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[kol_1] Helden Brasiliens: Rafaellas Königreich
Rio de Janeiro feiert 450. Geburtstag

Am 1. März wird Rio 450 Jahre alt. Und hat aus diesem Anlass eine Frau aus der Rocinha-Favela zur Miss Rio 450 Jahre gewählt. Eine Wahl, die die Veränderungen in der Stadt spiegelt. Eine Wahl, die versucht, die so lange vergessenen Armenviertel stärker zu integrieren.



Vor genau 50 Jahren, im Jahr 1965, wurde die damals 16-jährige Solange Medina zur "Miss Rio 400 Jahre" gewählt. Solange, eine Frau mit blonden Haaren aus Rios Mittelschicht, erinnert sich. "Damals gab es keine einzige Kandidatin aus den Armenvierteln. Man hatte wohl nicht den Mut dazu." Doch die Zeiten ändern sich. "Dieses Jahr gab es mehrere Kandidatinnen (aus den Favelas)."

Im Jahre 1965 repräsentierte Solange, die mit ihren 16 Jahren bereits vier Sprachen sprach, das "weiße" Rio de Janeiro, eine Stadt, die sich selbst im fernen Europa verortete. Und nicht in Lateinamerika.



Im Januar diesen Jahres übergab Solange nach 50 Jahren "Herrschaft" nun ihre Krone an Rafaella Lemes, die 22-jährige Vertreterin der Rocinha. "Ich denke, dass ich die typische Rassenmischung Rios repräsentiere", erzählt Rafaella während sie vom Dach ihres Elternhauses aus über die Millionenstadt schaut, die sich in ihrer vollen Schönheit unter den Augen der neuen Miss ausbreitet.

Anders als Solange vor 50 Jahren besuchte Rafaella nicht die besten Schulen der Stadt. Zwischen Schule, Nebenjobs und den ersten Schritten ihrer Modelkarriere hin und her gerissen, weiß Rafaella, dass ihre Schulbildung hätte besser sein können. "Aber als Mädchen, das in der Rocinha aufgewachsen ist, schaue ich nach vorne".



Ihr ist bewusst, dass Rio immer noch ein Ort der sozialen Ungerechtigkeiten ist. Dafür muss sie nur auf die Luxusapartments am São Conrado Strand schauen. "Aber wer immer nur darüber sinniert, dass die Welt ungerecht ist, kommt niemals vom Fleck", sagt sie mit breitem Lächeln. Sie hofft, dass ihre Karriere als Model in Schwung kommt. Auch mit dem Bewusstsein, dass sie mit 22 eigentlich schon fast zu alt ist. "Normalerweise geht es bei den Mädels ja mit 14 oder 15 los..."



Falls es doch nicht klappen sollte, will sie mit ihrem Freund eine Schule in der Rocinha eröffnen. Aus der Rocinha, ihrer Favela, in der sie geboren wurde und aufwuchs, will sie nicht wegziehen.

"Rios Schönheit liegt in den Favelas, Orten in denen die Menschen noch solidarisch sind und niemanden im Stich lassen."

Was für ein Glück für Rio so eine Königin zu haben.
Herzlichen Glückwunsch, cidade maravilhosa!

Text und Fotos: Thomas Milz

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