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[art_5] Karibik: Reggae und Calypso im Karneval
 
Karneval wird in vielen Ländern der Welt gefeiert - in der Regel im Februar oder März, kurz vor Beginn der Fastenzeit. Auch wenn es lokale Besonderheiten und Ausprägungen gibt, ist es doch überall die Zeit, um fröhlich zu sein, zu lachen, die Traurigkeit zu vergessen, den Alltag hinter sich zu lassen, zu singen, zu tanzen und sich hinter einer Maske zu verstecken.

Der brasilianische Karneval, vor allem der in Rio de Janeiro, eines der größten künstlerischen Spektakel unter freiem Himmel, dürfte in weiten Teilen der Welt wohl als DER Karneval schlechthin gelten. In Lateinamerika gibt es noch viele andere farbenfrohe und prächtige Karnevalsveranstaltungen, die nicht weniger leidenschaftlich als die brasilianischen sind.

In ganz Lateinamerika wird Karneval gefeiert - immer mit Musik, Tanz, Verkleidungen, Masken, Wägen, Umzügen und großen Auftritten. In manchen Ländern Lateinamerikas werden Passanten während der Faschingszeit mit Wasser bespritzt oder mit Mehl bestäubt.

Musikgruppen sorgen mit Calypso-, Tumba- und Road March-Songs für Stimmung, prächtige Wagen konkurrieren um den ersten Preis und Faschingsfreunde zeigen voller Stolz ihren aufwendigen Kopf- und Körperschmuck! Der karibische Karneval gilt - nach dem Karnevalstreiben in Rio - als zweitgrößte und -bunteste Sensation der Fastnachtszeit in Lateinamerika. Auch dort wird mit ohrenbetäubendem Lärm gefeiert, bei tropischer Hitze getanzt - auf manchen Inseln gleich mehrmals im Jahr. Anders als allgemein angenommen, ist Fasching dort nämlich an keine bestimmte Jahreszeit gebunden.

Dass auf den Bahamas, in St. Kitts und auf Montserrat in der Zeit von Weihnachten bis Neujahr ausgelassen auf den Straßen gefeiert wird, liegt in der Zeit der Sklaverei begründet: Damals waren die christlichen Festtage für die afrikanischen Sklaven die einzigen freien Tage im ganzen Jahr - Grund genug, um zu tanzen, zu singen, lautstark zu feiern und ein bisschen in Erinnerungen an die alte Heimat zu schwelgen. Mancherorts sind die Fastnachtsfeiern noch heute als Andenken an diese Ursprünge zu sehen. Anderswo war die Christianisierung dominanter: Dort wird Karneval heute vor allem als Fest vor der entbehrungsreichen Fastenzeit gesehen.

Auf den Bahamas beginnt die fünfte Jahreszeit bereits zu Weihnachten und erreicht ihren Höhepunkt am Neujahrstag. Auch in den Kneipen und auf den Straßen Montserrats erklingen um Weihnachten eher Jazz-, Reggae-, und Calypso-Songs als besinnliche Flöten- und Orgelmusik, die man aus unseren Breiten kennt.

Aus Marketing-Gründen, um Überschneidungen mit der Faschingssaison auf Trinidad zu vermeiden, haben manche Inseln ihren Karneval zeitlich verschoben. Trinidad ist nämlich die Karnevalshochburg der Karibik. Jouvay oder Jouvert heißt dort der offizielle Beginn des Karnevals, der die Herzen vieler Insulaner höher schlagen lässt. Für die stolzen Trinibagonians ist ihr Karneval, auch genannt Jump-Up, The Greatest Show On Earth. Richtig rund geht es hauptsächlich an Rosenmontag und Faschingsdienstag. Auf den Straßen der Inseln sind Jab Jabs (Teufel), Burrokeets (Esel), Midnight Robbers (Gauner) und Moko Jumbies (Riesen auf Stelzen) unterwegs. Der Ursprung dieser Figuren reicht bis in die Kolonialzeit zurück, als sich die unteren Bevölkerungsschichten verkleideten und so die Oberen verspotteten.

Beim Jump-Up bewegen sich die bis zu 20.000 uniform kostümierten Mitglieder einer Band tanzend in bis zu drei Kilometer langen Gruppen zu Calypso und Soca-Musik durch die Straßen. Eine der bedeutendsten Ehrungen im Karneval auf Trinidad ist die Auszeichnung als Calypso King. Calypso ist die charakteristische Musikrichtung Trinidads. Typische Songs handeln einerseits von Ereignissen, die die Welt bewegt haben, andererseits kritisieren sie auch Missstände vor Ort. Das Jumping in einer Karnevalsband ist für viele arme Inselbewohner ein teurer Spaß, für den sie ein ganzes Jahr sparen.

Auf Guadeloupe wird sogar am Aschermittwoch gefeiert: Kleine schwarz-weiße Teufel sind unterwegs und am Abend wird eine Stoffpuppe verbrannt.

Ein bedeutender Feiertag in der Dominikanischen Republik ist der 27. Februar. Dann wird Santo Domingo zur Bühne für eine riesige Menge von Merengue-Fans. Danach zieht der Karneval von einer Stadt zur nächsten, so dass immer wieder anderswo getanzt werden kann.

Die Verkleidungen der Narren in Puerto Rico bestehen hauptsächlich aus bunten, meist übel dreinblickenden, Papmachée-Masken. Am Ende der Feierlichkeiten wird der Karneval begraben - in der Hoffnung, dass er im nächsten Jahr wieder aufersteht. Ähnlich läuft das Faschingsende auf Guadeloupe und Aruba ab, wo der Karnevals-Gott Vaval bzw. Momo verbrannt wird.

Die Karneval-Fans auf St. Martin/St. Maarten haben doppeltes Glück: Sie dürfen im Februar im französischen und im April im niederländischen Teil der Insel feiern. Das Carnival Village im holländischen Teil der Insel hat dann rund um die Uhr geöffnet. Bemerkenswert bei 50.000 Bewohnern: Der Paradezug der Hauptstadt Philipsburg ist stolze sechs Kilometer lang!

Aus den Cayman Islands wird Anfang Mai der Batabano Carnival gefeiert. An die Sklavenarbeit des 18. Jahrhunderts auf Barbados erinnert das Crop Over Festival, eine Mischung aus Zuckerrohr-Erntedankfest und Karneval, im Juli. Fünf Wochen lang bedanken sich die Insulaner dann für die eingefahrene Zuckerrohr-Ernte. Auch auf Kuba wird im Juli gefeiert. Dann findet in Havanna eine Art Rummel statt, mit unzähligen Essensständen, Buden und Tanzbühnen.

Der Fasching auf der kleinen britischen Insel Anguilla (12.000 Bewohner) mag auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen: Eine Segelwettfahrt im August zählt zu den absoluten Höhepunkten der Festlichkeiten. Am Strand spielen dann etliche Bands zwischen den zahlreichen Essensbuden und selbstverständlich wird auch getanzt - auf Sand oder im seichten Wasser.

Ebenfalls im Sommer findet der Jumpin’ and Jammin’ Carnival auf Antigua statt. Denn ähnlich wie auf St. Maarten gibt es auch dort eine Karnevals-Stadt.

Text: Corina Oblinger
Fotos: Trinidad & Tobago Tourism Development Company Ltd

Corina Oblinger arbeitet für das Südamerika Reiseportal. Hier findet ihr zahlreiche Reiseangebote in die im Artikel genannten Länder.

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