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[art_4] Peru: Die Gebrüder Pizarro und der Palast La Conquista

Pizarro - ein legendärer Name in der Eroberungsgeschichte Südamerikas. Francisco Pizarro hatte 1513 zusammen mit Balboa die Landenge von Panama überquert und den Pazifik entdeckt. Er überlebte in der Golfregion ungeheure Strapazen und Gefahren. Mit mehr als fünfzig Jahren schließlich machte er sich an die Eroberung Perus, vegetierte monatelang mit zwölf Gefährten auf der Gorgoneninsel vor sich hin, um sein fantastisch erscheinendes Ziel nicht aufgeben zu müssen, das er dann schließlich mit nicht einmal zweihundert Konquistadoren 1532 in Cajamarca zu Ende führte; indem er Atahualpa, den frisch gebackenen Usurpator des Inkareiches, gefangensetzte, einen unglaublichen Goldschatz erpresste und das Reich für Kastilien in Besitz nahm.

Doch Francisco war nicht der einzige Pizarro in Peru: Bevor er zum entscheidenden Zug in die Anden aufbrach, holte er aus Spanien seine Brüder:

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Juan Pizarro, der einzige der Brüder, der in Kampfhandlungen gegen die Inkas umkam. Da er 1535 wegen einer Kopfverletzung keinen Helm tragen konnte, kämpfte er ohne diesen bei der Erstürmung der Trutzburg Saksahuaman bei Cuzco und wurde dabei tödlich verwundet.

Gonzalo Pizarro, eine Geschichte für sich. Er war der jüngste der Pizarrobrüder und vielleicht der charismatischste von ihnen. Ihn trieb es zwischen 1539 und 1542 auf der Suche nach El Dorado in die undurchdringlichen Wälder des Amazonastieflandes. Nach Jahren der Entbehrungen kehrte er mit einem kleinen Rest seiner Truppe, alle nur noch in Lumpen und Felle gekleidet, zurück, um festzustellen, dass sein Bruder Francisco von seinem Widersacher, Diego Almagro dem Jüngeren, ermordet worden war. Gonzalo stellte die Ehre seiner Familie wieder her und schwang sich dann zum von Kastilien unabhängigen Alleinherrscher von Panama bis Feuerland auf. Wie ein spanischer Grande gekleidet und geschmückt mit einem roten Kopfband, das an die Borla erinnerte, die Krone der Groß-Inkas, erfocht er zahlreiche Siege, tötete sogar den rechtmäßigen Vizekönig Blasco Núñez de Vela im Kampf, bevor der mächtige Arm Karls V. ihn 1548 durch einen klugen Gottesmann, Pedro de la Gasca, doch noch zur Strecke brachte.

Hernando Pizzaro, sozusagen der "eigentliche Pizarro". Während all seine oben genannten "Brüder" unehelich gezeugt waren, war Hernando der einzig eheliche. Hernando war intelligent und gebildet, während Francisco bekanntlich nicht einmal lesen konnte, stolz und aufbrausend; und so machte er sich Feinde. Andererseits fühlte er sich, wie die Chroniken übereinstimmend berichten, dem gefangenen Atahualpa sehr verbunden und schloss Freundschaft mit ihm. Hernando soll diesem geschworen haben, seiner Tötung niemals zuzustimmen, während der Inkaherrscher seinerseits zu sagen pflegte, keiner unter allen Spaniern sei so sehr ein Herr wie Hernando.

Der gefangene Atahualpa hatte in Cajamarca versprochen, einen großen Raum mit Gold anfüllen zu lassen, wenn man ihn freiließe.

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Obwohl das von den Spaniern so sehr begehrte Edelmetall von allen Seiten aus den Palästen und Heiligtümern herbeigeschafft wurde, ging es den Conquistadoren doch nicht schnell genug. So kam es, dass Hernando zum altehrwürdigen Orakel von Pachacamac im Lurintal, südlich des heutigen Lima, geschickt wurde. Bei dieser Gelegenheit sollte er auskundschaften, ob an den Gerüchten etwas dran sei, dass die Generäle Atahualpas dort Truppen sammelten, um ihren Herrscher zu befreien. Hernando wurde von Juan und Gonzalo sowie zwanzig Reitern auf diesem waghalsigen Ritt begleitet, über den er für die Audiencia von Santo Domingo einen Bericht anfertigte. Darin beschreibt er, wie sie einer sehenswerten Inkastraße durch die Berge folgten und besonders über zwei große Hängebrücken staunten: Eine sei für den Inka und sein Gefolge, die andere für das Volk gewesen. Wenn sie nach Pachacamac fragten, bekamen sie keine Antwort, fanden das Heiligtum aber dennoch. Sie mussten allerdings feststellen, dass die Schätze bereits vor ihnen in Sicherheit gebracht worden waren. Die lokalen Priester wollten weder mit Atahualpa noch mit den Pizarros etwas zu tun haben.

