habe keinen blassen Schimmer. Nicht von Lateinamerika, nicht wirklich von Spanien, nicht von Portugal. Zero, nada, niente... Ist ja aber vielleicht auch die Königs-Disziplin unter den Schreibaufgaben - über Dinge zu schreiben, von denen man keine Ahnung hat. Soll ja auch andere Menschen geben, die das tun... Auf jeden Fall gibt es diesen Deal: Maria Josefa Hausmeister entwirft mir eine Website. Und ich schreibe einen Text. Ein Hoch auf die Tausch-Wirtschaft! Oder: »Viva!« - wie es meine Schweizer Nachbarin, Hausbesetzerin der ersten Stunden, und, ich glaube, Che-Verehrerin, beim Gläschen Wein stets auszudrücken pflegt.

Mehr tun als meine spärlichen Erinnerungen zusammenzukratzen, kann ich also eigentlich nicht. Die gibt es immerhin. Spanische doch immerhin ein paar wenige. Spanien als Fünfjährige zum Beispiel: Mallorca. Kein Ballermann, das dankenswerterweise nicht. Eine Finca im Nirgendwo. Das Fazit meiner damals beschränkten Kulturkenntnis: Eigentlich ganz kindgerecht.

Dann folgt ein langes Nichts...

20 Jahre später finde ich mich abermals in Spanien wieder. Auf einer Hochzeit, in einem winzigen Ort, unweit von Barcelona gelegen. Barcelona ist: el flechazo (Liebe auf den ersten Blick. Das kommt jetzt von Leo - eine Fußnote müsste eigentlich her). Auf der Hochzeit lerne ich den Bräutigam fünf Minuten nach seiner Trauung kennen. Die Braut kenne ich von einem Bier in Berlin. Ich mag sie beide sehr. Nicht nur, aber auch, weil dem »Ja« ein beeindruckendes dreitägiges Feiern folgt. Mit allem, was dazu gehört: Paella, Tapas, Tanzen bis ins Morgengrauen. Und Bier - das eben auch.

Das faszinierte mich: Cerveza »Xibeca« in Einliterplastikflaschen. Vor nicht allzu langer Zeit lernte ich, dass die basisdemokratische, nachhaltig organisierte, naturnahe Schweiz ihr Bier immer noch aus Hülsen trinkt. Zumindest im Privatgebrauch. Mit 16 Jahren kam mir in Deutschland mittels einer Bierflasche ein Teil meines Schneidezahns abhanden - was die Gefahr von Bierglasbehältnissen markiert. Und jetzt also das: Bier aus EinliterPLASTIKflaschen. In Spanien.

Das reizte zu Mutmaßungen: Weiß der anhand seines Ausweises amtlich beglaubigte spanische Mensch besser zu feiern? Trinkt man in Spanien nie allein? Wird spanisches Bier nicht schal? In Spanien beim Hochzeiten zumindest kam ich zu dem Ergebnis: Dass die Welt ein Rätsel ist und Trinkrituale unerforschtes kulturelles Neuland sind. Oder so ähnlich jedenfalls...

Weiterhin könnte ich hier jetzt von meiner ersten Begegnung mit gut gemixten Cuba Libres rapportieren. (Schmerzhaft, das. Vor allem für den Kopf...) Oder über die Rum-Verköstigung in einer Zürcher Bar schwadronieren... (Schmackhaft, das. Und hier  der Vollständigkeit halber die Ergebnisse (ohne Gewähr!): 1. Runde »Diplomatico«, 12 Jahre, Venezuela (3 Punkte), »Ron de Zacapa«, 23 Jahre, Guatemala (2 Punkte), »Flor de Caña«, 12 Jahre (1 Punkt) / 2. Runde »Ron Bermúdez Aniversario« (3 Punkte, und dabei erstaunlich günstig), »Diplomatico« 12 Jahre, Venezuela (2 Punkte), »Reunion«, Fragezeichen (1 Punkt) / 3. Runde »Caroni«, Trinidad (3 Punkte), »Ron Bermúdez Aniversario« (ebenfalls 3 Punkte), »Mont Gay«, Barbados (1 Punkt).

Aber erstens will ich nicht unnötig zum Bild der trinkfesten deutschen Spanienbesucherin beitragen - das tun andere schon, und zwar besser als gut. Und zweitens bin ich seit neuestem ehrenwerte Kulturjournalistin. Und also: Immerhin darf ich behaupten, in meinem Leben schon einmal die Alhambra von innen gesehen zu haben. Das mochte ich - auf eine ganz andere Art. Diese Massen gut gekleideter Menschen, die dort, sich Frischluft mit neu erstandenen Fächern zuwedelnd, durch das alte Gemäuer trabten. Es vermittelte doch: echte Kulturnähe, Nähe zur Geschichte und all dem, was da mal war...

Nein, im Ernst, sehen wir mal von den Tourist/innen-Strömen »biblischen Ausmaßes« ab, von den Zeitfenstern, die einem erlauben, sich im Inneren des Heiligtums zu bewegen, von den Snack- und Colaständen inmitten echten historischen Kulturguts... Ich bin froh, mich bei 38 Grad im Schatten an einer zehn Meter langen Schlange angestellt zu haben. Ehrlich!

Ganz abgesehen davon, dass man dort auch heiraten kann. Nur: Da bleibe ich doch lieber beim guten alten Bier. Gern auch aus Einliterplastikflaschen. Und gerne auch im Süden Spaniens. Ob ich jetzt wohl meine Website bekomme? Wo ich hier doch mit halsbrecherischem Wagemut mein gesamtes Inneres so treuselig und gänzlich (!) unverfälscht nach außen gekehrt habe... Selbstredend!

Es grüßt in diesem Fall: eine Ahnungslose. VD

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