Wieder in Cajamarca wurde Hernando auf eine noch heiklere Mission geschickt, nämlich den Atahualpa treu ergebenen Inkageneral Chalicuchima inmitten seiner Truppen aufzusuchen und nach Cajamarca zu bringen. Auch hierbei stand ihm das Glück zur Seite.
Um Hernando bei der geplanten, weil zur Eroberung des Reiches notwendig erscheinenden, Ermordung Atahualpas nicht im Weg zu haben, schickte Francisco ihn nach Spanien, damit er dort den Kaiser von dem Vorgefallenen unterrichten solle. Hernando gehorchte und Atahualpa musste sterben.

Als Hernando nach Peru zurückkehrte, geriet er in den Krieg zwischen Francisco und dessen ehemaligen Kompagnon Diego Almagro dem Älteren und wurde von letzterem 1537 in Cuzco gefangen genommen. Almagro ließ ihm das Leben, doch Hernando, der ohnehin nie gut auf den ungehobelten Almagro zu sprechen gewesen war, verzieh ihm dies nicht, und sorgte nach seiner Befreiung für dessen Enthauptung. Dies sollte ihn wieder in Spanien teuer zu stehen kommen. Trotz eines weiteren großen Schatzes, den Hernando für die Krone mit sich führte, ließ diese wegen Almagros Tod ein Verfahren gegen ihn einleiten. Zunächst wurde Hernando in Madrid, dann von 1540 bis 1561 in der Burg La Mota (Medina del Campo) inhaftiert. Man wollte ihn nach Afrika verbannen, doch kam es nicht dazu. Während der Rebellion Gonzalos verschärfte sich die Haft.

Nach dessen Niederlage kam es schließlich zu einer hohen Geldbuße Hernandos und seiner ewigen Verweisung aus Hispanoamerika.

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1551 traf Doña Francisca Pizarro y Yupangui, anerkannte Tochter seines Bruders Francisco und der Inkafürstin Inés Yupangui Huyllas, in Spanien ein und reiste als große Dame. Hernando rief sie zu sich nach Medina del Campo. Ein Jahr darauf heiratete der knapp Fünfzigjährige seine neunzehnjährige Nichte unter den nötigen Dispensen, die Erbin der Inkas und des Marquesats. Mit diesem Coup vereinte Hernando das verbliebene Erbe der Pizarros in seiner Hand. Lediglich Gonzalos Teil blieb ausgenommen, da der Anteil des Hochverräters an die Krone zurückfiel.

Bereits von La Mota aus hatte Hernando nahe Trujillo, der Heimatstadt der Pizarros, beim Dorf La Zarza systematisch Land gekauft. Nach seiner Freilassung 1561 siedelte er mit seiner Frau dorthin über und ließ einen kleinen Palast erbauen. Ein weiterer, prunkvollerer Palast entstand an der Plaza Mayor Trujillos. Dieser bekannte Palacio ist mit Halbplastiken historischer Persönlichkeiten der Pizarros und Inkas geschmückt.

Hernando und Francisca hatten fünf Kinder und gründeten 1578 das Majorat des Hauses. Doch die Linie der legitimen Nachfahren erlosch und vererbte sich nur über eine außereheliche Tochter von Hernandos Sohn Francisco, Beatriz Pizarro Inga. Halb erblindet starb Hernando 1578 trotz seines ebenfalls sehr abenteuerlichen Lebens als einziger Pizarro im Bett.

1630 verlieh Philipp IV. den Titel "Marqués in Spanien" an einen der letzten Nachkommen dieser Ehe, an Juan Hernando Pizarro. Dieser zog nach La Zarza und nannte es dem Ruhm seiner Vorfahren zu Ehren "La Conquista", die Eroberung.

Der Palast, der 1808 größtenteils dem Rückzug des Generals Dupont zum Opfer fiel, ist in keinem Reiseführer mehr erwähnt.

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Nach einigem Suchen und Fragen stellte sich heraus, dass er sich nahe der heutigen Ortschaft "Conquista de la Sierra" im Besitz eines Bauern befindet; so dass das letzte Zeugnis des alten Hernando inmitten von Kuhfladen und Müll nun ein unwürdiges Dasein fristet. Das Hauptgebäude zeigt noch deutlich zwei Stockwerke und eine sorgfältige Verputzung der Innenwände. Aber wenn nicht bald Restaurierungsmaßnahmen ergriffen werden, scheint der völlige Einsturz nur mehr eine Frage der Zeit. Über dem Tor erkennt man noch gut das alte Wappen der Pizarros. Das Kellergewölbe, die massiven hohen Mauern mit ihren zahlreichen Schießscharten und der unversehrte Turm zeugen jedoch noch vom kriegerischen Stolz der Familie, die von hier auszog, um am anderen Ende der Welt ein Reich zu erobern.

Text + Fotos: Felix Hinz

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